Kein Geld mit "Holocaust-Filmen"

Von Jörg Taszman · 06.11.2006
Die Produktion von Arthur Brauners "der letzte Zug" stand unter keinem guten Stern. Vier Regisseure versuchten sich an dem Stoff, indem es um den letzten Transport von Berliner Juden nach Auschwitz geht. Erst der 5. Regisseur, der Bayer Joseph Vilsmaier, konnte den Film dann auch drehen, zusammen mit seiner Frau Dana Vavrova. Aber auch sie mussten mit Brauner kämpfen.
Der Mann ist 88 Jahre alt und eine lebende Legende: Arthur Brauner, der 1918 in Lodz geborene Jude, der den Holocaust in der Sowjetunion überlebte. 1946 ließ er sich in Berlin nieder, produzierte einen Film, der böse floppte: Morituri. Es war sein erster von nun 21 Filmen, in denen es um die "Shoah", die Verfolgung und Vernichtung der Juden im so genannten Dritten Reich ging.

Viele dieser Filme kamen bei der deutschen Kritik nicht gut an. "Hitlerjunge Salomon", der in den USA erfolgreich im Kino lief, gute Kritiken bekam, sogar Oscarchancen hatte, wurde vom deutschen Auswahlgremium nicht für den "Auslands-Oscar" vorgeschlagen. Die letzten beiden Brauner Produktionen "Von Hölle zu Hölle" oder "Babi Jar" kamen nur vereinzelt oder gar nicht in deutsche Kinos. Wie erklärt sich Arthur Brauner so viel Ablehnung?

"Das Publikum und das ist das deutsche Volk, boykottiert und ignoriert die Filme. Ganz einfach, sie verdrängen die Filme. Und wenn ich geglaubt habe, dass es bei 'Morituri' der Fall sei, weil es zwei Jahre nach Kriegsende noch die alten Nazis gab und dann die Scheiben zertrümmert werden, und die Kinos Angst haben, weiter zu spielen und gehofft habe, dass sich das mit der Zeit ändern würde, so muss ich zugeben, dass das ein Irrtum war. Da ist keine Änderung eingetreten. Eigentlich muss ich sagen bei 'Babi Jar' oder 'Von Hölle zu Hölle' ist sogar eine Verschlechterung zu verspüren. Das macht mich eigentlich sehr traurig. Dann war die ganze Arbeit für die Katz, wie man profan sagen würde."

Arthur Brauner hat auch ganz andere Filme mit seinen CCC Studios in Berlin-Spandau produziert, die lange Zeit richtig Geld einspielten. Von Winnetou über Edgar Wallace Verfilmungen bis hin zu seichtester Unterhaltung war alles dabei. Brauner sagt selbst, an diese Filme wird sich in 100 Jahren keiner mehr erinnern. An Projekten wie "Der letzte Zug" dagegen hängt sein Herz. Schon seit über 40 Jahren wollte er diesen Film produzieren.

"Die Tatsache, dass rund 100 Menschen eingepfercht werden in einen Viehwagon und sechs Tage ohne Wasser, ohne zu essen und unter den schrecklichsten, hygienischen Bedingungen. Das war wohl das Schlimmste. Man kann sich vorstellen, wie die Menschen entwürdigt wurden. Das auf einem engsten Raum. Das ging mir so unter die Haut, auch als ich die Geschichte gefunden habe und das Drehbuch mitgestaltet habe. Wir hatten ja 14 Versionen, bei "Hitlerjunge Salomon" waren es 9. Ich wollte, dass jede Szene wahrhaftig ist und nicht ausgedacht."

Seit vier Jahren ist Arthur Brauner nun direkt mit der Produktion von "Der letzte Zug" beschäftigt, den zuerst Armin Mueller-Stahl realisieren sollte. Nachdem der den Drehstart immer wieder aufschob, kamen nacheinander Rolf Schübel und die Tschechen Ivan Fila und Juraj Herz zum Zuge, die dann - so erzählt es Brauner- meist andere Aspekte der Geschichte verfilmen wollten.

Schließlich sagte Joseph Vilsmaier zu, der den Film gemeinsam mit seiner Frau Dana Vavrova drehte. Beide haben die Geschichte um den letzten Zug, der 1943 von Berlin-Grunewald nach Auschwitz fuhr, einfühlsam inszeniert. Die meisten Klischees werden geschickt umschifft. Andere, wie die ersten Schritte eines Kleinkindes, waren ein Wunsch des Produzenten, wie Dana Vavrova zugibt.

"Aber der Herr Brauner, der hat darauf bestanden ... Kein Kind wird anfangen zu laufen in so einem Waggon. Genau das Gegenteil wird passieren. Ein Kind, das schon laufen konnte, hat aufgehört. Das waren Sachen, die einfach wichtig sind für den Herrn Brauner, auch für den Zuschauer, dass es auch mal was Schönes gibt. Aber es war wirklich ein Kampf. Wir wollten das nicht machen, dann hieß es, das muss gemacht werden und dann muss man es so drehen, dass man es noch unterschreiben kann."

Es ist kein Geheimnis, dass sich die Regisseure mit ihrem Produzenten während der Produktion überwarfen. Meist ging es um Szenen, die Brauner unbedingt im Film haben wollte, Vilsmaier und Vavrova jedoch nicht. So weigerten sie sich beispielsweise, eine Sexszene im Waggon zu filmen. Bei aller Kritik zollt Dana Vavrova ihrem Produzenten aber auch Respekt.

"Also der Arthur Brauner, man muss auch mal was Gutes sagen. In seinem hohen Alter und mit welchem Engagement er der Geschichte die ganzen Jahre gegenüber stand. Und wir haben ihm auch regelmäßig… jede Woche hat er Muster bekommen und die hat er auch immer gesichtet und das war so 50er Jahre ließen immer ein bisschen grüßen. Wir sollen die Lale , er hat es jetzt erkannt; ihre Schokoladenseite ist nicht die linke, die wir ständig fotografieren, sondern die rechte (lacht). Es gab immer schriftlich per Fax. Es ist einfach seine Art von früher Filme zu machen. Aber in dem Waggon sich Gedanken zu machen, welche Seite die Schokoladenseite ist. Dabei ist diese Frau sowieso so bildschön, dass man nicht weiß, wie man sie "runter" kriegt, dass sie nicht mehr so schön ist. Und dann noch gucken, ob nun die rechte oder die linke Seite."

Der Film kann als gut gespieltes Kammerstück überzeugen. Beklemmend ist, wie präzise man als Zuschauer in die Enge des Waggons mitgenommen wird, der tagelang auf dem Weg nach Auschwitz unterwegs ist. Dabei zeigt der Film auch Uneinigkeit unter den Juden und stellt moralische Fragen nach dem Überleben.

Arthur Brauner befürchtet, auch mit diesem Film wieder kein Geld zu verdienen. Er weiß genau, dass er bisher mit seinen "Holocaustfilmen" 14 Millionen D-Mark verlor. Aber das ist ihm lieber, als wenn einer seiner "Unterhaltungsfilme" Gewinn einspielt, sagt er zum Schluss. Es klingt ebenso resignierend wie trotzig.
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