Kein Platz für Waschmaschinen

Abhängen im Waschsalon-Café in Hongkong

Eine Frau sitzt im geöffneten Schaufenster von Coffee and Laundry in Hongkong auf dem Fensterbrett.
Eine Kundin sitzt gemütlich im Schaufenster von Coffee and Laundry in Hongkong. © Steffen Wurzel, ARD Shanghai
Von Steffen Wurzel · 27.10.2018
In Hongkong ist Wohnraum teuer und begehrt: Immer mehr Menschen leben dort in sogenannten Micro-Apartments, in denen oft Platz für eine Waschmaschine fehlt. Deshalb erleben Waschsalons einen Boom - und manche sind beliebte Treffpunkte.
In Chinas Sonderverwaltungszone Hongkong ist Wohnraum so teuer und begehrt, dass immer mehr (vor allem junge) Menschen in sogenannten Micro-Apartments wohnen. Eine Waschmaschine passt dort meist nicht mehr rein, auch zum Aufhängen nasser Wäsche ist kein Platz. Deswegen machen in der früheren britischen Kolonie immer mehr Waschsalons auf. Viele haben sich zu einem beliebten Alltags-Treffpunkt zum Abhängen und Kaffee trinken entwickelt. Steffen Wurzel berichtet aus Hongkong
Nein, wie ein normaler Waschsalon sieht der von Katol Lo wirklich nicht aus. Der kleine Laden im Hongkonger Stadtteil Sheung Wan wirkt gemütlich, elegant und sogar ein bisschen edel, was nicht nur an den blitzeblank geputzten Waschmaschinen liegt, sondern auch an der kompletten Holzvertäfelung und der großen Kaffee-Bar. Entsprechend heißt der Laden auch: Coffee and Laundry.
"Wir unterscheiden uns von normalen Waschsalons. Die wirken häufig etwas schmuddelig, obwohl es dort eigentlich um Sauberkeit geht. Meine Partnerin ist Künstlerin, sie arbeitet viel mit Holz, deswegen sieht es hier entsprechend aus."

Kaffee-Expertin mit Dreadlocks und Tattoo

Harbie Chan heißt Katols Geschäftspartnerin: Dreadlocks, Tattoo auf dem Hals, ausgebildete Barista, also Kaffee-Expertin. Sie steht hinter der Theke an der riesigen italienischen Espressomaschine. Drei Arten von Kunden kommen regelmäßig, erklärt sie:
"Diejenigen, die ihre Wäsche machen und währenddessen einen Kaffee trinken und hier abhängen. Außerdem kommen viele Leute, die in der Gegend arbeiten und nur einen Kaffee trinken. Und drittens: Anwohner und Touristen, die hier einfach nur ihre Wäsche machen."
Katol (re.) und Harbie stehen hinter der Kaffeebar von Coffee and Laundry in Hongkong
Katol (re.) und Harbie hinter der Kaffeebar von Coffee and Laundry© Steffen Wurzel, ARD Shanghai
In den vergangenen Jahren haben in Hongkong eine Menge neue hippe Waschsalons aufgemacht. Was auch am chronischen Mangel an bezahlbarem Wohnraum liegt, erklärt Katol. Die meisten Menschen in Hongkong leben in sehr kleinen Wohnungen, viele in WG-Zimmern, erzählt der 35-Jährige.
"Dort ist häufig kein Platz für eine Waschmaschine. Deswegen gibt es eine riesige Nachfrage nach Waschsalons. Und weil die Arbeitszeiten so lang sind, kommen viele erst um Mitternacht, um ihre Wäsche zu waschen."
Eine Stammkundin des Coffee & Laundry ist Dawn Lok. Sie trinkt gerade einen Cappuchino und liest Nachrichten auf ihrem Smartphone, während einige Meter nebendran gerade ihre Wäsche läuft.
"Ich habe Glück, meine Wohnung ist fast 50 Quadratmeter groß," erzählt die Mitte-40-Jährige. "Für Hongkonger Verhältnisse ist das sehr viel. In der Küche und im Badezimmer fehlt mir aber der Platz für eine Waschmaschine und Trockner, den würde ich dann nämlich auch haben wollen, damit sich nicht alle meine auf dem Balkon aufgehängten Klamotten anschauen müssen."

Waschsalons helfen beim Platzsparen

In Hongkong ist es das ganze Jahr über sehr schwül. Die Luftfeuchtigkeit ist viel höher als in Europa. Wäsche wird nur langsam trocken, also gehört ein Trockner für die meisten Menschen einfach dazu. Das verschärft das Platzproblem, sagt Barista Harbie Chan.
"Wir nutzen unseren wenigen Wohnraum lieber für wichtigere Dinge statt für Waschmaschinen oder Trockner. Deswegen sind Waschsalons sehr beliebt, weil sie beim Platz sparen helfen."
Rund fünf Euro kostet eine Ladung Wäsche in Katols Laden, inklusive Trockner. Eine Latte Macchiato von der Kaffeebar kostet knapp drei Euro.
Die Leute sollen bei ihm in Ruhe ihre Wäsche waschen, Kaffee trinken und relaxen, wünscht sich Katol. Und tatsächlich hat sich sein Waschsalon, so wie viele andere in der Stadt, inzwischen zu einem hippen Ort zum Abhängen entwickelt.
"Ich wünsche mir, dass die Leute hier Zeit verbringen, runterkommen und sich erholen können von dem wahnsinnigen Tempo, das sonst überall in Hongkong herrscht."
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