Kanzleramt hält BND-Buch zurück

Der Groll als Antrieb für die Memoiren

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Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Gerhard Schindler, spricht am 31.03.214 in Berlin während des Festaktes zur Eröffnung der Nordbebauung der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes.
Der frühere Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Gerhard Schindler, hat ein Buch geschrieben, das nicht erscheinen darf. © picture-alliance/dpa/Soeren Stache
Elisabeth Ruge im Gespräch mit Ute Welty  · 04.02.2020
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Ex-BND-Chef Gerhard Schindler kann seine Memoiren nicht veröffentlichen, weil das Kanzleramt blockt. Vielleicht will man dort für den Fall vorbeugen, dass auch der frühere Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen ein Buch schreibt, vermutet die Literaturagentin Elisabeth Ruge.
Bis 2016 war Gerhard Schindler der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND). Nach seinem plötzlichen Abgang begann der Beamte sehr schnell damit, seine Memoiren zu schreiben. Das Schindler-Buch trägt den Titel "Erinnerungen an den Bundesnachrichtendienst", und ist "allen aktiven und ehemaligen Angehörigen" des Auslandsgeheimdienstes gewidmet. Seit zwei Jahren liegt es nun zur Prüfung im Bundeskanzleramt und wird wohl in dieser Form nicht erscheinen, wie das Investigativ-Team von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung berichtet. Ist das nun Zensur oder logische Konsequenz aus der Verschwiegenheitspflicht des früheren BND-Chefs?
Die Verlegerin und Literaturagentin Elisabeth Ruge, im Hintergrund ist eine Straßenkulisse zu sehen
Die Literaturagentin Elisabeth Ruge wundert sich, dass das Buch des früheren BND-Präsidenten Gerhard Schindler nicht erscheinen kann. © Stefan Nimmesgern
"Es kommt mir schon komisch vor, dass es seit zwei Jahren da liegt", sagt unser Studiogast, die Literaturagentin Elisabeth Ruge. Sie räumt ein, dass der Fall schwierig einzuschätzen sei. Es gebe andere politische Bücher, auch aus den USA, die sehr viel schneller durchgesehen würden und sehr viel brisanteren Inhalt in sich trügen, sagt sie. "Dieses Buch scheint ja eher ein bisschen launig zu sein." Schindler habe selbst gesagt, dass es eine Art Therapie gewesen sei, dieses Buch zu schreiben.
Als Verlegerin hätte sie bei diesem Buch auch zugegriffen und es zunächst gelesen, sagt Ruge. Ob es sich zu verlegen lohne, hänge vom Inhalt ab und von der Frage, ob es da um Rachegelüste gegangen sei. "Das muss man abwägen."

Vorsorge für die Zukunft?

Aufgefallen sei ihr, dass Schindler offenbar auch davon erzähle, wie er die Kanzlerin in ihrer Flüchtlingspolitik ausgetrickst habe. Das habe sie stutzig gemacht, sagt die Literaturagentin. Da bekannt sei, dass Schindler und der geschasste Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz Hans-Georg Maaßen gute alte Bekannte seien, habe sie sich gefragt, ob wohl auch Maaßen an seinen Memoiren sitze. "Nun will man eine Art beispielhaften Fall schaffen", vermutet Ruge. Sollte Maaßen mit einem Buch um die Ecke kommen, lasse sich dann bereits auf den Umgang mit Schindler verweisen.

Bolton-Buch ist politisch brisanter

Auch die Veröffentlichung eines Buchs des ehemaligen Nationalen Sicherheitsberaters, John Bolton, sorgt gerade für Unruhe im Weißen Haus. Es soll belastende Informationen gegen US-Präsident Donald Trump enthalten und könnte dem Amtsenthebungsverfahren neuen Schwung geben. "Inhaltlich würde ich denken, dass das Buch von Bolton schon wesentlich brisanter ist", sagt Ruge. "Man hätte ihn natürlich als Zeugen hören müssen im Impeachment-Prozess vor dem Senat." Bolton habe wichtige Dinge zu erzählen. "Verbinden tut beide Herren in unterschiedlichen Maße ja doch vielleicht ein Groll und deswegen auch ein gewisses Interesse, ihr Buch zu schreiben und zu veröffentlichen."
(gem)

Elisabeth Ruge, geboren 1960, ist Literaturagentin in Berlin. Die ersten zehn Jahre ihres Lebens verbrachte sie in den USA, bevor sie 1970 mit ihrer Familie zurück nach Deutschland zog. Nach einer Lehre als Verlagsbuchhändlerin studierte sie Anglistik, Amerikanistik und Slawistik in Frankfurt am Main und am Radcliff College der Havard University. Nach Jahren als Lektorin und Verlegerin kehrte sie 2014 der Berliner Dependance des Hanser-Verlages den Rücken und gründete ihre eigene Literaturagentur. Ruge vertritt zahlreiche renommierte Schriftsteller und hat unter anderem den Literatur-Nobelpreis für Swetlana Alexijewitsch mitgewonnen, die sie ins Deutsche übersetzen ließ.