Kanadischer Schriftsteller Yann Martel

"Ich möchte ein Faultier sein"

Der kanadische Autor Yann Martel vor dem Berliner Funkhaus von Deutschlandradio
Der kanadische Autor Yann Martel zu Gast bei Deutschlandradio Kultur © Deutschlandradio / M. Hucht
Yann Martel im Gespräch mit Andrea Gerk · 13.05.2016
Ein Roman voller Weisheit und Witz: Zur Zeit ist der Schriftsteller Yann Martel mit "Die hohen Berge Portugals" in Deutschland auf Lesereise. In der "Lesart" erklärt der Kanadier, warum Tiere in seiner Erzählwelt eine besondere Rolle spielen.
"Ich habe in all meinen Büchern sehr viel mit Tieren gearbeitet und es kommen überhaupt Tiere vor", sagte der kanadische Schriftsteller Yann Martel im Deutschlandradio Kultur.
"Tiere können sowohl sie selbst sein, aber sie können auch eine Art Maske tragen." Tiere könnten Leser sehr gefangen nehmen, meinte der Autor. "Tiere geben faszinierende Romanfiguren ab, nicht nur für Kinder, aber auch wenn man sie in der Erwachsenenliteratur verwendet sind sie faszinierend." In seinem neuen Roman "Die hohen Berge Portugals" habe er den Schimpansen gewählt, dessen genetisches Material zu 98 Prozent mit dem des Menschen übereinstimme.
Heute beschäftigten sich nur wenige Schriftsteller mit Tieren, sagte Martel. "Früher gab es Franz Kafka zum Beispiel, bei dem Tiere vorkommen."

Den ganzen Tag in den Bäumen hängen

Auf die Frage, welches Tier er denn gerne wäre, antwortete der Schriftsteller, dass er gerne ein Faultier wäre. "Faultiere sind ja eigentlich genau das Gegenteil von dem, was man sonst so erwartet", sagte Yann. Viele Tiere müssten sehr schnell und gewandt sein, um ihren Feinden zu entgegen. Das Faultier mache genau das Gegenteil.
"Es denkt sich, ich bin ganz langsam, sodass niemand mich bemerkt, ich bin ganz bescheiden und kann so mein Leben leben."
Einige Faultiere seien mit Algen bewachsen, weil sie sich so wenig bewegten. "Faultiere sind also im Prinzip buddhistische Mönche, die in Bäumen leben", sagte Martel.

Recherche ist wichtig

Martel sagte, er liebe es, für seine Bücher viel zu recherchieren. Für seinen neuen Roman habe er sich über Autos kundig gemacht, über Menschenaffen, habe Pathologielehrbücher aus den 1930er Jahren gelesen und sei dreimal nach Portugal gereist. "Ich finde, dass sich fiktionale Literatur am besten dann entfaltet, wenn es eine gute Mischung aus Fakten und aus phantastischen Elementen gibt."

Große philosophische Themen

Der Kanadier Yann Martel ist ein Schriftsteller, der in seinen extrem ausgefallenen Geschichten große philosophische Themen transportiert. In seinem neuen Roman "Die hohen Berge Portugals" geht es wieder um die Interaktion zwischen Mensch und Tier - und erneut auch um Religiosität, unabhängig von etablierten Glaubensgemeinschaften.
Sein früherer Roman "Schiffbruch mit Tiger" erschien in über 50 Ländern, wurde millionenfach verkauft und 2002 mit dem Man Booker Prize ausgezeichnet. Die Verfilmung von Regisseur Ang Lee wurde 2013 mit vier Oscars prämiert.

Das ganze Interview in englischer Sprache können Sie hier hören:

Yann Martel: Die hohen Berge Portugals
S. Fischer Verlag, 22,99 Euro

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