Kampf ums Kraushaar in Westafrika

Haarige Reise zu den eigenen Wurzeln

Eine Frau lässt sich beim Friseur sogenannte Twists machen.
Eine Frau lässt sich beim Friseur sogenannte Twists machen. © Deutschlandradio - Susan Bavier
Von Susan Bavier · 22.05.2017
Afrikanische Frauen geben viel Geld dafür aus, ihr Haar westlichen Schönheitsidealen anzugleichen, sprich: es zu glätten. Das krause Naturhaar gilt als unschick. Die "Nappy"-Bewegung kämpft dagegen an: Sie macht den Frauen Mut, zu ihrem natürlichen Haar zu stehen.
Jeden Morgen muss Emefa Flagbo eine Perücke mit langem, glattem Haar aufsetzen. Das bei Temperaturen um die 40 Grad und nicht etwa, weil sie gerade eine Chemotherapie macht, die ihr die Haare ausgehen lässt.
"Sondern, weil mein Arbeitgeber mich dazu zwingt! Er erlaubt nicht, dass ich mit meinem natürlichen Kraushaar zur Arbeit komme", sagt die 30-jährige Angestellte eines Reisebüros in der Hauptstadt der Elfenbeinküste.
Emefa Flagbo ist nur ein Beispiel für abertausende afrikanische Frauen, die durch gesellschaftlichen Druck gezwungen sind, ihre natürliche Haarpracht ab der Pubertät unter Perücken oder künstlichen Haarverlängerungen zu verstecken. Mit katastrophalen Folgen. "Meine Kundinnen sind schon mit Mitte dreißig fast kahl, haben Hautekzeme und völlig kaputte Haare", konstatiert Nanou Sassou.
Nanou Sassou (rechts) gibt bei ihrem "Beauty Brunch" auf dem Markt von Abidjan Tipps zur Pflege von Kraushaar.
Nanou Sassou (rechts) gibt bei ihrem "Beauty Brunch" auf dem Markt von Abidjan Tipps zur Pflege von Kraushaar.© Deutschlandradio - Susan Bavier
Sassous Job wurde aus der Not der Frauen geboren. Sassou ist Haarberaterin und kann sich vor Arbeit nicht retten. In Abidjan ist sie eine der wenigen Expertinnen, an die sich betroffene Frauen wenden können.
"Seit Jahrzehnten stehen afrikanische Frauen unter dem Druck, dem westlichen Schönheitsideal von heller Haut und glatten Haaren zu entsprechen. Dafür investieren sie viel Zeit und Geld. Denn Haare sind bei uns auch sozialer Status."

Mut zum Kraushaar!

Eine neue gesellschaftliche Bewegung hat dieser Entwicklung nun den Kampf angesagt. Und Mariam Diaby ist eines der Gesichter dieser sogenannten "Nappy"-Bewegung:
"Wir wehren uns dagegen, dass unser Kraushaar als schmutzig und ungepflegt empfunden wird. Nappy, dieser Begriff steht für Naturally Happy", erklärt Diaby, deren gleichnamige Facebook-Gruppe inzwischen 17.000 Mitglieder zählt. Trend: schnell wachsend. Sie organisiert Veranstaltungen zu Pflege und Styling natürlich krauser Haare. Denn:
"Selbst in den Friseursalons ist dieses Wissen inzwischen verloren. Wir wollen allen afrikanischen Frauen Mut machen, sich zu ihrem natürlichen Haar zu bekennen."
Frauen mit "Nappy-Twists"-Frisur beim Beauty Brunch in Abidjan.
Frauen mit "Nappy-Twists"-Frisur beim Beauty Brunch in Abidjan.© Deutschlandradio - Susan Bavier

Reise der afrikanischen Frau zu sich selbst

Tatsächlich geht das Problem weit über das Ästhetische hinaus. Die ivorische Fotografin Joana Choumali hat soeben eine Fotoserie unter dem Titel "Nappy!" veröffentlicht.
"Es geht mir um die Reise der afrikanischen Frau zu sich selbst. Darum, dass wir endlich selbstbewusst unsere eigenen Wurzeln akzeptieren. Dass wir aufhören, uns dafür zu schämen, wie die Natur uns erschaffen hat. Wir. Sind. Schön!"
Choumali, Diaby, Sassou und Emefa Flagbo – vier afrikanische Frauen, die endlich nachdem beurteilt werden möchten, was sie im Kopf und nicht auf dem Kopf haben …
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