Kein Brückendrama an der Loreley

Moderation: Marie Sagenschneider · 01.02.2008
Die geplante Rheinbrücke in der Nähe des Loreley-Felsens werde nicht gebaut, wenn dies den Titel "Weltkulturerbe" gefährde. Das hat der zuständige rheinland-pfälzische Staatssekretär Joachim Hofmann-Göttig betont. Eine Querung sei notwendig, doch habe man offen gelassen, ob es ein Tunnel oder eine Brücke sein solle. Letztlich könnte ein Kompromiss auf die Tunnel-Lösung hinauslaufen, sagte Hofmann-Göttig.
Sagenschneider: Es gibt wohl wenige Landschaften, die das Bild Deutschlands so geprägt haben, wie das Obere Mittelrheintal. Jeder kennt den Loreleyfelsen bei St. Goarshausen - romantisch, mythenumwoben, viel bedichtet und besungen. Das obere Mittelrheintal erstreckt sich zwischen Bingen und Koblenz und 2002 ist es zum Weltkulturerbe gekürt worden, was einige Verpflichtungen mit sich bringt. Zum Beispiel, den Charakter der Landschaft zu wahren. Eine Kulturlandschaft, die immerhin noch über 100 Rheinkilometer lang brückenfrei ist. Aber wird es dabei bleiben, oder wird im Herz der Romantik über kurz oder lang die Romantik perdu sein und damit auch der Weltkulturerbetitel?

Der Wirtschaft- und Verkehrsminister plädiert offenbar für den Brückenbau oder alternativ eben für den Tunnel, der allerdings um einiges teurer käme. Ist das Konsens in der rheinland-pfälzischen Landesregierung? Joachim Hofmann-Göttig ist Kulturstaatssekretär in Rheinland-Pfalz und Regierungsbeauftragter für das UNESCO-Welterbe in Rheinland-Pfalz. Ich grüße Sie.

Joachim Hofmann-Göttig: Ja, schönen guten Tag.

Sagenschneider: Ist die Brücke schon so gut wie beschlossene Sache?

Hofmann-Göttig: Nein, das ist sie nicht. Es ist beschlossene Sache, dass die Landesregierung mit der Wirtschaft und den örtlich ansässigen Mehrheiten der Bevölkerung der Auffassung ist, dass wir irgendwo in der Mitte zwischen den vorhandenen Brücken eine feste Querung brauchen. Ob es eine Brücke oder ein Tunnel sein soll, ist ausdrücklich offen gehalten worden, aber eine feste Rheinquerung ist erforderlich.

Genauso klar ist, dass der Vergleich mit Dresden und der Elbe in einem Punkte überhaupt nicht zieht, nämlich wir haben nie Zweifel daran gelassen, dass wir eine Weltkulturerbe verträgliche Lösung wollen. Die Beibehaltung des Titels "UNESCO Weltkulturerbe Oberes Mittelrheintal" steht für diese Landesregierung überhaupt nicht zur Disposition, und deswegen fand ich es auch völlig unangemessen, in diesem Stadium von Vorprüfung direkt mit dem schärfsten Schwert zu kommen und der Drohung nach Aberkennung des Titels und ähnliches. Also ich lege großen Wert darauf, dass man das Mittelrheintal nicht in einem Atemzug mit Dresden diskutiert.

Sagenschneider: Aber wie ist das vereinbar, zum einen der Erhalt des Charakters der Kulturlandschaft, das ist ja der Auftrag des Weltkulturerbes, und auf der anderen Seite eben der Brückenbau, meinetwegen aus wirtschaftlichen Erwägungen?

Hofmann-Göttig: Nun ist das doch letztendlich keine Grundsatzfrage, sondern eine architektonische Frage. Die Frage ist, ob man eine Brückenkonstruktion finden kann, von der man sagt, dass sie die Ästhetik des Raumes, des Gesamteindruckes nicht nachhaltig beschädigt. Und wenn das verneint werden sollte, dann muss eben alternativ geprüft werden, wie das mit dem Tunnel ausschaut. Der Tunnel hat ja einen entscheidenden Vorzug. Er beeinträchtigt jedenfalls nicht die Sichtachse auf den Rhein, sondern das einzige Problem beim Tunnel besteht ja in der Zuwegung zum Tunnel. Und ob das nicht architektonisch so geleistet werden kann, dass daraus eben nicht ein großer Klotz entsteht, sondern eine ganz einfache, normale Zufahrt, das wäre zu prüfen.

Also ich muss wirklich sagen, mir ist das Schwert, dass Herr Petzet da mit ICOMOS in der Öffentlichkeit geschwungen hat, entschieden zu scharf geschliffen. Da gehört Ruhe in die Diskussion. Und deswegen werden der Wirtschaftsminister Hering und ich als Regierungsbeauftragter zusammen auch eine Ortsbegehung mit der UNESCO machen, um darüber in aller Ruhe und Sachlichkeit zu reden.

Und im Übrigen gehört das auch nicht in dem ersten Schritt in die Öffentlichkeit, sondern im ersten Schritt gehört das in die Fachgremien zur Erörterung von Möglichkeiten mit Aufträgen auch an uns, was wir vorzuprüfen haben, möglicherweise alternative Standorte, ein bisschen mehr entfernt von der Loreley, das ist alles denkbar. Aber ein Signal unsererseits, Weltkulturerbe steht nicht zur Disposition, aber das Ziel, eine verträglich Querung hinzukriegen, an dem Ziel arbeiten wir.

Sagenschneider: Und trotzdem, eines verstehe ich nicht so richtig, Herr Hofmann-Göttig, als man sich damals um den Weltkulturerbetitel beworben hat, und da waren Sie an vorderster Front engagiert, da hat man doch gewusst, dass dieser Titel eben den Auftrag mit sich bringt, den Charakter der Kulturlandschaft zu erhalten...

Hofmann-Göttig: Ja.

Sagenschneider: ... und eine Brücke, wie schlank nun auch immer, man sieht ja die Debatten in Dresden, die verändert den Charakter der Landschaft doch gravierend.

Hofmann-Göttig: Ja, selbstverständlich haben wir das gewusst. Und diese Frage war auch im Anerkennungsverfahren Gegenstand. Wir haben von uns aus immer offen gelegt, dass es die Diskussion gibt, und wir haben schon im Anerkennungsverfahren deutlich gemacht, dass nur eine Weltkulturerbe verträgliche Brückenkonstruktion in Betracht kommt, wenn es denn eine Brückenkonstruktion wird. Und ich sage noch einmal, wenn die UNESCO sagt, dem Grundsatz nach ist keinerlei Form von Brücke möglich, dann wird die Landesregierung alternative Tunnelpläne in den Mittelpunkt ihrer Prüfung stellen.

Dort dann aber auch von vornherein zu sagen, egal wie ihr es macht, Tunnellösung unter keinen Umständen, das ist für mich eine sehr fundamentalistische Position, die Herr Petzet hier in der Öffentlichkeit vertreten hat. Dem kann man sich so nicht anschließen.

Sagenschneider: Was ist mit dem Argument der Denkmalschützer, dass der Fährbetrieb zum Charakter der Kulturlandschaft Oberes Mittelrheintal gehört, dass man ihn deswegen intensivieren sollte als Alternative?

Hofmann-Göttig: Zunächst einmal will ja niemand den Fährbetrieb abschaffen. Er spielt ja in dieser gesamten Region eine große Rolle. Nur, die wirtschaftlichen Effekte, die sich die Befürworter der festen Querung erhoffen, sind mit der Intensivierung des Fährverkehrs nicht gleichrangig erzielbar, wie das für eine Brücken-, beziehungsweise eine Tunnellösung gelten würde. Denn bei der Fährlösung muss man einfach sehen, dass die wirtschaftlichen Effekte nur funktionieren in dem Maße, wie es Verlässlichkeit gibt. Man muss sich einfach darauf verlassen können, dass man zu einem bestimmten Zeitpunkt von einem Ufer zum anderen kommt, und dieses unabhängig von der Jahreszeit gilt. Wir leben am Mittelrhein mit Hochwasser, wir leben am Mittelrhein aber auch zunehmend mit Niedrigwasser. Sowohl Hochwasser wie Niedrigwasser machen einen zuverlässigen Fährverkehr an bestimmten Tagen unmöglich. Da aber diese feste Rheinquerung über Monate vorher sozusagen verlässlich sein muss, etwa wenn Sie an Speditionsunternehmen und ähnliches denken, ist eine Unwägbarkeit dieser Art für die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht zumutbar.

Was die Tunnellösung anbelangt, möchte ich gerne noch mal darauf hinweisen, dass es gerade dieser Wirtschafts- und Verkehrsminister Hendrik Hering war, der zu Beginn dieser Legislaturperiode auch der Tunnelvariante den Vorzug gegeben hat. Und insofern, wenn wir uns in diese Richtung verständigen würden - Geld hin, Geld her, 73 gegen 40 Millionen, keiner weiß, ob man für 40 Millionen wirklich eine Weltkulturerbe verträgliche Lösung kriegte, vielleicht kostet die am Ende auch 70 - also ich habe den Eindruck, in die Richtung Tunnel könnte man sich als Kompromiss bewegen, und kompromissbereit sein müssen beide Seiten. Die Landesregierung, aber die Vertreter des Weltkulturerbes müssen auch in der Lage sein, wirtschaftliche Notwendigkeiten auch zu sehen, um dann eben sich irgendwo auf dem Kompromisswege zu verständigen. Dazu jedenfalls gibt es Seitens der Landesregierung volle Bereitschaft. Wir werden keinen Konfrontationskurs gegen die UNESCO fahren.

Sagenschneider: Die UNESCO geht ja auch von der anderen Seite ran und sagt, was soll die wirtschaftliche Argumentation, Weltkulturerbe, das ist ein touristisches Gütesiegel, bringt letztlich mehr Besucher und dadurch auch Geld. Reicht ja.

Hofmann-Göttig: Gar keine Frage. Das ist eine ganz berechtigte Argumentation, die für das Anerkennungsverfahren auch eine große Rolle spielte. Aber man kann ja nicht sagen, das eine schließt das andere aus. Dass die regionale Wirtschaft der Auffassung ist, dass die Tatsache, dass man über 100 Kilometer den Strom nicht passieren kann, jedenfalls nicht zuverlässig und pünktlich passieren kann, dass das ein Hindernis ist für das Zusammenwachsen von rechter und linker Rheinseite, das ist ja nicht in Zweifel zu ziehen.

Sagenschneider: Wie, Herr Hofman-Göttig, hat sich denn der Titel Weltkulturerbe für das Obere Mittelrheintal bislang überhaupt ausgewirkt? Da haben Sie ja jetzt Erfahrungen, fünfeinhalb Jahre immerhin schon.

Hofmann-Göttig: Ja, in der Tat. Ich kann heute schon bilanzieren, dass das uns deutlich voran gebracht hat. Also zum Beispiel ohne das Weltkulturerbe hätten wir den Rheinsteig nicht bekommen als einen, der in Europa als Premiumwanderweg ausgezeichneten Wanderwege, der phantastisch angenommen wird. Wir wissen aus dem vergangenen Jahr, dass über 100.000 Wanderer durch diesen Rheinabschnitt gekommen sind. Und das ist eine praktische Belebung des sanften Kulturtourismus auf der Basis von Investitionen, die wir in der Region getroffen haben, die wir ohne Weltkulturerbemotivation nicht gemacht hätten. Und deswegen kann man sagen, das hat sich jetzt schon auch ökonomisch positiv ausgewirkt.

Sagenschneider: Und trotzdem, halten wir das mal als Bilanz fest, sagen Sie, Rheinquerung muss sein, aber nicht um den Preis der Aberkennung des Titels Weltkulturerbe.

Hofmann-Göttig: So ist es.

Sagenschneider: Ich danke Ihnen. Joachim Hofmann-Göttig war das, er ist Kulturstaatssekretär und Regierungsbeauftragter für das UNESCO Weltkulturerbe in Rheinland-Pfalz.