Keine Bärte für Weihnachtsmänner

Von Oliver Tolmein · 28.06.2005
Um die Demonstrationen von Friedens- und Ökobewegungen unter Kontrolle zu halten, verabschiedete der Deutsche Bundestag am 28. Juni 1985 das so genannte Vermummungsverbot. Seitdem wird es konsequent durchgesetzt: Eine geplante Demonstration von Weihnachtsmännern, die mit ihren Arbeitsbedingungen unzufriedenen waren, wurde 1999 in Berlin nur unter der Bedingung erlaubt, dass sie sich nicht mit weißen Bärten vermummten.
" Es werden Stangen gegen ihn gestoßen, ein anderer Demonstrant reißt die Stange weg, der ganze Platz ist eingehüllt in Rauch. "

Wieder eine Großdemonstration und ein Polizeieinsatz an der geplanten Wiederaufbereitungsanlage im oberpfälzischen Wackersdorf. Und nicht nur in Bayern ist es Anfang der 1980er Jahre unruhig. Hausbesetzungen in Berlin und Hamburg, Demonstrationen der Friedensbewegung in Mutlangen, Bonn und Krefeld, die Auseinandersetzungen um die geplante Startbahn West in Frankfurt und das Engagement gegen den Bau des Atomkraftwerks in Brokdorf.

Über 9000 Demonstrationen jährlich vermeldet die Statistik für diese Zeit – und knapp drei Prozent davon verlaufen unfriedlich. Für die gerade an die Regierung gekommene konservativ-liberale Koalition unter Bundeskanzler Helmut Kohl ist das zu viel. Am 28. Juni 1985 beschließt der Bundestag weit reichende Änderungen des Versammlungsrechts. Bundesjustizminister Hans Engelhard, FDP, nimmt an diesem Tag in seinem Debattenbeitrag im Bundestag den Gegner ins Visier:

" Wir müssen denen zu Leibe rücken, die unkenntlich gemacht, oft feldmarschmäßig wie für einen Bürgerkrieg ausgerüstet, hier bei Demonstrationen anrücken und alleine schon durch ihr martialisches Erscheinungsbild allen daran Beteiligten suggerieren, dass es hier ja nicht um eine friedliche Zusammenkunft demokratischer Bürger zur Darstellung ihrer dezidierten Meinungsäußerung geht. "

Das Schlagwort der politischen Debatte heißt: Vermummungsverbot. Keine Friedensfreundin, kein Atomkraftgegner soll sich mehr mit Motorradsturmhauben, Schals, Sonnenbrillen und Masken, den polizeilichen Video- und Fotografentrupps entziehen können. Der FDP-Minister Otto Graf Lambsdorff bringt in einem Kommentar für die Zeitschrift "Quick" das Anliegen der Regierungskoalition prägnant auf den Punkt:

" Es gehört kein großer Mut dazu, bei uns zu demonstrieren. Wozu dann die Vermummung? Terroristen brauchen sie, die Kriminellen von der Roten-Armee-Fraktion, Verbrecher müssen sich vermummen, Demonstranten haben es nicht nötig, wenn sie friedlich sind. "

In der aufgeheizten Debatte wird noch ein anderer publikumswirksamer Begriff ins Feld geführt: Auch Schutzwaffen sollen nicht mehr erlaubt sein. Der neu geschaffene Paragraph 17a des Versammlungsgesetzes lautete deswegen:

Es ist verboten, bei öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel oder auf dem Weg dorthin Schutzwaffen mit sich zu führen. Es ist auch verboten, an derartigen Veranstaltungen in einer Aufmachung, die geeignet und den Umständen nach darauf gerichtet ist, die Feststellung der Identität zu verhindern, teilzunehmen oder den Weg zu derartigen Veranstaltungen in einer solchen Aufmachung zurückzulegen.

Mit dem Motorradhelm in der Nähe einer Protestkundgebung zu stehen, konnte damit ebenso verboten werden, wie das Demonstrieren in Regenjacke oder mit einem Schal. Für etliche Juristen war das ein Grund, das geplante Gesetz abzulehnen. Die Vorschriften seien viel zu weit auslegbar und verstießen daher, so ihr Einwand, gegen das Bestimmtheitsgebot.

Auch SPD und die in dieser Legislaturperiode erstmals knapp in den Bundestag eingezogenen Grünen, lehnten das geplante Gesetz ab. Der SPD Innenpolitiker und Jurist Alfred Emmerlich begründete ihre Befürchtungen:

" Der Bundesjustizminister hat wörtlich ausgeführt, dass strafbar nicht nur der Gewalttäter sein soll, sondern auch der potenzielle Gewalttäter. Es ist eine Perversion eines rechtsstaatlichen Strafrechts, wenn bestraft wird, weil eine Straftat in Zukunft begangen werden könnte. "

Das Gesetz wurde dennoch beschlossen. In der Rechtsprechung und vor allem in der Polizeipraxis spielt das Vermummungsverbot seither eine wichtige Rolle. Und 1999 wurde in Berlin eine von Weihnachtsmännern geplante Demonstration gegen ihre schlechten Arbeitsbedingungen nur unter der Prämisse erlaubt, dass sie nicht mit weißen Bärten ihre Gesichter vermummten.