Kermani, das Kreuz und der Kulturpreis

Von Holger Hettinger · 18.05.2009
Am Anfang stand eine recht einleuchtende Idee: der Hessische Kulturpreis sollte in diesem Jahr an vier Persönlichkeiten verliehen werden, um deren Einsatz für die Verständigung zwischen den Weltreligionen zu würdigen: als Preisträger waren der Mainzer Kardinal Karl Lehmann vorgesehen, ebenso der Protestant Peter Steinacker, einst Kirchenpräsident von Hessen-Nassau, dann: der Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Salomon Korn und der iranischstämmige Schriftsteller Navid Kermani.
Doch dann mokierten sich Lehmann und Steinacker über einen Text Kermanis: Der hatte in der "Neuen Zürcher Zeitung" eine Rom-Reise in Form von literarischen Meditationen und Bildbeschreibungen verarbeitet. In einem dieser Texte beschreibt Kermani seine Gedanken angesichts eines Kreuzigungsbildes von Guido Reni. Es ist ein literarischer, fast schon blumig formulierter Text, in dem Kermani das Spektrum seiner Gefühle beschreibt - von der Ablehnung des Kreuzes bis hin zu seiner persönlichen Annäherung an dieses christliche Symbol. Der Artikel gipfelt in der Formulierung: "Erstmals dachte ich: ich - nicht nur: man -, ICH könnte an ein Kreuz glauben".

Doch diese Aussage wurde für das Empfinden Lehmanns und Steinackers von der anfangs formulierten Ablehnung der Kreuzestheologie überstrahlt - beide sprachen von Gotteslästerung. Als Konsequenz lehnten die christlichen Preisträger ab, gemeinsam mit Kermani geehrt zu werden.

Auf dem Höhepunkt der Turbulenzen wurde Kermani von der Hessischen Staatskanzlei mitgeteilt, dass ihm der Kulturpreis nicht verliehen werde - doch selbst über die Frage, wann wer wem etwas mitgeteilt hat, wird gestritten.

Eine Krisensitzung des Kulturpreis-Kuratoriums sollte die Wogen glätten. Heute mittag hat das Kuratorium entschieden: die Verleihung des Hessischen Kulturpreises ist verschoben - statt am 5. Juli soll der Preis nun im Herbst verliehen werden. Bis dahin ist noch viel Zeit, um die Beteiligten zu einem konstruktiven Dialog zu bewegen, so der Wunsch des Kuratoriums.
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