Kaufhaus Kunst

Von Christoph Kersting · 22.07.2005
An der Kunst scheiden sich die Geister, gehören nun die Beuysschen Fettecken dazu oder nicht? Doch eins ist sicher: Mit Kunst lässt sich Geld verdienen, das hat sogar Aldi entdeckt und vor einiger Zeit mit Erfolg signierte Originale ins Regal gestellt. Eine ganz andere Idee hatten drei ehemalige Kunststudenten aus Bremen. Sie eröffneten vor einigen Wochen ein Kaufhaus Kunst, hier werden Bilder von Bremer Künstlern zum Quadratmeter-Preis angeboten.
"Also ich habe mir jetzt gerade hier dieses Bild gekauft, das ist eine wundervolle Synthese finde ich, das Material, der Untergrund ist aus Holz, nicht aus Leinwand, und schwarz bemalt, dunkelbraun-schwarz bemalt, und einfach mit roten und grünen Farbakzenten. Das ist einfach sehr stimmig, auch von den Proportionen."


47 Euro hat Carola von Wie für ihr Original bezahlt, ein guter Kauf, wie sie findet. Zufrieden sind auch die Macher des Kaufhauses Kunst mit ihrer kleinen Vernissage samt Live-Musik.
Schließlich bleibt es nicht das einzige Bild, das an diesem Abend über den Tresen geht. 23 Euro 55, 67 oder auch vier Euro – die Preise klingen tatsächlich nach Kaufhausregal, dahinter steckt eine einfache Rechnung: 150 Euro pro Quadratmeter Kunst. Die Idee hatte der Bremer Taner Körg:

Körg: "Das kam einfach dadurch, dass einer meiner Dozenten an der Uni gesagt hat: Taner, Du machst Kaufhauskunst. Im Endeffekt, Kaufhauskunst klang für mich nicht schlecht, weil die Grundidee ist ganz einfach: In ein Kaufhaus geht jeder, in eine Galerie nicht, und wir wollen eben halt versuchen, Leute hierher zu kriegen, die einerseits günstig Kunst kaufen wollen und andererseits Künstler, die vielleicht einfach mal erste Schritte machen wollen Richtung Galerie, verkaufen, Bilder verkaufen."

Zumindest an diesem Abend geht das Konzept auf, denn neben potentiellen Käufern sind auch Bremer Künstler gekommen, die schon Bilder im Kaufhaus ausstellen oder sich das vorstellen können:

Künstlerin: " Ich male selbst und habe davon gehört, dass dieses Kunstkaufhaus vor kurzem eröffnet hat und dachte, das gucke ich mir jetzt mal an (…) Meine Wände sind ja schon so voll, mich interessiert eher, ob ich hier vielleicht selber mal Werke vorbeibringen, hinhängen kann und ob die dann eventuell gekauft werden. "

Künstlerin: " Da sagen Leute, die meinetwegen so wie ich schon mal ein Bild für 800 Euro verkauft haben: Ja, das habe ich gar nicht mehr nötig oder so, und das finde ich nicht. Ich finde, man muss jung bleiben und dynamisch und genau solche Ideen unterstützen."

Nicht in die Bremer Innenstadt mit ihren schmucken Kaufmannshäusern sind Taner Körg und seine beiden Partner gezogen, sondern an eine Ausfallstraße im Bremer Süden, Spielsalons, Imbissbuden, gegenüber hat gerade ein Fahrradhändler pleite gemacht. Und mittendrin verkaufen die drei ehemaligen Kunststudenten Bilder. Doch die Leute kommen trotzdem:

Kundin: "Ich finde das originell, es ist ja auch vom Ambiente her mit den Einkaufswagen ganz schön, und es ist eine Strategie, die man entwickeln kann und fahren kann, um Kunst sozusagen zu kommunizieren und sozial weiter zu bringen. So dass es Leute, die sich normalerweise nichts selbst Gemaltes oder künstlerisch Gestaltetes kaufen würden, dann doch anspricht."

Auch die Sache mit dem Quadratmeter-Preis finden die meisten eher witzig:

Kundin: "Das ist zum Teil sogar üblich, zum Beispiel Versicherungen versichern zum Teil auch Kunst zum Quadratmeter-Preis."

Reich wird dabei niemand, sagt Taner Körg. Aber darum geht es auch gar nicht:

Körg: " Die Künstler, die hier ausstellen, die können das ungefähr so rechnen: Wenn die ein Bild verkaufen, können sie zwei bis drei neue malen für das Geld, was sie da rauskriegen."

Körg muss es wissen, denn auch er selbst nutzt das Kaufhaus als Verkaufsfläche, genau wie sein Partner Carlos Rivero. Rund 50 Bilder haben Körg, Rivero und der Dritte im Bunde, Meinhard Kuhlmann, schon verkauft. Trotzdem ist das Ganze noch ein Zuschussgeschäft, sagt Kuhlmann, der sich um die Finanzen kümmert.

Kuhlmann: " Die Kalkulation ist bisher schlecht, weil wir zu billig sind (lacht). (…) Also wir haben erstmal mehr oder weniger beliebig gezielt und dachten, wir probieren's zu 150 Euro pro Quadratmeter und merken aber zunehmend, das kommt bei den Kunden gut an, aber bei uns gibt's echt das Problem, obwohl wir ein erfolgreiches Geschäft führen, trotzdem nicht mal die Unkosten dabei decken."

Der Quadratmeterpreis wird wohl nicht zu halten sein, gleichzeitig ist es Kuhlmann aber wichtig, dass die Bilder für jedermann erschwinglich bleiben. Da sehen sich die Kaufhaus-Macher durchaus als Alternative zum etablierten und oft auch blasierten Kunstmarkt:

Kuhlmann: "Es ist eindeutig ein Gegenkonzept, weil wir wollen konsequent das vermeiden so eine elitäre und arrogante Galerie zu sein. Darum gibt's bei uns auch Bier und Nachos, die man einfach so nehmen kann."

Für seinen Kollegen Taner Körg ist das Kaufhaus-Projekt auch eine Antwort auf die schlechte wirtschaftliche Stimmung:

Körg: "Künstler, wirtschaftlich, Job, alles Mögliche, also das ist queerbeet durch die gesamte Gesellschaft. Zeiten, in denen einfach alles schlecht ist, sind Zeiten, in denen man aufbrechen kann, in denen man neue Sachen machen kann, ausprobieren kann. Weil, wenn man satt ist, bewegt man sich nicht. "