Katholische Kirche

Ein göttlicher Konzern?

Von Simone Schmollack · 23.03.2014
Die katholische Kirche muss sich in letzter Zeit einiges an Kritik gefallen lassen - zurecht, wie Fidelius Schmid und Matthias Drobinski in ihren Analysen der Kirchenfinanzen zeigen. Vor allem Schmids Recherchen über die kriminellen Geschäfte der Vatikanbank dürften den Leser erschüttern.
Die katholische Kirche steht seit Jahren in der Kritik: Da sind einerseits die Missbrauchs- und Finanzskandale. Andererseits werden ihr konservative Beharrlichkeit und Reformunwillen vorgeworfen. Und dann machte Ende Dezember auch noch die Nachricht die Runde, dass sich der Vatikan jetzt von McKinsey beraten lässt. Was hat eine global agierende und profitorientierte Unternehmensberatung mit Gott und Glauben zu tun?
Sehr viel. Dieser Eindruck drängt sich zumindest auf, wirft man einen Blick in zwei gerade erschienene Bücher, die sich mit den kirchlichen Finanzen beschäftigen. Ist die Kirche ein Konzern? Wieviel Geld darf dieser Konzern haben? Wozu sollte er es verwenden? Und wie transparent ist der Konzern Kirche?
Fidelius Schmid beantwortet die letzte Frage allein mit dem Titel seines Buches, er nannte es "Gottes schwarze Kasse". Das Werk ist aber keine Abrechnung mit der Vatikanbank, sondern eine detaillierte und dicht geschriebene Bestandsaufnahme des römischen Geldinstituts und seiner Vorgänger, von der Gründung bis hin zur Gegenwart.
Geschäfte mit der Mafia und Steuerhinterziehung
Zwei Jahre lang hat der Spiegel-Autor recherchiert und Erstaunliches herausgefunden: Offenbar verwaltet die vatikanische Bank rund 7 Milliarden Euro und besitzt etwa 800 Millionen Euro Eigenkapital. Nun sind solche Summen Peanuts nach den Maßstäben weltlicher Kreditinstitute.
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Cover: "Gottes schwarze Kasse" von Fidelius Schmid© Eichborn Verlag
Aber die Vatikanbank funktioniert anders: Sie leiht sich kein Geld am Kapitalmarkt, sondern arbeitet lediglich mit den Einlagen ihrer Kunden. Die sind in der Regel Geistliche und Mitarbeiter des Kirchenstaates - jeder mit einem Guthaben von durchschnittlich 333.000 Euro, wie Schmid ausgerechnet hat.
"Ein durchaus respektabler Betrag. Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass hier von einer Bank in einem Staat von der Größe der Münchener Theresienwiese die Rede ist."
Mit 7 Milliarden Euro kann man einiges machen. Armenspeisung zum Beispiel. Krankheiten in Afrika bekämpfen. Das Klima retten. Man kann das Geld aber auch verschieben, beispielsweise auf Konten, die mit christlicher Nächstenliebe und Glauben gar nichts zu tun haben. So wie das die Bank des Kirchenstaates getan hat.
Zwar ist sie schon seit Jahren bekannt für zwielichtige Finanztransaktionen, die auch zu Mord und Freitod führten. Was Fidelius Schmid aber aufgedeckt hat, dürfte die Gemüter des Kirchenvolks umso heftiger erregen.
Skepsis, ob Papst Franziskus etwas ändern kann
Über Mittelsmänner und Kriminelle hat das "Istituto per le Opere di Religione" jahrzehntelang Geschäfte mit der Mafia gemacht, war in Drogenkartelle verstrickt, hat Steuern hinterzogen, Briefkastenfirmen in Liechtenstein und Panama unterhalten. Darüber hinaus hat das päpstliche Geldhaus ebenso in Rüstungskonzerne investiert wie in ein Unternehmen, das die Pille herstellte.
Selbst in ein Einkaufszentrum in Arizona floss Geld aus Rom - 20 Millionen Dollar, von denen nur 8 wieder zurückkamen. Bischof Marcinkus, der von 1971 bis 1989 Direktor der Vatikanbank war, soll die Schiebereien so begründet haben:
"Kann man in dieser Welt leben, ohne sich Gedanken um Geld zu machen? Man kann die Kirche nicht mit Ave Marias führen."
Papst Franziskus ist solch ein Finanzgebaren ein Dorn im Auge, er will das Geldinstitut von Grund auf reformieren. Das wäre der bislang vierte Versuch, Gottes schwarze Kasse zu säubern. Schmid ist skeptisch, ob das gelingt:
"Alles in allem ... war die Vatikanbank nie ein vorbildlich geführtes Institut, und mein Optimismus, dass sie je ein solches wird, hält sich in Grenzen."

Matthias Drobinski: Kirche, Macht und Geld
Gütersloher Verlagshaus, November 2013
255 Seiten, 19,99 Euro, auch als ebook

Auch Matthias Drobinski kritisiert den leichtfertigen Umgang mit Kirchengeldern. Doch der Redakteur der Süddeutschen Zeitung hat nichts dagegen, sie kreativ und mutig einzusetzen. Beispielsweise so, wie es Roland Breitenbach in Schweinfurt macht. Der katholische Pfarrer hat nicht nur eine vegane fränkische Leberwurst erfunden, die seit einigen Jahren vertrieben wird. Er hat auch eine Solaranlage errichten lassen - auf dem Dach der Pfarrgemeinde.
Die christlichen Kirchen in Deutschland müssten umdenken, fordert Drobinski in seinem Buch "Kirche, Macht und Geld". Ihnen laufen seit Jahren die Mitglieder weg, damit schwinden die Einnahmen. Selbst der personelle Nachwuchs lässt sich nicht mehr so leicht rekrutieren wie früher. Das wiederum dürfte sich auf die kirchlichen Sozialverbände Caritas und Diakonie auswirken.
"Eine Kirche mit weniger Geld und Personal muss viel stärker auf den mündigen Christen setzen, als sie das heute tut."
Ein frommer Wunsch, der zumindest von der katholischen Kirche im Alltag vielfach ignoriert wird. Da soll die Leiterin eines katholischen Kindergartens gekündigt werden, weil sie geschieden ist und mit einem neuen Mann zusammenlebt.
Wie eine Sammlung der Zeitungsartikel
Katholische Krankenhäuser verweigern einer vergewaltigten Frau die "Pille danach". Und wer als geschiedener Katholik keine Probleme mit seiner Kirche bekommen will, kann mit Hilfe einer sogenannten Ehenichtigkeitserklärung so tun, als hätte es die frühere Liebe nie gegeben. Wenn es um Unternehmens- und Organisationsethik geht, dann entgleitet den Kirchen die Moral, die sie von ihren Mitgliedern fordern.
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Cover: "Kirche, Macht und Geld" von Matthias Drobinski© Gütersloher Verlagshaus
Um ihre Macht brauchen sie deswegen nicht zu bangen, versichert Matthias Drobinski. Ihr Sonderstatus ist vertraglich und gesetzlich gesichert. Als öffentlich-rechtliche Körperschaften sind sie Partner des Staates – im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialwesen. So erhalten sie jedes Jahr etwa 480 Millionen Euro an öffentlichen Personalkostenzuschüssen, wie der Kirchenkritiker Carsten Frerk herausgefunden haben will. Und ihre Vertreter sitzen in den Gremien der Rundfunk- und Fernsehanstalten.
Religion ist eben doch nicht einfach eine Privatsache, findet der Katholik Drobinski. Der von sich zwar behauptet, keinen Kirchenkomplex zu haben und mehr Grautöne in die so häufig schwarz-weiß-geführte Kirchendebatte bringen zu wollen. Ein lobenswerter Ansatz.
Leider aber liest sich sein Buch allzu häufig so, als hätte er seine eigenen Zeitungsartikel nur noch einmal zusammengefasst und mit frischer Farbe versehen.

Fidelius Schmid: Gottes schwarze Kasse
Der Papst und die zwielichtigen Geschäfte der Vatikanbank
Eichborn Verlag, Frankfurt November 2013
272 Seiten, 19,99 Euro, auch als ebook

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