Kate Tempests Album auf Deutsch

Schlaflos in London

Das britische Multitalent Kate Tempest bei einem Konzert in Barcelona 2015
Ihr Album "Let them eat chaos" ist seit zwei Jahren auf dem Markt, nun gibt es auch eine deutsche Übersetzung. © imago/ZUMA Press
Von Katharina Borchardt · 17.08.2018
Es hat ein wenig gedauert, doch nun ist sie da: die zweisprachige Textausgabe zu Kate Tempests aktuellem Album "Let them eat chaos". Nicht nur ein Booklet, sondern eine 150-seitige stil- und rhythmussichere Übertragung des Originals ins Deutsche.
Dunkelheit. Gleitflug durch den Weltraum. Langsam nähert sich die Erzählerin der Erde, zoomt sich heran.
Now,
in amongst all this space,
see that speck of light in the furthest corner,
gold as a pharaoh’s deathbox
So setzt Kate Tempests aktuelle CD ein. "Let them eat chaos" heißt sie; knapp zwei Jahre ist sie schon auf dem Markt. Nun liegt auch die deutsche Übersetzung vor.
Jetzt,
in diesem gigantischen Raum,
sieh den Lichtpunkt in der hintersten Ecke,
golden wie der Totenschrein des Pharaos.

An Schlaf ist nicht zu denken

Die Erzählerin kommt näher und näher, entdeckt das nächtlich erleuchtete London. Genauer: eine Straße, in der sieben Menschen wohnen. Sie alle liegen wach in dieser Nacht. So auch Jemma.
Jemma is awake. What woke her?
Jemma hat schon ziemlich was hinter sich: Herumtreiberei, Gewalt, Drogen. Die Vergangenheit zerrt an ihr. An Schlaf ist nicht zu denken.
It’s 4:18. And Jemma’s thinking.
Auch Esther, Alicia und Pete, Bradley, Zoe und Pious wälzen sich herum. Sie sind einsam in ihren Wohnungen.
Smart flats. Rough flats.
Can’t-get-enough-cats-flat,
you know, seventeen cat-flaps.
Rich flats, broke flats.
New flats.
Old flats.
Luxury bespoke flats.
And this-has-got-to-be-a-joke-flats.
In der deutschen Übersetzung klingt das so:
Wohnungen, gut geschnitten oder völlig verschlissen.
Oder voller Katzen,
so mit siebzehn Katzenklappen.
Reich oder pleite.
Frisch saniert
oder lang nix passiert.
Luxuriös mit Wunschausstattung
oder unseriös, komplette Verarschung.

Die Übersetzung ist gelungen, wenn auch etwas schwerfällig

Eine vorgelesene Übersetzung kann im Vergleich zum lässig hingerappten Original nur mau klingen. Und doch hat die Übersetzerin Johanna Davids gute Arbeit geleistet. Ihr deutscher Text ist – wie auch der englische – umgangssprachlich, ohne in übermäßigen Slang zu verfallen. Sie hat ein gutes Händchen fürs Lautmalerische, für Binnen- und Endreime sowie für Rhythmus: Die klassischen Jamben etwa, die Kate Tempest häufig verwendet, konnte sie teils elegant übernehmen. Trotzdem wirkt das Deutsche oft schwerfälliger. Deutsche Worte sind einfach lang und nur selten so knackig wie die schnittigen Einsilber, die Kate Tempest manchmal gehäuft einsetzt. Und die eine unübersetzbare Coolness haben.
Sleep like a gloved hand covers our eyes
The lights are so nice and bright
and let’s dream
But some of us are stuck
like stones
in a
slow stream
What am I gonna do to wake up?
"Schlaf, als läge eine Hand auf deinem Gesicht" – den deutschen Text auf die elektronische Originalmusik zu rappen, man braucht es gar nicht erst versuchen. Der Performance von Kate Tempest kann ein Buch niemals das Wasser reichen. Der Struktur ihrer Alben aber, die ja romanähnliche Projekte sind, und ihrer lyrischen Stilistik kommt man mit dem Buch in der Hand gut auf die Spur. Und man bekommt eine Übersetzung dazu, die den Originaltext nicht ersetzen kann, sich aber auch sehr frisch liest.

Kate Tempest: "Let them eat chaos / Sollen sie doch Chaos fressen"
Aus dem Englischen von Johanna Davids
Suhrkamp, 155 Seiten, 15 Euro

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