Katalonien-Konflikt

Wollte Puigdemont in Deutschland verhaftet werden?

Demonstranten in Barcelona tragen Masken mit der Abbildung des separatistischen Politikers Puigdemont.
Pro-Puigdemont-Demonstranten in Barcelona. © dpa/Eric Alonso/ZUMA Wire
Burkhard Birke im Gespräch mit Liane von Billerbeck und Hans-Joachim Wiese · 26.03.2018
Carles Puigdemont sitzt im schleswig-holsteinischen Neumünster in Untersuchungshaft. Der deutschen Justiz kommt nun eine wichtige Rolle zu: Liefert sie den katalanischen Politiker wegen Veruntreuung und nicht wegen Rebellion aus, muss sich auch die spanische Justiz daran orientieren.
Bis nach Ostern könnte sich die Entscheidung darüber hinziehen, ob der abgesetzte Präsident der katalanischen Autonomieregierung Carles Puigdemont nach Spanien ausgeliefert wird. Derzeit sitzt er im schleswig-holsteinischen Neumünster in Untersuchungshaft, nachdem der Katalane auf einer Autobahnraststätte mit einem europäischen Haftbefehl verhaftet worden war.
Der deutschen Justiz komme nun eine wichtig Rolle zu, meint Burkhard Birke, Redakteur von Deutschlandfunk Kultur und Katalonien-Kenner. Denn in Deutschland müsse nun nicht nur geprüft werden, ob man Puigdemont nach Spanien ausliefere, sondern auch, mit welcher juristischen Begründung. Es gebe drei mögliche Gründe: Rebellion, Aufruhr oder Veruntreuung von öffentlichen Mitteln. Alles drei wird dem Politiker in Spanien vorgeworfen.
Ein Kameramann eines spanisches Fernsehteams steht vor der Justizvollzugsanstalt Neumünster. 
Die JVA Neumünster, in der Carles Puigdemont festgehalten wird. Ob er ausgeliefert wird und aus welchen Gründen soll sich bald entscheiden.© dpa

Puigdemont hat nicht zur Gewalt aufgerufen

Den Tatbestand der Rebellion sieht das deutsche Gesetz nicht vor, wohl aber den des Hochverrats. Dieser wiederum ist in der Regel mit dem Aufruf oder dem Ausüben von Gewalt verbunden. Beides sei hier jedoch nicht der Fall gewesen, betont Birke.
"In der Tat hat Puigdemont selbst keine Gewalt angewandt und – im Gegenteil – sogar immer zu gewaltfreien Protesten und Kundgebungen aufgerufen. Mehr noch: Es ist ja nie formal die Unabhängigkeit erklärt worden."
Carles Puigdemont spricht an der Universität Helsinki.
Carles Puigdemont an der Universität Helsinki, wo er vor seiner Verhaftung in Deutschland einen Vortrag hielt.© imago stock&people
Das Interessante an der derzeitigen Situation sei also: "Wenn die deutsche Justiz ihn nun vielleicht wegen Veruntreuung – weil er die Mittel der Generalitat genommen hat, um das illegale Referendum zu finanzieren – ausliefert, dann darf die spanische Justiz ihn auch nur wegen dieses Tatbestandes vor Gericht stellen und nicht wegen der Rebellion."

Auslieferung wegen Veruntreuung ist realistisches Szenario

Birke hält es für durchaus realistisch, dass die deutsche Justiz Puigdemont mit der Begründung der Veruntreuung ausliefern werde. Sie könne also damit die spanische Justiz unter Druck setzen. Deshalb gebe es jetzt sogar Spekulationen, ob es Puigdemont aus diesem Grund nicht vielleicht darauf angelegt habe, in Deutschland festgenommen zu werden.
Zur Situation und Stimmung in Spanien sagte Birke: Fast die gesamte ehemalige katalanische Regierung sitze derzeit in Haft. "Und mittlerweile höre ich aus Katalonien, dass sich dort Widerstand regt. Dass zum Beispiel auch die Partei Podemos jetzt umschwenkt und sagt: Wir müssen die Menschenrechte respektieren, wir müssen eine politische Lösung finden. Man kann nicht einfach alle gewählten Volksvertreter ins Gefängnis stecken."
Selbst hochrangige Kirchenvertreter in Katalonien hätten geäußert, dass die spanische Regierung den Boden überspannt habe.

Hören sie zum "Fall Puigdemont" auch das Gespräch mit unserem Schleswig-Holstein-Korrespondenten Johannes Kulms: Audio Player