Kalauer, Pointen, Provokationen

Von Johannes Halder · 05.04.2013
Mit Martin Kippenberger und Albert Oehlen gehört der Hamburger Maler Werner Büttner zu den Vordenkern einer Kunst, die dem Lebensgefühl der bürgerlichen Gesellschaft ironisch auf den Zahn fühlt. Das Karlsruher Museum für Neue Kunst würdigt sein Lebenswerk in einer überfälligen Retrospektive.
Als der Soziologe Arnold Gehlen in den 1960er-Jahren die Kommentarbedürftigkeit der modernen Kunst beklagte, konnte er nicht ahnen, dass der Kommentar einmal selbst zum Kunstwerk werden würde.

Werner Büttner ist so einer, der dem Betrachter die Bilder erklärt mit banalen Themen, die jeder versteht, und kommentierenden Titeln, die keinen Zweifel daran lassen, was auf seinen Bildern dargestellt ist. Er malt eine Bratwurst im deutschen Wald, nennt das "Der romantische Imperativ" – und man muss nicht beim Philosophen Kant nachschlagen, um zu merken, wie das gemeint ist: ironisch natürlich.

Doch kein Spießbürger würde sich die gemalte Bratwurst übers Sofa hängen. Dazu ist sie ihm zu wenig Kunst. Es ist ein intellektuelles Spiel, das deshalb salonfähig ist, weil es den sogenannten schlechten Geschmack verspottet und sich über die Funktionsweise moderner Kunst lustig macht, und es gehört zur Tragödie der Moderne, dass die Malerei heutzutage oft nur noch ironisch funktioniert.

Werner Büttner ist an diesem Trend zum hintergründig Trivialen nicht unschuldig. Er hat ihn sogar mitgeprägt, damals in den 80er-Jahren, als er zu denen gehörte, die die totgesagte Malerei wiederbelebten, indem sie trotzig weitermalten.

"Das war eine strategische Entscheidung. Wenn behauptet wird, das Ding ist tot, das ist nur ein bürgerliches Transportmittel, um die Wohnung zu beruhigen, dann musste man genau das nehmen und zeigen: Es ist nicht tot."

Der Titel ist die halbe Miete
Fast alle von Büttners Bildern funktionieren nach demselben Prinzip: Der Titel ist die halbe Miete. Ohne Titel würde das Bild nicht wirken, aber der Titel braucht auch das Bild. So malt er also einen "Kleinen Hängebusen mit Fingerabdrücken", eine "Kuh, die einen blauen Pullover gefressen hat", ein "Stillleben mit Schwein und Autoreifen" oder eine "Titte mit Totenkopf", und einmal schreibt er auf ein Bild mit sehr abstrakten Fischen den tröstenden Satz: "Fische sind etwas Gutes, sonst hätte sie Jesus nicht vervielfältigt."

Nut gut, Büttners Bilder sind manchmal nicht mehr als illustrierte Sprüche, und sein Humor ist oftmals von der Art, die heutzutage auf Facebook und Youtube massenhaft kursiert und sich schneller abnutzt, als man klicken kann. Damals, als er anfing, gab es einen Hunger nach Bildern, heute leben wir in einer Bilderflut – das ist auch Büttners Problem.

Und so ist sein Werk eine Art gemaltes Tagebuch, in dem er die Welt beobachtet, politisch und privat – und eigentlich will er nur…

"Ein Lebensgefühl wiedergeben. Wie hat sich das angefühlt, was ich hier erlebt habe in der Zeit, die ich hier sein konnte? Und das ist in der Moderne ein klein wenig verschwunden, dieses Mysterium des Gefühls. Da war ziemlich viel cooles Zeug da und Strategien, Könnerschaft, Virtuosität – aber ein Lebensgefühl abbilden, das ist ein bisschen vernachlässigt worden."

Büttners Bilder freilich sind von der gefühlten Qualität eines Dekorationsmalers – was ihn aber gar nicht stört.

"Ich hab mich geweigert, was dazuzulernen. Ich wollt’s halt immer möglichst brachial, ungekonnt, weil, die Falle der Virtuosität oder der Könnerschaft, das führt dann so schnell zu Wiederholungen und Serien, und in die Falle wollte ich mich nicht begeben."

Als Beamter wird man schlecht zur Legende
Pfuschen als Stil, Stümpern als Prinzip, das ist natürlich auch eine gute Ausrede. Und Büttner gibt noch einen drauf:

"Ich fand immer, man kann nicht ganze Nachmittage vor der Leinwand verbringen. Da gibt’s noch viel mehr zu erledigen."

Schnelle Einfälle, schnelle Bilder – in der Überfülle der rund 400 gezeigten Werke entdeckt man neben Albernheiten und Kalauern auch politisch Tiefsinniges, treffende Pointen und Provokationen, aberwitzige Skizzen, geistreiche Skulpturen und Objekte, alles in allem recht gute Unterhaltung.

An einen wie Martin Kippenberger, der zu seinem Werk auch die persönliche Passionsgeschichte mitgeliefert hat, reicht Büttner freilich nicht heran. Als Hamburger Kunsthochschulprofessor ist er Beamter, da wird man schlecht zur Legende. Und die Kunst schreitet derweil munter voran.

"Die Avantgarde von hinten", heißt ein Bild von 2007; dargestellt ist, wie der Titel sagt, die davonreitende Kavallerie. Der Maler hat das Nachsehen.

So richtig aktuell wirkt das nicht. Muss es auch nicht. Büttner wird demnächst 60, seine Malerei hat er bis heute durchgehalten, sein freches Frühwerk ist schon museal. Und überhaupt meint Büttner: "Moderne Kunst kann man verstehen, moderne Welt nicht." Da hat er nun auch wieder Recht.

Die Ausstellung "Werner Büttner - Gemeine Wahrheiten" ist imZentrum für Kunst und Medientechnologie | ZKM in Karlsruhe bis zum 22. September 2013 zu sehen, ab Oktober 2013 im Museum Weserburg in Bremen.
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