Karrierebesessener Opportunist

19.09.2011
Arno Breker gehörte neben Leni Riefenstahl und Albert Speer zu den drei Vorzeigekünstlern der Nazis. Jürgen Trimborn erzählt facettenreich die spannende Geschichte eines Mannes, der um jeden Preis berühmt werden wollte, und zeigt auf, dass Brekers Verstrickungen in das NS-Regime wesentlich tiefer reichten, als bislang bekannt war.
Dieses Buch schließt eine Lücke: Es ist die erste Biografie über Hitlers Lieblingsbildhauer und Vorzeigekünstler Arno Breker, die wissenschaftlichen Standards genügt - und sie ist unvoreingenommen. Bislang wurde Breker entweder als williger, die Ideologie der Nationalsozialisten in Bronze gießender Propagandakünstler verdammt oder aber als unfreiwillig instrumentalisierter Bildhauer verteidigt.

Mit Hilfe von bis jetzt unveröffentlichtem Archivmaterial aus Berlin, Washington, London, Paris und Moskau beschreibt Jürgen Trimborn einen Arno Breker, der so bisher nicht in den Blick zu bekommen war. Sein Buch ist ein über 700 Seiten langer, minutiös mit Dokumenten belegter Nachweis, dass der Künstler tiefer in "die Machenschaften" des Dritten Reiches "verstrickt war, als auch nur ansatzweise bekannt war". Zudem attestiert der Autor Breker eine "braune Gesinnung bis ins hohe Alter".

Detailliert zeichnet Trimborn die Vita Brekers nach: 1900 in Elberfeld geboren, beginnt seine Karriere an der Düsseldorfer Kunstakademie. Es folgen Jahre in Paris, wo er mithilfe seines Galeristen Alfred Flechtheim als Künstler Fuß fassen konnte und lebenslange Freundschaften schloss; etwa mit Jean Cocteau und schließlich die Rückkehr nach Deutschland. Und hier dann seine Rolle im nationalsozialistischen Deutschland und später in der Bundesrepublik.

Dabei entlarvt Trimborn immer wieder von Breker behauptete "Tatsachen": so ist Breker durchaus bewusst in die NSDAP eingetreten, wie sein Mitgliedsantrag vom 10. September 1937 beweist. Der Künstler hatte dies stets geleugnet. Auch dass der jüdische Maler Max Liebermann ihm zur Rückkehr nach Deutschland geraten haben soll, kann der Autor widerlegen. Breker zog schon Ende 1933 nach Berlin, Liebermann lernte er erst 1934 kennen. Zudem kann Trimborn zeigen, dass Breker nicht nur als Mitläufer handelte - wie 1948 im Spruchkammerverfahren eingeordnet und mit 100 Mark Strafe belegt - sondern auch als Profiteur, der immense Summen kassierte, dem Ateliers, Grund und Boden geschenkt wurden und der sich wiederholt an jüdischem Besitz bereichte - und so in den Besitz einer (arisierten) Villa in Berlin kam. Vieles von dem, was Trimborn erzählt, ist neu und atemberaubend.

Breker selbst hat sich als unpolitischen Künstler und seine Nähe zu Hitler und ranghohen Vertretern des NS-Regimes als unproblematisch gesehen. Dieses akribisch recherchierte (über 2000 Fußnoten!) und blendend formulierte Buch erzählt eine andere Wahrheit. Der auch in der Bundesrepublik erfolgreiche Breker wusste in wessen Nähe sich aufzuhalten lohnte. Trimborn nennt seinen Werdegang daher ganz treffend eine "Parabel über die Korrumpierbarkeit des Künstlers". Und wenn man liest, dass Breker auch nach 1945 mit rechtem Gedankengut sympathisierte, etwa rechtsnationale Zeitungen las, für seine Memoiren einen einschlägigen Verlag wählte und Kontakt hielt zu alten Verbündeten, kann man nur noch darüber rätseln, ob Arno Breker ein karrierebesessener Opportunist oder aber ein Überzeugter war.

Besprochen von Eva Hepper

Jürgen Trimborn: Arno Breker. Der Künstler und die Macht. Die Biografie Aufbau Verlag, Berlin 2011
712 Seiten, 29,99 Euro

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