Karikaturen

Der Trump-Effekt auf die mexikanische Kunst

Kinder spielen am 23.06.2016 neben einer Graffiti-Karikatur, die Donald Trump im Flussbett des Rio Grande, zeigt.
Eine Trump-Karikatur in Mexiko © dpa / Sonia Aguilar
Von Anne-Katrin Mellmann · 26.12.2016
Bis zur US-Wahl galt Donald Trump vielen Mexikanern einfach nur als Witzfigur. Mittlerweile fürchten insbesondere mexikanische Karikaturisten sich vor dem, was der designierte US-Präsident im Schilde führt, und zeichnen gegen ihn an. Immer wieder tauchen Hitler-Vergleiche auf.
Humor ist eine der großen mexikanischen Stärken. Aber ein wenig ist dem Land das Lachen vergangen: In der Trump-Ausstellung des Karikaturenmuseums von Mexiko-Stadt machen die Besucher betretene Gesichter. Der Mann, der Land und Leute verunglimpft, mexikanische Einwanderer pauschal Drogendealer und Vergewaltiger genannt hatte und eine Mauer zwischen den USA und Mexiko bauen will, gab bis zu seinem Wahlsieg eine gute Witzfigur ab. Jetzt aber wirken viele Trump-Karikaturen erschreckend real. Wie die, die ihn mit einer Mauer auf dem Kopf anstelle seiner Frisur zeigen. Eine davon hat Arturo Kemchs gezeichnet, einer der bedeutendsten Karikaturisten Mexikos und Kurator der Ausstellung:
"Als Trump in den Umfragen unten war, tat es uns fast schon leid, dass wir ihn so durch den Dreck gezogen hatten. Wenn es enger für ihn wurde, machten wir uns Sorgen, und wenn er wieder zurückfiel, lachte Mexiko über die Karikaturen. Heute sind wir einfach nur fassungslos. Ich kann kaum sagen, in welcher Gemütsverfassung wir sind. Vielleicht wird alles nicht so schlimm oder doch viel schlimmer. Wir politischen Karikaturisten schweben in Ungewissheit, in Katerstimmung. Ihn weiter zu zeichnen ist das einzige, was wir tun können."
Die Ausstellung wurde nach dem Wahlsieg Trumps verlängert, weil der Besucher-Ansturm nicht abriss. Es sei einzigartig, dass eine Person Künstler so sehr inspiriere, so Kemchs. Vor allem die Karikaturisten erlebten regelrecht einen kreativen Schub. Ihre Ideen sind oft ähnlich: Immer wieder tauchen Mauer-Bezüge und Hitler-Vergleiche auf.
"Noch nie gab es eine internationale Figur mit diesen Charakteristiken. Ich glaube, zuletzt wurde Hitler so viel karikiert. Ich wette, dass es heute weltweit keine Persönlichkeit gibt, die Donald Trump auf diesem Gebiet das Wasser reichen kann. Unsere Aufgabe ist es nun, kritisch zu begleiten, was er tut. Er wird uns in den nächsten Jahren beschäftigen."

"Mit Trump kann alles passieren"

Nicht nur in Mexiko, in ganz Lateinamerika hat Trumps Wahlsieg ein Beben unter den Kulturschaffenden ausgelöst. Der Politikwechsel im Norden könnte vor allem für Kuba gravierende Folgen haben. Erst vor zwei Jahren begannen Präsident Raúl Castro und sein US-Amtskollege Obama einen politischen Annäherungsprozess, der – so hoffen die Kubaner – in der Aufhebung des seit einem halben Jahrhundert geltenden Wirtschaftsembargos münden könnte. Trump hat schon mehrfach klar gemacht, dass er von diesem Kurs nichts hält. Kubas bekanntester Schriftsteller Leonardo Padura geht in seinen Büchern kritisch mit dem kommunistischen System ins Gericht. Die Öffnung der isolierten Insel ist aus seiner Sicht dringend nötig.
"Mit Trump kann alles passieren. Mit pragmatischem Unternehmergeist könnte er das Embargo endgültig aufheben, weil er unseren Markt nutzen will. Er könnte aber auch politisch feindselig auftreten. Sein politisches Gedankengut scheint unorganisiert. Deshalb ist nicht vorhersehbar, was er tun wird. Ja, für Kuba kann es kompliziert werden. Die Amtszeit Obamas war für uns wie Ferien. Obama war ein Traum – verglichen mit dem, was jetzt kommt."
Donald Trump fahre hoffentlich mit der Annäherungspolitik fort, meint sogar der rechtskonservative Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa. Auch weil dieser Prozess für ganz Lateinamerika wichtig sei. Auf der größten Buchmesse der Region, der FIL im mexikanischen Guadalajara, musste der peruanische Autor etliche Fragen zu Donald Trump beantworten.
"Viele von uns sind sehr traurig darüber, dass die Menschen in den USA, die angeblich gebildet und informiert sind, ihre Stimme einem unkultivierten Demagogen wie Donald Trump gegeben haben. Es ist ein Unglück, zeigt aber auch, dass weder die Kultur, noch die Zivilisation Impfstoffe gegen Populismus und Volksverhetzung sind. Trump ist ein Caudillo, (Der Führer) der sein Programm mit allen Mitteln durchsetzen will. Sollte es ihm gelingen, wäre es eine Tragödie für die USA und die gesamte Welt."

Die Werke werden politischer

Mittelamerika und Mexiko fürchten besonders Trumps Ankündigungen Migranten ohne gültige Papiere in die Heimatländer zurückzuschicken und eine Mauer an der US-mexikanischen Grenze zu errichten.
Das Thema "Mauer" ist in der Kunst hier nicht neu. Schon seit Jahren trennt ein Zaun die Nachbarn Mexiko und USA. Die mexikanische Malerin Dulce Chacón beschäftigt sich damit. Sie meint, Trumps Mauerbaupläne und die Drohungen, Freihandelsverträge zu kündigen, würden die mexikanische Kunst inhaltlich beleben. Die 40-Jährige ist überzeugt, dass die Werke viel politischer werden. Noch wichtiger seien jedoch die materiellen Veränderungen:
"Die wirtschaftlichen Auswirkungen betreffen vor allem uns Künstler. In Mexiko ist die Kunst ein sehr marginalisierter und verletzlicher Bereich. Es gibt so gut wie keine öffentliche Förderung. Obwohl Mexiko so groß ist und viele Einwohner hat, interessieren sich nur sehr wenige für Kunst und kaufen sie. Das sind nur ein paar Leute mit Geld: Unternehmer sowie Banken. Wenn der Gürtel enger geschnallt wird, merken wir Künstler das sofort. Die private Kulturförderung wird einbrechen."
Der Schock ist schon spürbar, weil der mexikanische Peso mit dem Trump-Sieg dramatisch an Wert verlor. Chacón bemüht sich, es positiv zu sehen: Wann immer es Phasen wirtschaftlicher Rezession gab, sei die Kunst aufgeblüht:
"Außerdem habe ich mir überlegt, was die Botschaft US-amerikanischer Filme ist: Es gibt immer einen Bösen, dem wir die Stirn bieten müssen. Der ist jetzt personifiziert. Vielleicht haben wir genau einen solchen Bösen gebraucht, um uns zu bewegen. Wir merken jetzt, dass diese Geschichte kein Hollywood-Happy-End hat. Dass erstmals eine Frau die mächtigste Nation der Welt regiert, war nur ein Traum."
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