"Kafka ist Humor pur!"

Von Tobias Wenzel · 09.10.2007
Er ist ein Meister der kleinen Form wie sein Erzählungsband "Hundert Geschichten" beweist. Früher hat der wohl bekannteste Intellektuelle Kataloniens auch Romane geschrieben. Dazu, sagt Quim Monzó, habe er keine Zeit mehr. Als einziger katalanischer Autor hält er im Rahmen der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse eine Rede.
Der Mann mit den kurzen gelockten Haaren hat einen beängstigend dicken Bauch und ein Doppelkinn, das schon eher den Namen Dreifachkinn verdient. Noch mehr allerdings zieht er mit seinem Holzbein die Blicke auf sich. Der Mann ist Quim Monzó, oder genauer: die Karikatur, die er von sich selbst gezeichnet hat. Da kennt der katalanische Schriftsteller keine Gnade. Übergewichtig mag er sein, aber ein Holzbein hat er nun wirklich nicht, der reale Quim Monzó, der auf einer Bierbank sitzend ein Interview gibt. "Spiegel" heißt eine seiner Erzählungen. Darin passt ein Bildhauer das menschliche Modell der Skulptur an und nicht umgekehrt. Und wie sieht sich Quim Monzó selbst?

"Wie ich mich sehe? In der Geschichte geht es ja nicht darum, ob man sich gefällt oder nicht, sondern ob man dem eigenen Bildnis gleicht. Schriftsteller müssen doch gar nicht in den Spiegel gucken. Wir Schriftsteller sind dick, hässlich, haben 50 Krankheiten. Schauspieler machen Liftings, wir brauchen das doch gar nicht. Wir können ruhig ein Doppelkinn und eine Glatze haben. Wir sind alle hässlich, abgesehen von Paul Auster vielleicht. Das Einzige, was zählt, ist, was Schriftsteller schreiben. Ein Schriftsteller muss sich nicht bemühen, gut auszusehen, sich herauszuputzen. Das wäre ja noch schöner!"


Als Schriftsteller hat sich Quim Monzó der kleinen Form verschrieben, Erzählungen, die manchmal nur zwei, drei Seiten umfassen. Skurrile skizzenhafte Prosasplitter, die nun in dem Band "Hundert Geschichten" gesammelt vorliegen. In einer Erzählung dreht sich alles um Türkeile, gewissermaßen die letzte Sorge, die ein auseinander gelebtes Ehepaar hat. Kleine Dinge in der kleinen literarischen Form. Quim Monzó mag es klein:

"Die kleinen Details zeigen, ob ein Politiker ehrlich ist oder nicht. Ein Beispiel: Als Filipe González Präsident Spaniens war, gab er sich als Feminist, indem er seine Rede mit ‚compañeros y compañeras’, "Kameraden und Kameradinnen", begann. Später in der Rede sprach er aber von der ‚hombría’, der ‚Mannhaftigkeit’, deren es bedarf. Mit diesem kleinen Wort verriet er, dass er ein Macho ist und das Wort ‚Kameradinnen’ nur geheuchelt war. Solch kleine Dinge zeigen mehr auf als große Wahrheiten."

Und als die großen Romane, bemerkt Quim Monzó. Auch er, der wohl bekannteste Intellektuelle Kataloniens, hat früher Romane geschrieben. Aber damit ist schon lange Schluss. Dazu, sagt er, habe er einfach keine Zeit mehr. Genauso wenig, wie ein Leser heute noch Zeit finde, noch dazu Zeit habe, einen ganzen Roman zu lesen. Es sei denn, er sei krank und wochenlang ans Bett gefesselt. Quim Monzó strotzt nur so vor Humor. In seinen Geschichten ebenso wie im Gespräch. Vom ernsten Gesichtsausdruck sollte man sich nicht täuschen lassen. In seiner Prosa liegen Humor und Tragik oft nah beieinander.

"Ich kann nicht anders schreiben als humorvoll. Also mit ein wenig Ironie und Abstand. Eigentlich bin ich ein sehr pessimistischer Mensch und denke, dass die Welt sinnlos ist und dass sie immer unerträglicher wird. Das heißt aber nicht, dass ich das nur auf tragische Weise beschreibe. Das mache ich lieber humorvoll. Die großen Tragödien sind doch immer humorvoll. Kafka, der die Angst des Menschen im 20. Jahrhundert beschrieben hat, ist doch Humor pur!"

Tragikomische Erzählungen des 1952 geborenen Katalanen Monzó: Ein Mann hat derart Mundgeruch, dass er sich in seinem Haus verschanzen muss. Ein anderer kommt von der Arbeit und fragt sich, ob er den Eingang des richtigen Hauses gewählt hat, ob die Frau, die ihn begrüßt, überhaupt seine ist. Auch Quim Monzó hat sich schon zu Hause fremd gefühlt, als Kind in seiner Geburtsstadt Barcelona:

"Mein Vater hat in einer Textilfabrik gearbeitet und meine Mutter war Näherin. Wir waren arm und lebten in einem schlechten Viertel Barcelonas. Meine Eltern interessierten sich überhaupt nicht für Literatur. Das Lesen war für mich eine Zuflucht. Aber ich musste meine Bücher vor meinen Eltern verstecken. Sie erlaubten mir nur, Schulbücher zu haben. Romane versteckte ich unter meinem Mathebuch oder anderen Schulbüchern. Wenn meine Mutter mich aber doch erwischte, sagte sie: ‚Wenn du so viele Romane liest, wirst Du als Idiot enden!’"

Ein Idiot wurde er nicht, dafür aber Grafikdesigner, Comiczeichner, Drehbuchautor, Radiomoderator, Kolumnist und Gelegenheitsberichterstatter aus Kriegsregionen: Ihn zog es damals dorthin, wo es gefährlich war, erzählt er. In seinen Berichten aus Nordirland und Vietnam habe er Vergleiche mit Spanien und Katalonien gezogen. Das kam bei den heimischen Medien gut an. Die katalanische Kultur liegt Quim Monzó am Herzen. Er ist einer der wenigen Autoren der Region, die konsequent auf Katalanisch und nicht auf Spanisch schreiben. Vermutlich hat ihn die Frankfurter Buchmesse auch deshalb als Eröffnungsredner eingeladen:

"Ich bin daran interessiert, die Literatur meines Landes vorzustellen. Aber mein Anteil daran, meine Eröffnungsrede, ist sehr klein. Ich glaube nicht daran, dass die Messe viel für die katalanische Literatur verändern wird. Es ist eine Handelsmesse. Es geht ums Geld. Hier werden Garten- und Selbsthilfebücher ebenso verkauft wie Paulo Coelho. Ich glaube, dass in Frankfurt jedes Jahr ein Gastland oder eine Gastkultur präsentiert wird, um ein reines Gewissen zu haben. Ich glaube nicht, dass nach der Messe auf einmal alle verrückt nach katalanischer Kultur sind. Aber wenn so einige gute katalanische Bücher verkauft werden, dann soll es mir recht sein."
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