Karl May, Fantast und Superstar

Moderation: Dieter Kassel · 25.02.2012
Er war der erste Popstar der deutschen Literatur: Karl May. Bis heute ist der Erfinder von Winnetou, Old Shatterhand, Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar der meistgelesene deutsche Schriftsteller. Kaum ein Dichter prägte unser Bild vom "Wilden Westen" so stark wie der fantasievolle Sachse.
Er inszenierte sich mit Bärentöter und Silberbüchse in seiner Radebeuler "Villa Shatterhand". Seine Fans kauften ihm bereitwillig ab, die unglaublichen Abenteuer in der Wüste und der Prärie selbst erlebt zu haben. Kaum ein Autor wurde aber auch so hoch bejubelt und zutiefst geschmäht.

"Wie Karl May zu Zeiten des Kaiserreichs die Reisebilder nach Amerika oder den Orient prägte, kann man heute mit imaginären Reisen in ferne Galaxien oder nach Mittelerde vergleichen", sagt Johannes Zeilinger. Der Vorsitzende der Karl-May-Gesellschaft ist seit Kindesbeinen fasziniert von der Fantasie und Kreativität des Autors. Als Junge verschlang er alles, was die Stadtbücherei hergab. Für seine Promotion erforschte der Chirurg die Psychopathologie des Autors, dessen schillerndes Leben selbst Stoff für Romane hergibt:

"Karl May saß fast acht Jahre im Arbeitshaus, Gefängnis und Zuchthaus. Er hatte als entlassener Sträfling nach einem Jahr eine Anstellung als Redakteur und hat gleich weitaus mehr verdient, als wenn er Lehrer geblieben wäre. Er war ein Armenlehrer gewesen, eine Schlucker-Existenz, Züchtling Nr. 402. Ein Mensch, der so viele Dummheiten angestellt hatte, hat literarisch so viel geleistet. Einer, der behauptete, Kara Ben Nemsi oder Old Shatterhand zu sein, der erzählt hat, er wolle demnächst mit dem Kaiser ein Wettschießen machen."

Gemeinsam mit der Karl-May-Gesellschaft will Johannes Zeilinger besonders im Karl- May-Jahr 2012 zeigen, dass May mehr ist als Jugendliteratur von gestern: "Er ist eben neben Fontane der einzige deutsche Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, der heute außerhalb der Schule und der Universität gelesen wird."

"Ich kenne keinen, der eine solche Fabulierkunst und Massenhypnose fertig gebracht hat wie Karl May", sagt Rolf-Bernhard Essig. Der Literaturkritiker, Autor und Karl May-Fan hat ein vergnügliches und überraschungsreiches Lexikon herausgebracht: "Alles über Karl May. Ein Sammelsurium von A bis Z", mit Stichworten wie Autogrammkarten, Blutwurst, Haschisch, Jägermeister, Martern aller Art und Tarzanschrei.

Bei aller Faszination weist er aber auch auf die Zwiespältigkeit des Autors hin, zum Beispiel sein idealisiertes Indianerbild: "Seine Indianer waren die, die auf Pferden reiten und Bisons jagen. Und damit hat er unser Bild vom Indianer zementiert, was unglaublich ist, eigentlich ist es ein Faschingsindianer – ein rein positives Bild, so wie das Ritterbild. Der Indianer, der mal frei war, der über die Prärie reitet, mit dem Feind kämpft, ehrlich, der an Gesetze und Gott glaubt. Im Grunde hat er den Indianer sehr deutsch geschildert."

"Phantast und Superstar: Karl May": Darüber diskutiert Dieter Kassel heute von 9.05 Uhr bis 11 Uhr gemeinsam mit Rolf-Bernhard Essig und Johannes Zeilinger.
Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de

Weitere Informationen:

Karl-May-Gesellschaft
Rolf-Bernhard Essig

Literaturhinweis:
Rolf-Bernhard Essig und Gudrun Schury: "Alles über Karl May. Ein Sammelsurium von A bis Z", Aufbau Verlag, Berlin 2007
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