Katholikentag in Leipzig

Menschenbild und Medienwirkung

Passanten laufen an einer viereckigen Installation mit Transparenten vorbei. Auf der Vorserseite sieht man das überlebensgroße Bild eines grinsenden Jungen und die Schrift "Seht, da ist der Mensch".
Der Katholikentag findet noch bis zum 29. Mai 2016 in Leipzig statt. © Jan Woitas / dpa
Von Kirsten Dietrich · 27.05.2016
Shitstorm und Hasskommentare: Wer in der Öffentlichkeit steht, fürchtet die Wirkungen, die eine unbedachte Äußerung in den Medien haben kann. Beim Katholikentag wurde heute über ethische Forderungen an die Medien selbst gesprochen - Kirsten Dietrich hat die Debatte beobachtet.
Was dürfen Medien, wo trauen sie sich vielleicht sogar zu wenig, und wo überschreiten sie ihre Grenzen? Das wollte der Katholikentag ausloten und stellte dabei sehr grundlegende Fragen danach, warum im Verhältnis von Medien und Öffentlichkeit der Ton immer rauer wird. Quotendruck und Unduldsamkeit gegenüber widerstreitenden Meinungen zählten zu den Deutungen, der Passauer Bischof Stefan Oster hat eine sehr pastorale Antwort.
"Vielleicht ist sowas wie ein genereller Verlust von gegenseitigem Vertrauen, liebevollem Umgang miteinander – wer sich nicht geliebt weiß, sucht Anerkennung, wenn etwas von dem zurückgeht, mir fehlt, dann brauch ich "Gefällt mir"-Klicks, brauch vielleicht Aufmerksamkeit in Casting-Shows, manchmal auch die negative."
Einfache Lösungen für das Mediendilemma hat niemand. Klar ist nur: Digitalisierung und soziale Medien machen es schwieriger, die Folgen von Berichterstattung abzuschätzen oder gar zu beschränken. Der Medienanwalt Gernot Lehr hat unter anderem Papst Benedikt bei einer Klage gegen die Satirezeitschrift "Titanic" vertreten.
"Man muss sich in der klassischen Berichterstattung der Verantwortung bewusst sein, die unsere moderne digitalisierte Gesellschaft auslöst. Diese Verantwortung ist sehr groß. Das ist ein riesiges Problem im Bereich der sogenannten Verdachtsberichterstattung. Diese Vorverurteilung führt zu einem Wust von Attacken im Internet, der ausgesprochen schwierig ist. Da hat sich die Welt leider verändert."
Für christliche Journalisten gibt es dabei übrigens keine Sonderregeln, sagt der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff. Auch wenn sie natürlich frei darin sind, an sich und ihre Arbeit einen besonders hohen Maßstab anzulegen.
"Es gibt keine Sondermoral für christliche Journalisten oder Satiriker, wohl sollten christliche Journalisten eine besondere, aus ihrem Glauben stammende Motivation dazu haben, ihren Beruf gut auszuüben. Und sich immer auch noch bewusst zu sein: Natürlich haben wir bestimmte kommunikative Regeln im Miteinander, wenn das medial vermittelt ist, ist das anders als eine Face-to-face-Kommunikation in privaten Zusammenhängen, aber man muss sich immer bewusst bleiben: Auch der andere ist als Kommunikationspartner eine Person, der ich prinzipiell Achtung schulde."

Ist Emotionalisierung notwendig?

Was guter Journalismus allerdings im Detail bedeutet, da gehen die Meinungen naturgemäß auseinander. So bei der Frage danach, wie stark Medien mit Emotionen arbeiten dürfen. Ist Emotionalisierung notwendig, weil Journalismus auch unterhalten und gehört werden will, wie das Maybritt Illner formulierte? Oder geht der öffentlich-rechtliche Journalismus dabei zu weit? Der Passauer Bischof Stefan Oster.
"Der Druck der Ökonomisierung, der Geschwindigkeit, der Notwendigkeit, Quote zu machen, führt dazu meines Erachtens, dass auch die klassischen Medien Print und Öffentlich-rechtlich stärker emotionalisieren in manchen Fällen als informieren wollen."
Eine Grundannahme allerdings wurde nicht ausdrücklich zum Thema: Kirchenvertreter und Kirchenmitglieder sehen sich beim Thema Medien vor allem aufseiten der Opfer. Warum werde immer auf der Kirche herumgehackt, vor allem auf konservativen Christen, warum werde sie als bedrohliche Institution dargestellt? So der Tenor der Publikumsfragen. Bischof Stefan Oster:
"Tatsächlich sind wir ja nicht selten dem Spott ausgesetzt, aber ja: Ich glaube, es gehört sogar dazu, von unserem Glauben, vom Neuen Testament her, dass wir Angriffen ausgesetzt sind und Weisen finden, damit umzugehen, die anders sind als zum Beispiel einfach zurückschlagen."
Die Journalistin Christiane Florin erzählte dagegen, wie sie sich im Zentrum eines Shitstorms wiederfand, nachdem sie beleidigende Reaktionen auf eine redaktionelle Entscheidung veröffentlichte. Die Urheber kamen – aus kirchlichen Kreisen.
"Dass es diesen Hass gibt grade in der Kirche, grad in einer bestimmten Ecke der Kirche, das war für mich nicht neu. Was für mich schon neu ist, ist, dass man den artikuliert, dass man den auch fast mit Stolz artikuliert, manche haben ja zurückgeschrieben: Ja, drucken Sie das. Neu ist schon diese Unduldsamkeit. Aber innerkirchlich hat eigentlich diese Debatte gar nicht stattgefunden damals. Da haben mir Bischöfe gesagt, ach, haben Sie sich nicht so."
In der Diskussion auf dem Katholikentag äußerten die Journalisten auf dem Podium ihre Hochachtung für Florins Vorgehen. Der anwesende Bischof – schwieg.
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