Kapstadt kriminell

Von Tobias Wenzel · 02.11.2012
In seiner Heimat ist er ein Star: der südafrikanische Thriller-Autor Deon Meyer. In seinem neuen Buch "Sieben Tage" geht es um einen Scharfschützen, der Jagd auf Polizisten macht, um auf einen ungesühnten Mord aufmerksam zu machen.
"Sein Herz klopfte wie wild, und sein Verstand setzte aus. Zutiefst aufgewühlt ergriff er die ausgestreckte Hand der großen, schönen, blonden Sängerin, und alles, was er herausbrachte – idiotisch langgezogen, laut und deutlich in der Stille –, war: 'Scheiße!'"

Der Polizist Bennie Griessel ist mal wieder ins Fettnäpfchen getreten. Auf einer Party, auf der sich berühmte Sänger Südafrikas tummeln. Der Ermittler einer Mordkommission in Kapstadt hat zwei große Laster: den Alkohol, dem er erst seit einigen Monaten abgeschworen hat, und den Hang zum Fluchen, besonders in unpassenden Situationen. Fragt sich, welche Schwächen Bennie Griessels Erfinder, Deon Meyer, hat:

"Alkohol gehört jedenfalls nicht dazu. Aber Zigaretten. Ich fluche auch nicht viel. Zigaretten und Technologie sind wohl meine zwei großen Schwächen. Ich liebe neue Technik. Ich muss sie einfach ausprobieren. Das ist großartig."

Deon Meyer, ein kräftig gebauter Mann mit stoppelig geschorenen Haaren und schmalrandiger Brille, sitzt im Zimmer eines Hagener Vier-Sterne-Hotels. Auf dem Schoß des 54-Jährigen liegt nicht etwa sein neuer Thriller in Papierform, sondern ein Tablet-Computer mit einer digitalen Version seines Buchs. Und so liest er bei Bedarf einfach vom Bildschirm ab. Deon Meyer gelingt es auch in seinem neuen Thriller, ein ebenso lebhaftes wie glaubhaftes Bild von Kapstadt zu zeichnen, in dem weiße und schwarze Polizisten gemeinsam ermitteln:

"Wenn ein weißer Polizist mit schwarzen oder farbigen Polizisten arbeitet, dann akzeptiert er sie als Kollegen ..."

[Ein Gerät piepst] Deon Meyer ist irritiert. Eines seiner technischen Geräte hat sich in seiner Hosentasche bemerkbar gemacht. Es ist, als wäre er sich selbst nicht sicher, welches:

"... wenn also ein weißer Polizist auch mit schwarzen Kollegen zusammenarbeitet und sich mit ihnen anfreundet, dann verhält er sich natürlich viel sensibler, wenn er auf einen schwarzen Kriminellen trifft. Südafrika hat eine lange Geschichte, in der es nur weiße Polizisten gab, die dann in Schwarzen-Vierteln eingesetzt wurden. Das war falsch. Das funktioniert einfach nicht."

Rassismus sei zum Glück im heutigen Südafrika kein so großes Thema mehr wie früher, sagt Deon Meyer. Allerdings beobachte er nach wie vor ein sehr ausgeprägtes Rassenbewusstsein. Ist aber vielleicht jener Mann ein Rassist, der im Thriller "Sieben Tage" wirr klingende anonyme E-Mails an die Polizei von Kapstadt schickt, und darin fordert, den Fall zu einem ungeklärten Mord an einer Anwältin wieder aufzurollen?

"Dies ist meine fünfte Nachricht, aber Sie haben bisher nicht reagiert. Damit zwingen Sie mich zum Handeln. Heute werde ich einen Polizisten ins Bein schießen. Ich werde jeden Tag auf einen Polizisten schießen, bis Sie den Mörder anklagen."

Sieben Tage haben Bennie Griessel und seine Kollegen, um den alten Fall zu lösen und den Scharfschützen, der mit Schalldämpfer arbeitet, zu stellen. Im Anhang des Buchs dankt Autor Meyer nicht nur Polizisten und Forensikern, die ihm bei seinen akribischen Recherchen unterstützt haben. Auch ein Waffenschmied und Spezialist für Schalldämpfer wird erwähnt. Hat Deon Meyers Frau, mit der er vier Kinder hat, nicht manchmal Angst um ihren Mann, weil der so ehrgeizig recherchiert, dass er sich selbst in Gefahr bringt?

"Nein, ich glaube, meine Frau kennt mich ganz gut. Das Recherchieren fasziniert mich und macht mir unglaublichen Spaß. Meiner Frau erzähle ich natürlich von den Recherchen. Sie macht sich also keine Sorgen um mich. Und was den Schalldämpfer betrifft: In Südafrika benutzen ihn vor allem Menschen, die Springböcke oder sonst irgendein Wild jagen. Wenn man in der freien Natur ein Gewehr ohne Schalldämpfer benutzt, erschrecken sich die Springböcke und rennen weg. Mit Schalldämpfer hat man noch eine Chance auf einen zweiten und dritten Schuss. Diese Schalldämpfer werden also vor allem auf der Jagd eingesetzt und nicht, um Menschen umzubringen."

1994 veröffentlichte der begeisterte Motorradfahrer Deon Meyer sein Thriller-Debüt, das er allerdings nun nicht mehr für gelungen hält. Heute liegen seine Bücher in 25 Sprachen vor. Er ist einer der Großen der Krimiwelt. Als er 14 Jahre war, verrissen seine beiden Brüder gnadenlos seine erste lange Erzählung. Anstatt sich entmutigen zu lassen, schrieb Deon Meyer einfach weiter, veröffentlichte erste Kurzgeschichten in Zeitungen. Er verdiente sein Geld als Gerichtsreporter, Werbetexter und Internet-Berater, bis er sich schließlich ganz auf das Schreiben konzentrierte.

Heute wird er der "Henning Mankell Südafrikas" genannt. Der britische Guardian zitierte Deon Meyer jüngst mit den Worten "Südafrika ist nicht so sexy wie Schweden". Einige südafrikanische Internetnutzer waren empört. Hatte ihr Thriller-Star sein eigenes Land verraten?

"Ich glaube, Südafrika ist viel mehr sexy als Schweden. Aber es ging in dem Interview nicht darum, was ich denke. Die Frage war: Warum sind Krimis aus Schweden in Europa erfolgreicher als Krimis aus Südafrika? Weil die Europäer und die Nordamerikaner Schweden als sexy empfinden. viel mehr als Südafrika. Aber ich selbst halte Südafrika für sexier, interessanter, dynamischer und vibrierender."

Am Samstag 3.11. liest Deon Meyer in Bönen, am Sonntag 4.11. in Erfurt und am Montag 5.11. in Berlin.
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