Kampf gegen Malaria

Von Nadine Querfurth · 08.11.2009
Schwere Malaria ist auf dem afrikanischen Kontinent noch vor Aids Todesursache Nummer eins. Die Infektion fordert jährlich eine Million Opfer, die meisten sind Kinder. Doch es gibt auch medikamentöse und vorbeugende Strategien gegen die Krankheit.
Das Hupen eines weißen Toyota Pickup schallt lautstark durch das gabunesische Dorf Nzoge Bang, 80 Kilometer südlich des Äquators. Der Fahrer hupt nicht etwa, um eine Ziege von der Straße zu verscheuchen, sondern gibt Müttern und Kindern im Dorf ein Zeichen, dass die Krankenschwestern vom Albert-Schweitzer-Hospital da sind. Schwester Sophie und ihre zwei Kolleginnen kommen jeden Monat einmal zu ihren Patienten mit einer kleinen, mobilen Krankenstation.

Sie räumen Metallkisten, Lederkoffer, Stühle und Klapptafeln von der Ladefläche und tragen alles in ein hellgelbes Betonhäuschen mit gefliestem Boden und dunklen Holzbänken.

In Minutenschnelle ist alles aufgebaut. Schwester Sofie und ihre Mitarbeiterinnen beginnen mit Routineuntersuchungen, hängen Babies in grünen Wiegehöschen an eine Federwaage, notieren Daten und geben den Müttern Tipps zur ausgewogenen Ernährung ihrer Kinder.

"Die meisten Mütter hier haben wenig Geld, deshalb müssen wir auf sie zugehen. Viele von ihnen sind sehr jung und haben nicht einmal das Geld, mit ihren kranken Babys oder Kindern ins Krankenhaus zu fahren. Deshalb kommen wir eben hierher, um zu helfen und zu impfen. Glücklicherweise können wir ihnen diese Hilfestellung anbieten."

An den Wänden hängen vergilbte Poster mit Malaria-Mücken im XXL Format darauf. "Stop le Paludisme" - "Stoppt Malaria". Der Schutz vor Malaria ist vor allem zur Regenzeit ein wichtiges Thema. Das Motto von Schwester Sophies Aufklärungskursen ist "Vorbeugen statt heilen", deshalb informiert sie Mütter, wie sie sich und ihre Kinder vor Malaria schützen können.

Der Schutz vor Malaria beginnt in den eigenen vier Wänden. Keine offenen Wasserstellen, das Gras um die Hütte kurz und den Wohnbereich sauber und hygienisch halten, so dass sich Moskitos, die Überträger von Malaria, nicht vermehren können. Nicht oft genug kann Schwester Sophie in ihren Kursen an schützende Netze erinnern:

"Benutzt auch Moskitonetze, auch tagsüber, um Stiche zu vermeiden. So schützt ihr eure eigene Gesundheit und die eurer Kinder!"

Malaria Herr zu werden war schon vor über 50 Jahren ein großes Ziel der Weltgesundheitsorganisation WHO. 1955 startete eine groß angelegte Kampagne zur globalen Ausrottung der Malaria, die einige Jahre später mit verheerenden Folgen scheiterte. Das Insektengift DDT wurde unkontrolliert und teilweise zweckentfremdet eingesetzt. In der Landwirtschaft z. B. war eine ökologische Katastrophe die Folge.

Außerdem entwickelten im Laufe der Zeit viele Moskitos Resistenzen gegen DDT, das daraufhin in zahlreichen Ländern verboten wurde. Die WHO musste die Kampagne abbrechen, was verheerende Konsequenzen hatte, erläutert Dr. Volker Heussler, Biologe am Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin:

"Dann kam die Malaria mit Macht zurück. Durch den abrupten Stopp von Insektizidgebrauch, kam die Malaria aus Gebieten, wo vielleicht noch weniger als 100 Malariafälle zu verzeichnen waren, innerhalb von wenigen Jahren wieder auf mehrere 100.000 Fälle. So hat die Malaria ein Siegeszug über die ganze tropische Welt angetreten, sodass heute ein Drittel der Menschheit in Gebieten lebt, die malariaverseucht sind."

Seit 2006 propagiert die WHO wieder den begrenzten Einsatz des Insektengifts DDT in Innenräumen – so genanntes Indoor-Spraying. Seitdem wurden in Gabun und anderen afrikanischen Ländern großflächig Netze verteilt, die mit Insektizid getränkt sind. Jeder Gabunese sollte eines bekommen haben. Ob sie auch wirklich benutzt werden, ist fraglich. Der Kinderarzt Dr. Jörn Lange vom Albert-Schweitzer Hospital stellt fest, dass viele in Bezug auf die Bettnetze nicht immer die Wahrheit sagen.

"Wenn man im Krankenhaus die Eltern fragt, schläft ihr Kind unter einem Netz, sagen eigentlich alle oder 95 Prozent der Eltern, sie haben ein Moskitonetz und die Kinder schlafen auch jede Nacht da drunter, was mit dem Vorkommen von Malaria nicht übereinstimmt. Wir sehen uns damit konfrontiert, dass die Eltern sagen, sie machen die Prophylaxe perfekt, trotzdem aber schwere Malariafälle häufig vorkommen, so dass da eine ziemliche Diskrepanz ist."

Deshalb ist die Zahl der Malaria-Opfer immer noch erschreckend hoch. Mit einer Million Toten ist schwere Malaria auf dem afrikanischen Kontinent Todesursache Nummer eins, noch vor Aids. Am schlimmsten betroffen sind Kinder. Sie fallen bei schwerer Malaria häufig ins Koma und sterben.

Bei Erwachsenen, die in Malariagebieten leben, verläuft die Krankheit seltener tödlich, weil sie bis zur Pubertät durch ständigen Kontakt mit dem Erreger eine so genannte Teilimmunität entwickeln. Babys und Kleinkinder haben diesen gewissen Schutz noch nicht. Deshalb sind 90 Prozent der Malaria-Opfer Kinder unter fünf Jahren. Dr. Volker Heussler sieht daher als größte Aufgabe für Forscher und Ärzte:

"Wenn wir Kampagnen starten, die den Kindern helfen, über die ersten fünf Jahre zu kommen und die Kindersterblichkeit durch Malaria damit massiv reduzieren und damit eine Situation schaffen, wo Menschen mit Malaria leben können. Trotzdem sollte es das Ziel sein auf längere Sicht, der Malaria ganz Herr zu werden."

Der Verursacher der verheerenden Tropenkrankheit sind Parasiten namens Plasmodium falciparum, die wissenschaftlich zu den Sporentierchen gehören und von blutsaugenden Stechmücken unter anderem auf den Menschen übertragen werden. Für Infizierte kann Malaria tödlichen Verlauf nehmen, daher wäre ein wirkungsvoller Impfstoff in der Bekämpfung von Malaria ein großer Schritt, da sind sich Fachleute einig. Seit 1984 arbeiten Forscher intensiv daran:

"Impfstoffe gegen Parasiten sind extrem schwierig, es gibt im Prinzip keine. Es gibt Impfstoffe gegen Bakterien gegen Viren, aber keine gegen Parasiten. Es ist extrem schwierig, Impfstoffe gegen einen sehr komplexen Organismus zu machen, der sich auch noch extrem gut tarnen kann und dem Immunsystem halt immer wieder entgeht."

Der Malaria-Erreger Plasmodium falciparum ist ein solcher raffinierter Organismus. Trotzdem ist es dem Pharmakonzern GlaxoSmithKline gelungen, einen Impfstoff zu entwickeln: RTS,S. Forscher testeten ihn seitdem in Studien an Erwachsenen in den USA und Belgien, dann in Afrika und 2004 erstmals an Kindern in Mozambique. Derzeit befindet sich der Impfstoff-Kandidat in der klinischen Studienphase III. Erst wenn auch diese dritte Phase erfolgreich abgeschlossen ist, könnte der Impfstoff zugelassen und dann angewendet werden. Das Forschungszentrum im gabunesischen Lambaréné ist eines von 11 afrikanischen Instituten, die die Studien mit RTS,S durchführen. Dr. Maxime Agnandji ist dort regionaler Studienleiter und hat mit seinen Kollegen die ersten Daten zusammen getragen.

"Wir Forscher glauben, dass es kein perfekter Impfstoff ist, aber immerhin ein so guter, dass er die Hälfte der Kinder, also 50 Prozent vor schwerer Malaria schützt. Und das erwarten wir ungefähr bei diesem Impfstoff."

Zwei Forschergruppen haben unabhängig voneinander den RTS,S-Impfstoffkandidaten an Kindern in Kenia und Tansania getestet und konnten die Infektionsrate von schwerer Malaria um 53 bis 65 Prozent senken. Volker Heussler bewertet die Ergebnisse als das Beste, was man zu hoffen gewagt habe.

"Natürlich ist jedem lieber dass man 100-prozentigen Schutz hat, aber ein 50-prozentiger Schutz bedeutet immerhin, dass es statt einer Million toter Kinder in Afrika nur 500.000 gibt. Das ist zwar nicht schön, aber das ist ein ganz guter Anfang."

Außerdem haben die Wissenschaftler herausgefunden, das RTS,S die Wirkung anderer gängiger Kinderimpfungen wie Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten nicht beeinflusst. Das bedeutet, RTS,S kann zusammen mit regulären Kinderimpfungen verabreicht werden. Für Dr. Agnandji ein entscheidender Punkt.

"Uns ist außerordentlich wichtig, dass der Impfstoff gegen Malaria Teil des nationalen Impfprogramms wird. Das ist unser Hauptziel. Wenn der Impfstoff nicht in dieses Programm integriert ist, haben wir im Endeffekt einen Impfstoff, der sinnlos ist. Dann könnten ihn nur fünf Prozent der Bevölkerung kaufen, weil sie die finanziellen Mittel haben. Befriedigend wäre also, wenn er Teil des nationales Impfprogramms wird."

Der weltweit erste Malariaimpfstoff wäre ein Meilenstein im Kampf gegen die verheerende Tropenkrankheit. Bis er allerdings auch wirklich großflächig zum Einsatz kommen kann, verstreicht noch einige Zeit: frühestens 2011 könnte es soweit sein.

Die wichtigste Botschaft aber bleibt die, dass selbst ein Impfstoff als alleinige Maßnahme Malaria nicht bekämpfen kann. Nach wie vor ist es die Kombination aus Moskitonetzen, Hygiene im Wohnbereich, Malaria Medikamenten zur Behandlung und der eventuellen Impfung betont Dr. Heussler vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin.

"Alles zusammen ergibt eigentlich ein ganz gutes Bild, wo man sagen müsste, eigentlich haben wir alles, um Malaria zu bekämpfen. Wenn tatsächlich alle Disziplinen an einem Strang ziehen."

Im Dorf Nzoge Bang ist die Ausrottung von Malaria und die Aussicht auf einen Impfstoff noch in sehr weiter Ferne. Hier kämpfen die Mütter ums tägliche Überleben. Schwester Sophie kann sie durch die mobile Krankenstation und ihre Informationskurse dabei mehr oder weniger unterstützen.

Sie beendet ihren Kurs über Malaria und klappt die Bildtafeln zu. Sie setzt weiterhin auf vorbeugende Maßnahmen und will jungen Müttern Wissenswertes über die gefährliche Krankheit mit auf den Weg geben. Sie weiß, dass viele ihrer Zuhörerinnen nicht in die Schule gehen und deshalb die Zusammenhänge zwischen Mücke, Malaria, Bettnetzen und einem Impfstoff nicht komplett verstehen können. Für jene wählt die Krankenschwester zum Schluss ihres Kurses eine ganz andere Herangehensweise. Sie spielt Theater und singt mit den jungen Müttern gemeinsam ein Lied: ein Lied gegen Malaria.