Keine Lust auf Vergleiche mit Mireille Mathieu

Von Myriam Jochum · 12.03.2008
Anna Fischer ist eine der großen Schauspielhoffnungen des deutschen Filmes. In den vergangenen beiden Jahren bekam die 21-Jährige für ihre Leistungen als beste Nachwuchsschauspielerin den Max-Ophüls-Preis und die Goldene Kamera verliehen. Im Fernsehen ist sie nun in dem Zweiteiler "Teufelsbraten" nach dem Roman "Das verborgene Wort" von Ulla Hahn zu sehen.
Hilla kommt nach Hause. Die Familie ist außer sich vor Freude, denn der Vater hat im Lotto gewonnen. Er ist bestens gelaunt und großzügig. Auch die knapp 16-jährige Hilla wird reich beschenkt mit einem Einkaufsbummel durch Köln und...

Szene aus dem Film "Teufelsbraten":
Der Vater steht neben Hilla, legt ihr den Arm um die Schulter und sagt:
Vater: "Et soll aber noch was kriege."
Hilla: "Noch was?"
Vater: "Wat däts der denn schon lang wünschen?"
Hilla: "Die Schule"
Vater: "Die Zahnklammeren"
Hilla: "Toll ... "

Anna Fischer spielt den Teenager Hilla Palm im zweiten Teil des Fernsehfilms. Die hochbegabte Tochter soll nach der Mittelschule einen Beruf erlernen und Geld verdienen, statt weiterhin die Schule zu besuchen. Hilla ist sehr unglücklich, aber am Ende wird sie sich durchsetzen.

Anna Fischer, Jahrgang 1986, ist in einem Plattenbau in Berlin-Hohenschönhausen aufgewachsen. Das Gymnasium nach der zehnten Klasse freiwillig verlassen. Die quirlige, 1,60 m große Anna steht zu ihrer damaligen Entscheidung, ist heute aber wissbegieriger denn je.

"... Ick bin gerade total auf dem Lernflash ... Ich würde gerne noch mehr Sprachen lernen oder einfach so Dinge lernen über die Welt. Gib mir mehr Wissen, wie das und das entsteht."

Anna Fischers Augen leuchten und sie zeigt ein strahlendes Lächeln mit der kleinen Zahnlücke oben links, wenn sie über die Themen redet, die sie begeistern, wie Musik oder die Schauspielerei, in die sie so reingerutscht ist.

Begonnen hat alles, als sie mit 15 Jahren im "Haus der Sinne", einem Veranstaltungsort in Berlin-Prenzlauerberg, singend auf der Bühne stand und Regisseur Hans Christian Schmid im Publikum saß. Er lud sie zum Casting ein und bot ihr eine kleine Rolle in seinem Kinofilm "Lichter" an.

Der Durchbruch als Schauspielerin gelang Anna Fischer mit der Hauptrolle in dem Inzest-Drama "Liebeskind". Im April wird Anna wieder im Kino zu sehen sein. In dem Film "Fleisch ist mein Gemüse" spielt sie die Sängerin Lena.

Hier ist Anna voll in ihrem Element. Bereits mit elf Jahren sang sie selbst in der Girl-Group "Zungenkuss", wenig später gründete sie mit ihrer Freundin Tabea "Anna und Bea" und machte HipHop. Im September letzten Jahres hat sie mit ihrer jetzigen Band "Panda" das Debüt-Album "Tretmine" herausgebracht.

Musik-Ausschnitt aus "Hierbleiben":

"... Ich kann da nicht hassen
Bist ma viel zu dolle ans Herz gewachsen
Kenn dich schon so jut
Dass es langsam wehtut
Würd dir gern nen Rücken zeigen
Aber irgendwat sagt ... hierbleiben"


"Hierbleiben" so heißt die Liebeserklärung von Anna Fischer und den vier Jungs von "Panda" an ihre Heimatstadt Berlin. Anna lebt mittlerweile in einer 1-Zimmerwohnung in Friedrichshain. Die rotzigen, teilweise ironischen Texte schreibt sie selbst und singt sie mit einer Power, die man dieser zarten Person auf den ersten Blick nicht zutraut.

"Klar, ick berliner - weißt Du, Musik transportiert egal, da haste 'nen coolen Beat, da kommt die Message auf jeden Fall rüber, weil Du Zeit hast, daran zu arbeiten, aber wenn Du hier im Interview sitzt ... dann hast Du gerade mal 'ne Viertelstunde Zeit, die Menschheit davon zu überzeugen, wat de zu sagen hast, auch wenn de nix zu sagen hast."

Musik-Ausschnitt aus "Dinge":

"Ick will der Welt wat sagen
Wat von hoher Relevanz
Dazu muss ick ne Message haben
Aber mir fällt nüscht ein nur Firlefanz"


In der Film- und Musikbranche sind wahre Freunde sehr rar, deshalb sind Anna ihre Familie, die Freunde und Freund Leo sehr wichtig. Die Eltern - der Vater arbeitet in der Forschung, die Mutter als Erzieherin -, ihre ältere Schwester und die Großeltern unterstützen sie und kommen, wann immer es möglich ist, zu ihren Konzerten. Kraft, Rückhalt und Bodenhaftung findet sie im Privaten, dem sie so viel Zeit wie möglich schenkt.
"Was ich möglich machen kann, mache ich möglich und brauche ich auch, damit die mir mal wieder sagen: eh, Anna, du blöde Kuh, jetzt komm mal wieder auf den Boden, Du bist hier nicht die Prinzessin, die Königin bleibt mal relaxed ..."

Die Band heißt "Panda", weil Anna Fischer mit ihren schwarzen Haaren, der Mireille-Mathieu-Frisur und ihrer hellen Haut an einen Panda erinnert. Allerdings an einen schlanken, modern und leger gekleideten. Ihre Haare sind inzwischen gewachsen genauso wie ihr Unmut, wenn sie auf Mireille Mathieu angesprochen wird.

"Also erst mal ick hab gar keinen Bock mehr auf die Frage ... Vor drei Jahren habe ich den Schnitt gehabt und wusste noch nicht mal, wer Mireille Mathieu ist."
"Du musst Dich nicht verkaufen ... Du musst nur dir selber treu bleiben. Klar muss man auch mal Kompromisse eingehen, um manches möglich zu machen."

Möglich macht sie ihren Erfolg mit Leidenschaft, harter Arbeit, Disziplin und Freundlichkeit. Und, wie geht es weiter?

"Ick weiß nich, wat nächstes Jahr is, et passiert halt total viel grade so - ich kann's gar nicht sagen, et wird schon allet, wie et werden soll."