Kaffkönig und Odd Couple

Soundtrack der Überdrüssigkeit

Kaffkönig
Kaffkönig erzählen vom Leben im Kaff - mit viel Wut im Bauch © Thomas Brauchle
Von Jürgen Stratmann · 19.03.2018
Das Duo Kaffkönig stammt aus einem winzigen Nest in Süddeutschland. Die beiden machen Musik, vor allem, um ihren Frust über das Landleben in die Welt zu rotzen. Und sie sind nicht die einzigen, die dieses Ventil wählen.
Uneingeweihte dürften es abgeschmackt finden, wenn deutsche Indie-Bands ihr Publikum vor der Show mit ach so ironisch gemeinten Schlagerschnulzen nerven. Wer allerdings, im musikalischen Stahlbad ländlicher Bierzelte und Volksfeste gehärtet, jeden noch so alten Schlagertext fehlerfrei mitsingen kann, versteht die versteckte Botschaft, weil er weiß, dass der Michael-Holm-Klassiker "Tränen lügen nicht" in einem gerade für Landeier elementaren Glaubenssatz gipfelt, der da lautet:
"Die große Stadt lockt mit ihrem Glanz – doch der Schein hält nicht, was er dir verspricht!"
Will sagen: Die "Kaffkönige" aus einem winzigen Nest in Baden-Württemberg bekommen daheim zwar "Das große Kotzen" - so der Titel ihres Debüt-Albums - aber in "die große Stadt"? Gar nach Berlin?
"Wer will schon nach Berlin? Als Kaffkönig? Der König verlässt auch nicht sein Schloss!"
...sagt der eine, der Schlagzeuger. Der andere nennt sich nur der Gitarrist - mehr erfährt man nicht, Klarnamen werden nicht genannt.

"Die Überdrüssigkeit steckt uns allen in den Knochen!"

Schlagzeuger: "Wir müssen aber auch sagen, dass wir lieber unterwegs sind und den Leuten von unserm Leben auf'm Kaff mal erzählen, so dass wir auch mal raus können aus der ganzen Sache, weil: Die Überdrüssigkeit steckt uns allen in den Knochen!"
Und "Überdrüssigkeit"? Kann so klingen:
"Hallo Berlin, wir sind Kaffkönig, willkommen zum schrägsten Abend eures Lebens!"
"Das große Kotzen", "Panzerquartett", "Narbenfresse" oder "Messermalerei" heißen die Stücke, die die beiden in blütenweißen Entertainer-Outfits mit Hemd und Fliege dem Publikum um die Ohren dreschen.
Diese Dorfmusik klingt dann gar nicht mehr witzig, sondern nach echter, tiefsitzender Wut – woher die kommt? Daher, …
Schlagzeuger: "… dass man schon darum kämpfen muss, anders zu sein – ist eine gute Voraussetzung, um wirklich auch kritische Songs zu schreiben."
Wobei: vom Kaff erzählen?
Schlagzeuger: "Unsere Songs handeln ja nicht vom Kaff explizit, sondern welches Lebensgefühl eigentlich aufbrodelt..."
Ein Brodeln, ein Lebensgefühl, ein "Abkotzen", das auch dem Großstadtpublikum nicht fremd ist. Kritische Texte – verpackt in große Melodien! Als Vorbilder werden genannt: Nino de Angelo und die Bee-Gees.
Im Ernst?
Egal. Ist nicht - wer auf dem Kaff mit der ganzen Bierzelt-musikalischen Bandbreite von Blasmusik bis Bon Jovi sozialisiert wurde – geradezu prädestiniert, eigene Sounds zu entwickeln? Die Fachkritik tut sich jedenfalls mit einordnenden Genrebegriffen schwer …
Schlagzeuger: "Da kommt auch schon mal 'Schlager-Core' vor..."
Wie auch immer man es nennt, die grobe Richtung ist klar - es geht nach vorn!

Jugendfreunde, die zusammen Musik machen

"Ich bleib lieber fern von Stagnation" heißt es in der ersten Single-Auskopplung des neuen "Odd Couple"-Albums "Yada Yada", und auch dieses Werk…
Tammo Dehn: "…ist schon eine Auseinandersetzung mit Heimat."
Wie das Duo Kaffkönig sind auch Tammo Dehn und Jascha Kreft von Odd Couple Jugendfreunde, allerdings aus Ostfriesland, aus Norden an der Nordsee, zwar...
Tammo: "...kein richtiges Kaff, es ist eine kleine Kleinstadt, aber drumherum gibt’s nicht viel Großes erstmal."
Die leben jetzt in Berlin – aber auf die Provinz als künstlerische Heimat lassen auch sie nichts kommen.
Jascha Kreft: "Für uns ist das ein mega-krasser Kreativraum! Man hat ja nicht so viel zu tun – man hat halt ein, zwei Kneipen oder sowas, und dann hängst du immer mit den gleichen Leuten ab, ich mein: Da machst Du halt Musik – tagsüber, oder auch abends mit Leuten – und du hast viel mehr die Möglichkeit, laut zu sein."

Die Provinz als Kreativraum

Denn: Da hört einen ja kaum einer! Dazu kommt: junge, wilde, laute Bands? Will da auch kaum einer hören! Natürlich:
Dennis Schulze: "Weil es nicht viel andere gab."
Erklärt auch der Odd-Couple-Keyboarder Dennis Schulze, ein Dorfkind aus Oberfranken...
"Da war man der bunte Vogel."
Jascha: "Wohingegen du hier, wenn du in der Großstadt wohnst, von Anfang immer einen Pool finden kannst für das, was du machst. Ich glaube, dass man durch ein Dorf an sich, wenn man sich da anders entwickelt, muss man sich stärker mit Vorurteilen auseinandersetzen – und das, glaube ich, stärkt Dich in dem, was Du machen willst."
Und auch die Virtuosität, mit der Odd Couple Stile, Sounds und Genres mischen? Auch das haben Jascha und Tammo eigentlich schon in ihrer ersten – eine Stoner-Metal-Band – lernen müssen, weil:
Tammo: "Wir uns mit den Leuten in der Mitte getroffen haben: Unser Gitarrist hat Slayer gehört, ich konnte da nicht viel mit anfangen, aber man hat sich als Musiker dann bei 'Stoner' getroffen, es war einfach sone Schnittmenge..."
Laute-Schnittmengen-vom-Dorf? Klingt als Genre-Beschreibung vielleicht etwas sperrig, aber doch auch ziemlich spannend.