Kampf gegen Hatespeech

Den anonymen Hetzern auf der Spur

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Illustration: Ein weit geöffneter Mund mit herausgestreckter Zunge, darauf Ausrufezeichen und Buchstabenkürzel, die aggressiv wirken.
Hass im Netz ist weit verbreitet: Die Täter kommen aus allen gesellschaftlichen Gruppen. © Getty / Mary Valery
Von Ludger Fittkau · 28.09.2020
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Die Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität ermittelt wegen Hatespeech im Netz. Sollte das neue Gesetz gegen Hasskriminalität in Kraft treten, kommt auf die Ermittler mehr Arbeit zu. Schon jetzt sind sie dabei auf Hilfe der Bürger angewiesen.
"Das ist für uns schon der Erfolg, dass wir diese Personen aus der Anonymität des Internets rausholen", sagt Benjamin Krause. Er arbeitet als Staatsanwalt bei der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT). Die ZIT ist eine Spezialgruppe der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main. Sie beschäftigt sich seit Jahren etwa mit Verbrechen, die im Darknet begangen werden.

Hass im Netz ist vielschichtig

Benjamin Krause ermittelt seit einiger Zeit aber auch im offenen Internet zum Thema Hatespeech. Die Strafverfahren, die er in diesem Feld angestoßen hat, zeigen: Die Täter kommen aus allen gesellschaftlichen Gruppen.
"Insgesamt kann man sagen: Es gibt zwei Bereiche an Motivationen der Personen. Der eine Bereich ist tatsächlich der politische Bereich, die politische Motivation, dass man mit politischen Entscheidungen, politischen Richtungen unzufrieden ist. Und der andere Bereich ist die persönliche Beleidigung, das persönliche Diffamieren – unabhängig von politischen oder gesellschaftlichen Einstellungen."

Grundlage der Ermittlungen zu Hatespeech im Internet sind vor allem rechtliche Normen, die auch im nicht-virtuellen Raum gelten: nämlich etwa die Strafrechtsparagrafen, in denen es um Beleidigung, üble Nachrede oder Verleumdung geht. Wie in vielen sozialen Situationen sei es aber auch im Internet nicht immer einfach, die Grenze zu bestimmen, an der eine freie Meinungsäußerung zu einer Straftat wird.
"Ich muss ganz klar sagen: Diese Prüfung – ist eine Äußerung von der Meinungsfreiheit gedeckt oder nicht – ist eine unglaublich schwierige Prüfung. Und wir nehmen uns auch ganz bewusst viel Zeit dafür, um nicht so schablonenhaft darüber hinwegzugehen und einfach jetzt zu sagen: Das wird schon alles irgendwie strafrechtlich relevant sein. Nein, natürlich nicht, sondern in jedem Einzelfall prüfen wir: Was war das für ein Kontext? Was war denn der Hintergrund dieser Äußerung? Auf was bezieht sich diese Äußerung? Hat das einen sachlichen Bezug oder nicht? Wer ist denn der Betroffene? Das ist eine unglaublich aufwendige Prüfung. Aber das ist auch genau richtig, weil wir ja auch antreten, um die Meinungsfreiheit zu schützen. Und wenn wir jetzt sagen, irgendwelche unliebsamen Äußerungen werden jetzt alle mal strafrechtlich gemacht, dann würden wir genau das Gegenteil erreichen."

Öffentliche Mahnung zur Umkehr

Auch bei denjenigen, die schließlich wegen ihrer Hasskommentare vor Gericht landen, geht es ihm grundsätzlich eher um eine Art öffentliche Mahnung zur Umkehr als um harte Bestrafung, so der Frankfurter Staatsanwalt.
"Jetzt nicht aus dem Sinn heraus: Es muss in jedem einzelnen Fall knallharte Strafen geben zur allgemeinen Abschreckung, das ist nicht unser Weg."

Auf Kooperation mit Zivilgesellschaft angewiesen

Um die Fälle herauszufiltern, in denen es eindeutig um strafrechtlich relevante Hasskriminalität geht, setzt die hessische Justiz auch auf enge Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Organisationen.
"Beispielsweise mit der Opferberatungsstelle HateAid aus Berlin oder mit der Organisation, die Gegenrede im Internet durchführt, wenn jemand von Hass-Rede betroffen ist, dass die sich darum kümmern, dass dagegen geredet wird, dass jemand da ist, der hilft. Die nennen sich Ich bin hier e.V.. Oder es gibt eine Kooperation mit der privaten Meldestelle für Hasskommentare Hassmelden.de. Dort nehmen wie diese Hinweise auf eventuell strafrechtlich relevante Hasskommentare auch entgegen."

Zahlreiche Ermittlungsverfahren nach Hanau

Hessen hat aber auch eine eigene, staatliche Internet-Meldestelle für Hasskommentare: Hessengegenhetze.de. Vor allem nach dem rassistischen Terroranschlag in Hanau am 19. Februar 2020 sei diese Plattform bereits intensiv genutzt worden, berichtet der Frankfurter Staatsanwalt Benjamin Krause.
"Da war ja diese Gewalttat in den späten Abendstunden von 22 Uhr an ungefähr bis Mitternacht. Und kurz nach Mitternacht hatten wir aus der Zivilgesellschaft heraus schon erste Hinweise auf Hasskommentare, die diese Gewalttat abgefeiert, die diese Gewalttat befürwortet haben. Und so schnell kann, glaube ich, wirklich nur die Zivilgesellschaft sein, die aufmerksam ist. Die sieht das dann und meldet das dann an uns weiter. So schnell kann wahrscheinlich keine Polizeibehörde der Welt sein. Und dieses ganze Internet zu durchforsten: Also, gerade da hat diese Kooperation gezeigt, wie wertvoll die sein kann."
Die Staatsanwaltschaft leitete anschließend mehr als 80 Ermittlungsverfahren ein. Auch der Gesetzgeber ist in den letzten Monaten aktiv geworden.

Hatespeech-Gesetz ermöglicht systematische Verfolgung

Aktuell prüft das Bundespräsidialamt, ob ein neues Gesetzespaket gegen Hasskriminalität, das der Bundestag kürzlich beschlossen hat, verfassungskonform ist oder nicht. Wenn es in Kraft träte, käme wohl reichlich zusätzliche Arbeit auf Benjamin Krause und sein Team in Frankfurt am Main zu.
"Wenn es so kommt, dann müssen wir uns wahrscheinlich drauf einstellen, dass Hunderttausende Hasskommentare dann von den sozialen Netzwerken – also Facebook und Co. an das Bundeskriminalamt als polizeiliche Zentralstelle zugeliefert werden. Das ist natürlich ein richtig guter erster Schritt, um besser systematisch diese Hasskommentare im Internet verfolgen zu können."
Für Hessen wäre dann die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main die erste Ansprechstelle des Bundeskriminalamtes, wenn es um die Strafverfolgung der etwa von Facebook zu meldenden Hasskommentare geht. Doch die hessischen Staatsanwälte haben auch die Aufgabe, in Sachen Hatespeech Präventionsarbeit in Schulen zu machen. Benjamin Krause nennt als Beispiel die Digitalen Helden aus Frankfurt, wo sie über die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden aufklären wollen.
"Das ist ein Angebot für Schulen, für Lehrkräfte, aber auch für Schüler, bei dem vor Ort in den Schulen Schüler zu `digitalen Helden´ ausgebildet werden können, die sich dann dazu bereit erklären, Jüngere auf ihrem Wegen zu begleiten: Wie man so ins Internet kommt, welche Fehler man machen kann."
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