Keine Rhein-Romantik: Tadao Andos drittes Bau-Werk in Deutschland

Von Ludger Fittkau · 15.08.2010
Er gehört zu den weltweit bekanntesten zeitgenössischen Architekten. Tadao Andos Gebäude zeichnen sich durch eine strenge, fast asketische Modernität aus, sein Lieblingswerkstoff ist Beton. Im beschaulichen Bad Münster am Stein an der Nahe hat Tadao Ando nun sein neuestes deutsches Werk errichtet.
Es ist unwichtig, ob das neue Museum das erste zeitgenössische Skulpturenmuseum der Welt ist, wie die Trägerstiftung es behauptet. Solche Superlative lenken nur ab, denn dieser Ort ist ein kleines Wunder. Tadao Ando, weltberühmter japanischer Architekt, schafft sein drittes Bauwerk in Deutschland nicht in Berlin, Hamburg oder Frankfurt am Main, wo man es erwartet hätte. Ando baut es in dem winzigen, etwas heruntergekommenen Kurort Bad Münster am Stein im Nahetal.

Im Namen dieses weitgehend unbekannten Fleckens liegt auch schon des Rätsels Lösung, warum Ando ausgerechnet hier einen Museumsneubau gestaltet: Die Steinwand, unter der Bad Münster liegt, heißt Rotenfels und ist mit 202 Meter Höhe und 1200 Metern Länge die größte Felswand auf dem europäischen Festland nördlich der Alpen. Eine atemberaubende Naturkulisse. Tadao Ando hat ihr sein neues Museum gewidmet. Hans Werner, einer der Initiatoren des Projektes:

"Und das ist jetzt das dritte Werk von Ando in der Bundesrepublik. Eins steht in Weil am Rhein, das ist ein Industriebau, dann hat er bei Düsseldorf auf der Insel Hombroich eine ehemalige NATO-Raketenstation, bemerkenswert, umgebaut zu einem Museum, und das hier ist sein drittes Werk in der Bundesrepublik und das erste in Rheinland-Pfalz."

Andos Neubau, der künftig die Stein-Skulpturen des Künstlerpaares Kubach-Wilmsen würdig in Szene setzt, ist als "Museum in der Landschaft" konzipiert, er bezieht die gesamte Umgebung mit ein. Vor allem eben den "Rotenfels", auf den das Ando-Gebäude ausgerichtet ist. Das Museum selbst kombiniert eine große Feldscheune aus dem 18. Jahrhundert mit den typischen minimalistischen Beton-Konstruktionen, für die Ando berühmt ist. Damit wurden Freilichthöfe geschaffen, in denen Wasserbecken und Kiesböden sowohl die kunstvolle Architektur als auch die Skulpturen von Kubach-Wilmsen zur Entfaltung bringen. Das Museum und der Raum drum herum ist eine säkulare Kultstätte für die Schönheit von Steinen. Stifterin Anna Kubach-Wilmsen, die in unmittelbarer Nähe des Museums lebt zur Frage danach, warum sie sich in ihrer Arbeit als Bildhauerin mit Haut und Haaren dem Stein verschrieben hat:

"Ja, grundsätzlich denke ich bei dieser Frage 30 Jahre zurück, da kam so der erste Kunstkritiker zu uns. Unsere Kollegen, die sagten alle, ach, du Schreck, jetzt fangen die bei Adam und Eva an, beim Stein, und der Kunstkritiker, der guckt den Felsen an, vom Niederrhein, Beuys, Franz Josef Beuys, der sagt: 'Jetzt weiß ich, warum ihr in Stein arbeitet. Wenn ich da so ein Massiv hätte, da muss man sich ja auch auseinandersetzen mit dem.' Ja, und dann haben wir unser ganzes Leben lang Steine gemacht."

Unter dem Dach des Fachwerkhauses, das Ando in seine Betonhöfe integriert hat, befindet sich eine Bibliothek. Doch auf den Bücherregalen an der Wand und in der Raummitte befinden sich keine Bücher, die man aufklappen kann. Eine Bibliothek der nicht aufklappbaren Bücher, die aber auch für notorische Leser nichts Deprimierendes hat. Denn es ist eine Hommage an ein Kulturgut, das keine einfachen Zeiten durchlebt und von dem niemand so recht weiß, wie lange es noch lebt.

Schon wenn man auf das Museumsgelände kommt, sind Steinbücher zu mehrere Meter hohen Türmen aufeinandergestapelt, weisen den Weg ins Museumsinnere.

Die 200 Meter hohe Felswand über der Nahe, das Museumsgebäude von Tadao Ando, die Steinbücher von Kubach-Wilmsen - zusammengenommen ergibt das einen magischen Ort. Noch ist sich Mitinitiator Hans Werner allerdings nicht sicher, ob dieser Ort auch von der Bevölkerung des Nahetals angenommen wird:

"Es ist ganz interessant, ich hatte eben, als ich auf Sie gewartet habe, mal ein Gespräch mit einigen Arbeitern hier. Es sind die, die jetzt das Gerüst abbauen. Da habe ich gefragt: 'Na, Jungs, was haltet ihr denn davon?' Und dann kam spontan die Aussage: 'Zu viel Beton.' Und dann habe ich gefragt: 'Was hätten Sie denn gemacht anstelle der Mauer?' Dann hat der gesagt: 'Sandstein.' Also, Sie sehen, es ist noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten, in einer solchen Landschaft so ein umfangreiches Werk mit künstlichem Material hinzustellen."

Es ist vermutlich Zufall, dass auch die dritte Arbeit Tadao Andos auf deutschem Boden in unmittelbarer Nähe des Rheines realisiert wurde: nach dem Konferenzpavillon im in Weil am Rhein und dem Kunst- und Ausstellungshaus bei Neuss nun das neue Museum in Bad Münster, etwa 30 Kilometer westlich des Rheines. Dieser Zufall ermöglicht es jetzt aber Architekturbegeisterten, eine regelrechte Rheinreise auf den Spuren von Tadao Ando zu unternehmen. Mit Rheinromantik hat seine strenge Betonarchitektur allerdings nichts zu tun, und das ist auch gut so. Tadao Ando tut als formaler Kontrast einer Region gut, die genug schnörkelhaft-weinselige Architektur aus vergangenen Jahrhunderten zu bieten hat – und genug Sandstein ohnehin. Andos Skulpturenmuseum in Bad Münster am Stein, ein kleines Wunder, ab heute für jedermann zu besichtigen.