Karl Corino

Der deutsch-deutsche Kultur-Agent

Karl Corino
Karl Corino © Burkhard Riegels, Art-Temtpo
Karl Corino im Gespräch mit Ulrike Timm · 03.02.2017
Als "dichtenden Bauernsohn" bezeichnet sich Karl Corino, was schlüssig ist, denn Corino schreibt Gedichte und sein Vater war Landwirt in einem mittelfränkischen Dorf. Doch er könnte sich auch als Journalist, Literaturkritiker, Biograf oder Detektiv vorstellen.
Karl Corino könnte sich auch als Detektiv vorstellen, denn Corino hat den Fälscher Berndt Wessling überführt, dem DDR-Schriftsteller Hermann Kant seine Dienste als Stasi-Spitzel nachgewiesen und den Lebenslauf Stephan Hermlins rekonstruiert.
Doch seine Herkunft streift man nicht so leicht ab, erzählt Karl Corino. "Wenn eine Familie über Jahrhunderte auf einer Scholle gesessen hat, geht das nicht ohne Auswirkung auf die Genetik sozusagen. Und ich muss gestehen, dass meine Weltsicht und meine Metaphorik bis zum heutigen Tag stark von dieser Kindheit geprägt ist. Meiner Frau geht das manchmal auf die Nerven, aber ich kann es leider nicht ändern." Vorteil: Er kann auch heute noch eine Kuh melken, Milch und Käse produzieren.
Bekannt geworden ist der inzwischen 75jährige Literaturwissenschaftler den Hörern des Hessischen Rundfunks durch seine Magazinsendung "Transit", die von 1973 bis Ende 1990 einmal im Monat eine Stunde lang aus dem Kulturleben in der DDR berichtete. Corino reiste häufig in die DDR, um Schriftsteller, Musiker, Regisseure und Bildende Künstler zu interviewen. Dabei war er nie unbeobachtet, immer war ihm die Staatssicherheit auf den Fersen. Sie folgte ihm sogar bis in den Hessischen Rundfunk hinein, wie er später aus den Akten erfuhr.
"Das habe ich damals alles nicht geahnt. Ich wurde, wenn ich in die DDR einreiste, mit dem Dienstwagen ab Eisenach von sechs Autos der Stasi verfolgt, die sich in Stafetten ablösten, so dass ich das nicht gemerkt habe. In Leipzig wurde ich durch Fuß-Stafetten verfolgt. Meine möblierten Zimmer, die ich damals hatte, wurden verwanzt, und - das war das Größte -, die Stasi hat versucht, zwei Spitzel bei mir im Hessischen Rundfunk zu platzieren, zunächst einen Mann und dann eine Frau. Aber ich bin Gott sei Dank sehr wachsam gewesen und habe die beiden abblitzen lassen."
Karl Corinos über 2000seitige Biographie des österreichischen Schriftstellers Robert Musil gilt als Meisterwerk. Eine Arbeit, auf die er mehrere Jahrzehnte verwandt hat. Woher hat Karl Corino die Energie, die Disziplin, das Durchhaltevermögen für so eine Mammutaufgabe?
"Meine Mutter sagte, ich hätte schon als kleines Kind immer das Würzelchen wissen wollen.Und mein Vater ist auf dörfliche Ebene jemand gewesen, der Fälschungen aufgedeckt hat. Das ist eine andere Seite meiner Tätigkeit gewesen. Ich habe auch ein dickes Buch über Fälschungen gemacht und deswegen einen Prozess mit einem Fälscher gehabt. Also dieses auf-den- Grund-gehen, das habe ich anscheinend vom Anfang an mitgebracht, und das ist irgendwann wie der Ritt auf dem Tiger, Sie müssen einfach durchhalten bis zum Ende. Sie können nicht vorher absteigen. Die Versuchung ist manchmal da gewesen, alles hinzuschmeißen, wenn man erlebt hat, dass man um die Ergebnisse von jahrelanger Forschung bestohlen wird von irgendeinem Vertrauten, dann sagt man sich schon: ‚Verdammt noch mal , die sollen ihren Dreck alleine machen!‘. Aber es hat dann doch immer der Verstand gesiegt und und der Durchhaltewillen, und so sind dann halt letztlich mehrere tausend Seiten über Herrn Musil zustande gekommen."