Katholikentag in Münster

Die Kirche, der Glaube und der Streit um das Tierwohl

Der gläserne Schweinestall auf dem Katholikentag in Münster
Früher ging es den Tieren auf dem Bauernhof nicht besser, sagen Landwirte auf dem Katholikentag. © Kirsten Dietrich
Von Kirsten Dietrich · 11.05.2018
Auf dem Katholikentag in Münster präsentieren Bauern in einem gläsernen Schweinestall ihre Arbeit. Sie unterstreichen damit auch, dass für sie zwischen der Bewahrung der Schöpfung und moderner Hochleistungslandwirtschaft kein Widerspruch besteht.
Eine symbolisierte Kirche, Gasthaus, Dorfmuseum, dazu Zinkwannen mit Geranien zur Verzierung und sogar eine Bushaltestelle: Die katholischen Landverbände haben ihr Dorf mitgebracht. Dorf findet statt – das meint auch: Bauern wie Alex Kleuter von der Katholischen Landjugendbewegung wollen falsche Bilder geraderücken:
"Wir wollen einfach Landwirtschaft zeigen, wie sie ist, wir wollen nicht eine Welt präsentieren, wo drei Schweine auf einer Wiese leben, das ist nicht mehr Realität, einfach zu erklären, wie’s abläuft."
Und deswegen gehört auch der Musterstall für Schweine ins Katholikentagsdorf. Mit Spaltenboden aus Beton – der sei nämlich gar nicht so schlimm – dafür auch mit Spielzeug – wie eine Art Mobilé zum Kauen - nur ohne echte Schweine, die dürften nach dem Ausflug nämlich nicht zurück in den heimischen Stall, sondern müssten zum Schlachter.

Geht es den Tieren heute besser?

"Dass quasi auf jeden Fall Bewegung in der Landwirtschaft ist und auch was Tierwohl angeht, dass das für uns ein großes Thema ist und wir daran arbeiten, dass das immer besser wird, man aber auch sehen muss, dass wir, wenn man es mal weltweit vergleicht, die Landwirtschaft in Deutschland schon auf einem sehr, sehr hohen Niveau ist."
"Als ich Kind war, haben die Tiere schlechter gelebt als heute. Das ist ein altes Bild, das man auf die Landwirtschaft überträgt, dass früher alles besser war - nein."
Bernd Hante ist Priester und im Bistum für die Katholiken auf dem Lande zuständig. Für Menschen also wie Margret Schemmer von der katholischen Landvolkbewegung:
"Ein anderes Beispiel ist mit Pflanzenschutzmittel auf Feldern, was da eingesetzt wird: dass die Bauern halt zu viel gebrauchen. Die Bauern machen auf ihren Flächen das schon richtig. Ich finde aber, so manche Kleingärtner in den Dörfern, die brauchen teilweise viel mehr Pestizide, um ihr Unkraut wegzukriegen, als Landwirte auf einer ganzen Fläche."

Das Produktivitätswunder wird teuer erkauft

Schnitt – vom Katholikentagsdorf in einen überfüllten Hörsaal der Universität in Münster. "Ernährung billig und gut – geht beides?" Dass die Bauern das im Prinzip schon richtig machten, weil sie ja seit Generationen mit dem Land verbunden seien – das würde der Ökonom Niko Paech eher nicht so sehen. Die Rede von der größeren Produktivität der modernen Landwirtschaft hält er für Täuschung:
"Wenn wir nämlich die ganze Chemie, die ganze Energie, das ganze Wasser, die ganze Mechanisierung einbeziehen, die nötig war, um dieses vermeintliche Produktivitätswunder Wirklichkeit werden zu lassen, stellt sich heraus, dass das, was wir unter Produktivität verstehen, ausschließlich ökologische Plünderung ist."

Eigentlich müsste sich Paech mit den Landwirten verstehen. Schließlich fordert er, wie sie, neue Wertschätzung für Lebensmittel und eine radikale Umformung des Arbeitslebens, die jedem Menschen Zeit zum Gärtnern gibt. Feste Versorgungsbeziehungen zum nächsten Bauernhof inbegriffen. Aber Applaus zu Konsumverzicht und biologischer Umorientierung kommt vor allem von denen, die zumindest äußerlich eher ins universitäre Milieu passen, nicht auf den Bauernhof. Die Fürsprecher der Landwirtschaft hören vor allem: Verzicht, kleinere Höfe, so wie es ist, kann es nicht weitergehen.
"Wir können als Landwirte nicht alleine das tragen, was gut für die Natur sein kann, wenn nicht die Gesamtgesellschaft das in vielen Bereichen ihres Verhaltens auch mitträgt."

Teil des Problems oder Teil der Lösung?

Aber menschliche Gewohnheiten ändern sich wahrscheinlich noch schwerer als die Erbfolge auf Münsterländer Bauernhöfen. Ist die Landwirtschaft Teil des Problems oder der Lösung? Darum ringen die Bauern, für die Nichtbauern ist die Antwort meist klar. Und die Kirche? Die steht fest – in beiden Lagern. Die Landvolkbewegung hat zumindest im Bistum Münster steigende Mitgliederzahlen, das dürfte sie ziemlich einmalig unter katholischen Verbänden machen.
"Die Kirche spielt auf dem Dorf noch eine recht große Rolle, wir fühlen uns auf jeden Fall verbunden."
"Die katholische Kirche ist so bunt wie die Gesellschaft. Einige sind der Landwirtschaft nah, andere nicht."
Auch Katholiken und Katholikinnen in der Landwirtschaft diskutieren über Nachhaltigkeit, sagt Pfarrer Bernd Hante. Das sollten aus seiner Sicht alle tun, auch die, die nicht wie er vom Bauernhof kommen.
"Von meiner Kirche wünsche ich, dass sie mehr Einblick in die Landwirtschaft nimmt. Die müssen jetzt nicht alle positiv für Landwirtschaft gestimmt sein, aber ich erwarte von jedem in unserer Kirche, dass er sich mit anderen Modellen auseinandersetzt, damit er sich selber eine Meinung bildet."
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