Kämpfer gegen etablierte Sichtweisen

Raphael Gross im Gespräch mit Gabi Wuttke · 16.05.2012
Raphael Gross, Direktor des Jüdischen Museums und des Fritz-Bauer-Instituts, sieht auch in der Forschung Lustigers über den Widerstand von Nichtjuden gegen den Holocaust einen wichtigen Beitrag des Wissenschaftlers. Dies habe er mit einem "unglaublichen Wissen" getan.
Der jüdische Historiker Arno Lustiger ist tot. Er starb am Dienstag im Alter von 88 Jahren. Raphael Gross, Direktor des Jüdischen Museums und des Fritz-Bauer-Instituts, würdigte den Publizisten als einen Historiker, der mit "einem unglaublichen Wissen" und einem großen Interesse für Quellen und Zeitzeugen auf Themen zugegangen ist. "Ich glaube, dass Arno Lustiger in gewisser Weise gemeinsam mit Arnold Pauker in London sehr früh einen (…) Kampf geführt hat gegen die relativ etablierte Sichtweise (…), dass es sehr wenig jüdischen Widerstand gegeben hat", erklärte Gross.

Eines der weiteren großen Themen seiner Forschung und Publizistik sei die Auseinandersetzung mit dem Holocaust-Historiker Raul Hilberg über den Umfang des jüdischen Widerstands gegen die systematische Verfolgung und Ermordung gewesen, betonte Gross. "Später hat er sich dann auch damit beschäftigt: Was gab es für Widerstand im Sinne von Nichtjuden (…), die nicht mit der Waffe in der Hand aber in anderer Weise ihr Leben auf's Spiel setzten, um Juden zu retten." In diesem Kontext stehe auch der von Lustiger geprägte Begriff des so genannten Rettungswiderstandes der Juden, erklärt der Publizist.

Lustiger gehörte zu den Überlebenden des Holocaust und forschte nach dem Zweiten Weltkrieg intensiv zur Geschichte des Judentums in Deutschland. Unter anderem veröffentlichte er Standardwerke zum Widerstand der Juden in Deutschland von 1933 bis 1945 sowie zur Situation der sowjetischen Juden unter Stalin und zum Jüdischen Antifaschistischen Komitee.

Lustiger wurde 1924 im oberschlesischen Bedzin, heute Polen, geboren. Unter nationalsozialistischer Herrschaft wurde er 1943 deportiert, überlebte mehrere Konzentrationslager und Todesmärsche. Nach Kriegsende war er Mitbegründer der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt und wirkt als freier Schriftsteller. Er lehrte er am Fritz-Bauer-Institut in Frankfurt am Main.
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