Kazantip Republik

Festival in Krisenzeiten

Beach-Party am Schwarzen Meer in der Ukraine.
Eine Beach-Party am Schwarzen Meer in der Ukraine © picture alliance / dpa / ITAR-TASS / Alexei Pavlishak
Von Martin Risel · 19.08.2014
Ein Festival, das sich als fiktiver Staat ausgibt, mit Ministern für Sound oder gute Laune – das ist die Kazantip Republik. Seinen Ursprung hat das Event auf der Halbinsel Krim, in diesem Jahr zieht es an Georgien Schwarzmeerküste um. Für den Sound sorgen rund 300 Künstler aus verschiedenen elektronischen Musikrichtungen.
Sonnige Beats von DJ Namito, der Halb-Iraner mit Wohnsitz Berlin ist seit Jahren rund um die Welt gebucht. Im vergangenen Jahr hat er zur Eröffnung der Kazantip Republik aufgelegt – auf dem sechs Hektar großen Festivalgelände am Strand des Dorfes Popowka im westlichen Teil der Halbinsel Krim. Dort, wo zwölf Jahre lang das Party-Areal und Parallel-Universum Kazantip einen festen Standort gefunden hatte, nach mehreren Stationen an der ukrainischen Krimküste des Schwarzen Meeres zuvor.
Auch für die Künstler gilt dort das selbe Prozedere wie für alle, die diese Party-Republik Kazantip betreten wollen, erzählt Namito:
"Als ich da ankam, musste ich erst mal ein Visa beantragen. Man kommt da an so ein abgeschlossenes Areal heran und dann gibt's da Uniformierte (lacht). Dann machen die ein Foto von einem und man kriegt einen Pass. Ohne kommt man gar nicht rein, also das ist schon sehr witzig gemacht. Und der Sinn ist: Da drin ist eine Republik, da herrscht Freiheit, Liebe und Extase im Prinzip."
Als Mischung aus Spaß und Ernst ist das gemeint, man will schon genau schauen, wer reinkommt: Polizei, Politik – nein. Denn sowas hat man in Kazantip nicht nötig – oder selbst etabliert: Das ganze ist tatsächlich als fiktiver Staat organisiert. Ein Präsident ernennt ein paar Freunde zu "Ministern für Sound, gute Laune und Architektur", man hat eine eigene "Verfassung".
Laut Artikel 11 gelten zum Beispiel Freaks "als Kulturgut und stehen unter dem Schutz des Kulturministeriums". Hinter der Kazantip-Community steht auch der alte Hippiegedanke vom Lebensglück in der Kommune. Klar, Geld verdient wird damit auch, das Visum kostet 250 Dollar, Anreise und Unterkunft kommen dazu – und bei vielen sicher auch Drogen.
"Das ist schon relativ einzigartig"
Geboten wird einiges: Circa 300 Künstler aus verschiedenen elektronischen Musikrichtungen, Feuertänzer, Stelzenläufer, spektakuläre Licht- und Bühnenshows auf sechs Dancefloors. Dazu 30 Bars und Restaurants, zwei Open-Air-Kinos, drei Kite-Surfing-Stationen und jede Menge verrückte Architektur. Sowas hat Namito bei seinen Welt-Tourneen sonst auch noch nicht gesehen.
"Das ist schon relativ einzigartig, was die da auch über 20 Jahre aufgebaut haben. Und ich würde auch gerne wissen, wie das da jetzt in Georgien aussieht. Denn diese Bauten, die da in Kazantip in der Ukraine standen, das ist ja nicht in zwei Wochen entstanden. Sondern über Jahre haben die das von klein auf immer weiter vergrößert. Das ist ne halbe Stadt, die da am Schwarzen Meer steht - und das ist schon beeindruckend."
Denn nun ist die Kazantip Republik erstmals in Anaklia an der Schwarzmeerküste Georgiens. Die dortige Regierung – also die echte – ist der nicht ganz echten von Kazantip sehr wohlwollend entgegengekommen. Die besteht vor allem aus jungen Russen, allerdings solche, die mit Militär im Allgemeinen und der Putin-Politik im Besonderen nichts zu tun haben wollen. Und deshalb nun nicht mehr auf der Krim feiern.
"Ich hab mich mit dem Veranstalter unterhalten, als das los ging mit der Krim. Und er meinte nur: (lacht) 'Mach Dir keine Sorgen.' Wie die halt so sind, die Jungs aus Osteuropa. Der meinte einfach so: 'Wir machen das schon'. Und dann sind die halt umgezogen nach Georgien. Es ist einfach so wie auf der ganzen Welt: Wenn Du Dich mit Israelis unterhältst, die in der Club- und der elektronischen Szene unterwegs sind, die wollen einfach nur in Ruhe feiern und eine schöne Zeit haben. Und haben keine Lust auf geopolitische Geschichten und Krieg und Drohungen. Dasselbe gilt, glaube ich, auch für diese Kazantip-Leute."