Kalauer am Fließband

Von Elske Brault · 28.08.2011
Unter der Regie von Michael Bogdanov wurde aus Shakespeares Versen auf Plattdeutsch "En Sommernachtsdroom". Es war ein gelungener Einstand des Ohnsorg-Theaters nach dem Umzug in das Bieberhaus am Hamburger Hauptbahnhof.
Lysander will sich aus dem "Kuddelmuddel" befreien, Herzogin Hyppolita bezeichnet das Theaterstück der Handwerkertruppe als "Dösigs Gesösel" – dussliges Gesäusel: Shakespeares "Sommernachtstraum" auf plattdeutsch serviert rein sprachlich bereits Kalauer am Fließband. Regisseur Michael Bogdanov setzte in seiner Inszenierung Zoten und Lieder obendrauf: So wurde aus Shakespeares Versen Volkstheater – ein gelungener Einstand des Ohnsorg-Theaters nach dem Umzug in das neue Gebäude am Hamburger Hauptbahnhof.

Ein Mitarbeiter der Alstria Reit-AG hatte den geladenen Gästen im Parkett, unter ihnen Bürgermeister Olaf Scholz und Kultursenatorin Barbara Kisseler, berichtet, wie viele Probleme sich aufgetan hatten angesichts der Idee, das denkmalgeschützte Kontorhaus aus dem Jahr 1909 zu entkernen und die nötigen Stützen für die Theaterhalle einzuziehen. Die Alstria will an dem alten Standort des Ohnsorg-Theater in den Großen Bleichen ein Einkaufszentrum eröffnen und hatte sich daher mit Intendant Christian Seeler auf das Bieberhaus gegenüber dem Deutschen Schauspielhaus als neuen Standort geeinigt.

So hat die renommierte Mundart-Bühne nun 75 Jahre nach ihrer Eröffnung den lang ersehnten Theaterneubau: Elegant mit dunklem Holz und schmalen Lichtleisten im Parkett, die Bühne fast zehn Meter hoch, breiter als die alte und mit neuester Technik ausgestattet. Der gesamte Saal ruht auf 35 Stahlfedern, um die Vibrationen der unter dem Gebäude hindurchfahrenden U-Bahnen abzufangen – eine Technik, die auch beim Konzertsaal von Hamburgs Elbphilharmonie angewendet werden soll. Doch im Gegensatz zu ihr blieb der Ohnsorg-Umbau im Kostenrahmen von 15 Millionen Euro und wurde pünktlich fertig: "Da ist man als Hamburger Bürgermeister ja froh, wenn man solch ein Gebäude einweihen darf", sagte Olaf Scholz grinsend.

Zum Einstand hat sich mit 17 Darstellern fast das gesamte Ohnsorg-Ensemble präsentiert: Bogdanov lässt sie zu Beginn tatsächlich alle auflaufen und auf der Drehbühne zum Standbild gefrieren wie ein "Schaut mal, das sind wir". Auch die neue Bühnentechnik feiert er ausgiebig: Elfenkönigin Titania schwebt auf einem riesigen Blatt vom Bühnenhimmel und wird mit ihrem Schwarm, dem Weber Zettel, dort auch wieder hinaufgezogen. Im Hintergrund wechseln Mondschein, ein verkrüppelter, kahler Ast wie aus einem japanischen Holzschnitt oder eine cool-geometrische Saalwand als Dekoration. Ebenso schnell müssen die Darsteller die Kostüme wechseln, um sich von Athenerherzog Theseus in Elfenkönig Oberon zu verwandeln oder mit zerrissenen Hosen und Hemden zu suggerieren, dass sie bereits stundenlang kämpfend durch den Shakespearschen Zauberwald jagen.

Michael Bogdanov hat viel Mühe in solch handwerkliche Perfektion investiert, in kleine Zirkusnummern wie beispielsweise den Fahrrad-Zusammenstoß des Streit- und Liebespaares Helena und Demetrius. Deftig und drastisch gestaltet er die Liebesszenen: Hermia knallt ihrem Lysander wütend den Rucksack vor den Bauch, der Weber Zettel, vom Elfenkobold Puck mit Eselsohren ausgestattet, bekommt dazu das passende Hengstglied, indem eine Darstellerin ihm vom hinten durch die Beine langt und ihr draller nackter Unterarm sich als Riesenphallus in seinem Schritt aufrichtet.

Anfangs wirkt die plattdeutsche Sprache aus dem Munde des Herrscherpaares Theseus/Hyppolita bzw. Oberon/Titania befremdlich, wesentlich besser steht sie dem einfachen Volk, der Handwerkertruppe des Sommernachtstraums, zu Gesicht und sorgt bei deren Theaterproben für die entsprechenden Lacher. Doch nach der Pause werden die Kämpfe der Liebenden handgreiflicher, die Herrschenden entspannter oder betrunkener, und so vereinen sich am Ende alle erdverbunden in den Niederungen des Niederdeutschen. Leisere Zwischentöne des Shakespeare-Textes kommen nicht zum Zuge, dafür trifft die Komik voll auf die Zwölf - und den Nerv des Publikums. Alles in allem ein großer Spaß.


Link bei dradio.de:
Länderreport: Plattdeutscher ''Sommernachtstraum"
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