Kampf gegen Antisemitismus in Deutschland

"Das deutsche Recht scheint ein Stück weit zu greifen"

06:02 Minuten
Ein Teilnehmer einer Mahnwache trägt eine Israelische-Fahne vor der Synagoge. Am Abend des 11. Oktober 2019 hatte die Stadt Dresden, TU Dresden und Kirchen der Stadt nach den Vorfällen in Halle/Saale zu einer Solidaritätsbekundung an der Jüdischen Gemeinde aufgerufen. Foto: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa | Verwendung weltweit
Journalist Tobi Müller empfiehlt in der aktuellen Diskussion um die Geflücheten auf Lesbos: Schaut einfach mal in die Genfer Flüchtlingskonvention! © picture alliance / dpa-Zentralbild / Robert Michael
Tobi Müller im Gespräch mit Anke Schaefer · 15.09.2020
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Der Zentralrat der Juden in Deutschland begeht seinen 70. Jahrestag. Wie antisemitisch ist Deutschland heute? Kulturjournalist Tobi Müller nimmt den Antisemitismus hierzulande als komplexes Phänomen wahr - und zugleich eine hohe Sensibilität für das Thema.
Der Zentralrat der Juden in Deutschland begeht seinen 70. Jahrestag. Der Terroranschlag auf die Synagoge in Halle im Oktober 2019 hat erneut die Frage aufgeworfen: Wie antisemitisch ist Deutschland? Wie sicher können jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger hier leben? Josef Schuster, Präsident des Zentralrates, stellte nach dem Attentat jedoch sachlich fest: Das Problem des Antisemitismus sei seit Jahrzehnten bekannt. Und: 80 Prozent der Deutschen seien nicht antisemitisch.
Unser Studiogast, der Kulturjournalist Tobi Müller findet, solche Worte und die dahinterliegenden Zahlen sollten konstruktiv politisch eingesetzt werden, um positive Signale zu setzen. Ähnlich könne man auch in Bezug auf die AfD-Wähler argumentieren.

Ein komplexes Phänomen in Deutschland

Aber: "Nein, das heißt nicht, dass wir uns zurücklehnen können", betont Müller. Er selbst habe als Schweizer in Deutschland zunächst lernen müssen, wie komplex das Phänomen Antisemitismus in seiner Wahlheimat sei. Es werde oft genutzt, "um politische Gegner zu diskreditieren". Dabei werde aber vergessen, auch aufs eigene politische Milieu zu schauen: Antisemitismus sei auch im linken Lager vertreten und unter Intellektuellen. Müller nennt als Beispiel die Aufrufe zum Boykott von israelischen Künstlern in England.
Porträt von Tobi Müller, schweizer Journalist, Autor, Dramaturg und Moderator. Hier in seiner Wohnung in Berlin, Prenzlauer Berg, 2013.
"Zurücklehnen dürfen wir uns nicht", meint Tobi Müller mit Blick auf den Antisemitismus in Deutschland.© laif / Wolfgang Stahr
Unterm Strich jedoch kommt Müller zu dem Schluss: Beim Kampf gegen den Antisemitismus im rechtspopulistischen und rechtsextremen Lager "scheint das deutsche Recht ein Stück weit zu greifen". Und: "Mir scheint die Sensibilität der Öffentlichkeit dahingehend sehr hoch zu sein in Deutschland."

Tobi Müller ist Kulturjournalist und Autor mit Schweizer Wurzeln. Seine Themen sind Pop und Theater, Kulturpolitik und Digitalisierung. Müller schreibt unter anderem für den "Spiegel" und die "Zeit" und ist als Rezensent für Deutschlandfunk Kultur tätig.

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