Kameramann Ed Lachman

Mit viel Gefühl

Ed Lachman
Ed Lachman © dpa / picture alliance
Von Bernd Sobolla |
Der us-amerikanische Kameramann Ed Lachman machte schnell Karriere nach seinem Studium, 2002 wurde er für einen Oscar nominiert. Sein Kennzeichen sind sanfte Kamerafahrten, die einen ganz eigenen Erzählrhythmus haben.
Es scheint, als schwebe die Kamera durch die herbstlich-goldenen Blätter der Baumwipfel, um dann auf der Straße ein hellblaues Auto zu entdecken. Eine Frau, exzellent gekleidet, holt ihr Kind ab. Sie fahren in ein großes Vororthaus im Nordosten der USA – in eine perfekte Welt. Doch bald erfährt sie, dass ihr Mann sie nicht begehrt, weil er homosexuell ist. Und die Liebe zu einem Schwarzen bleibt unerfüllt, weil dies in den 50er Jahren die Rassengesetze verbieten. Das Melodram "Dem Himmel so fern“ von Todd Haynes hat Ed Lachman in einen brillanten Farbenrausch getaucht und wurde dafür 2002 für den Oscar nominiert. Dass der 1946 in New Jersey geborene Lachman Kameramann wurde, ist eigentlich nicht ungewöhnlich, besaß sein Vater doch bereits ein Filmtheater.
"Als ich jung war, hatte ich so dieses östliche Denken, dass dir ein Bild die Seele stiehlt. Die erste Kamera, die ich hatte, war eine Super-8-Kamera, und ich begann, kleine Filme zu drehen. Aber mehr noch interessierte mich Malerei, vor allem die Dadaisten und Surrealisten. Und ich tauchte in den deutschen Expressionismus ein. Denn ich liebe die Idee, dass man die Realität beobachtet und dann ganz subjektiv interpretiert."
Viel Gefühl für die Protagonisten
Ende der 1960er Jahr zieht Lachman nach Frankreich, um Kunstgeschichte zu studieren und widmet sich dann den Filmwissenschaften in Harvard. Ab Mitte der 70er Jahre arbeitet er als Co-Kameramann für Wim Wenders, Werner Herzog oder Peter Bogdanovic, wobei Kamera-Legenden wie Robby Müller, Thomas Mauch oder Sven Nykvist seine Lehrmeister sind.
"Damals gab es viele europäische Kameraleute, die nach Amerika kamen. Wegen einer Gewerkschaftsauflage musste aber auch ein Amerikaner mitarbeiten. So wurde ich oft als Springer eingesetzt. Das war wie eine Filmschule für mich."
Ab Mitte der 80er Jahre klettert Ed Lachman die Karriereleiter empor, dreht aber vorwiegend Filme, die man dem Arthaus-Kino zuordnet: Darunter "Lightsleeper“ mit Paul Schrader, "The Virgin Suicides“ mit Sofia Coppola, für den er mehrere Kamerapreise erhält, oder "Erin Brockovich“ mit Steven Soderbergh. Diese Filme sind durch einen naturalistischen Kamerastil geprägt: Keine ungewöhnlichen Perspektiven, keine hektischen Kameraschwenks, aber mit viel Gefühl für die Protagonisten und die Orte, in denen sie sich bewegen.
"Ich mag es, Objekte und Orte vorzufinden. Aber nur, um mit ihnen eine eigene Welt zu kreieren. Mein naturalistischster Film ist wohl 'Erin Brockovich' oder die Werke von Ulrich Seidl. Aber selbst die Filme von Ulrich strahlen einen gewissen Expressionismus aus."
Starre Kamerapositionen als besondere Herausforderung
Und diesen Naturalismus unterstreicht Ed Lachman oft mit sanften Kamerafahrten, die fast all seinen Filmen einen betörenden Erzählrhythmus geben.
"Ich glaube, jeder hat seinen eigenen Rhythmus; das gilt auch für Bilder. Die Stärke von Bildern liegt in ihrer nonverbalen Kommunikation. Das ist wie bei Musik, die von jedem anders gespielt wird. Für mich ist die Art der Kamerabewegung sehr wichtig für das Erzählen der Geschichte. Und es stimmt, ich mag sanfte Kamerabewegungen sehr gern."
Grandios zu sehen auch in "Howl“ von Rob Epstein und Jeffrey Friedman, der den Skandal um die Veröffentlichung des gleichnamigen Gedichts von Alan Ginsberg erzählt, zwischen Schwarz-weiß- und Farbaufnahmen wechselt, zwischen Clubauftritt und Gerichtsverhandlung.
Darüber hinaus arbeitet Lachman auch oft zusammen mit seinem Kollegen Wolfgang Thaler für den österreichischen Regisseur Ulrich Seidl. Seidls Filme, z.B. die "Paradies-Trilogie“, bewegen sich im Spannungsfeld zwischen Fiktion und Dokument. Wobei Ed Lachman die starren Kamerapositionen, die Seidl bevorzugt, als besondere Herausforderung sieht.
"Das ist wahrscheinlich das Komplizierteste. Denn draußen dreht er meist in einer einzigen Einstellung. Und wenn aus der Hand gedreht wird, vermittelt die Kamera ein Gefühl, das sehr poetisch ist. Es fühlt sich an, als ob die Kamera zu einem weiteren Schauspieler wird."