Kämpfen für das Paradies

Von Johannes Kaiser · 16.12.2012
Das Lewa Wildlife Conservancy führt einen Kampf an zwei Fronten: Einerseits schützt es Tiere vor Wilderei und dem Aussterben, andererseits unterstützt es die lokale Bevölkerung. Die geschickte Mischung aus Wildschutz und Armutsbekämpfung ist erfolgreich und beispielhaft.
"Wir hatten von einem Informanten über den kenianischen Wildlife Service erfahren, dass Leute aus Isiolo, der nächstgelegenen Stadt, Vorbereitungen trafen, in Lewa zu wildern. Es war im Januar nachts bei Vollmond. Wir hatten unsere Jungs an der Nordseite unseres Reservats stationiert, aber sie haben nichts bemerkt. Am nächsten Morgen entdeckten wir verdächtige Fußspuren, holten einen unserer Spürhunde und folgten den Spuren zwei Kilometer.

Wir fanden einen Platz, an dem sie Tee gekocht hatten, und von da gab es dann frische Fußspuren. Wir sind ihnen einen weiteren Kilometer gefolgt und haben dann unseren Hund losgelassen. Daraufhin wurde auf uns geschossen. Glücklicherweise haben sie niemanden verletzt. Wir haben drei Wilderer getötet und eine Kalaschnikow mit drei Patronenmagazinen, Brot und noch andere Sachen entdeckt. Sie hatten ein Lager aufgeschlagen und sich gerade ausgeruht, um dann bei Nacht zuzuschlagen. So haben wir sie gestoppt."

Als Edward Ndiriu Komu, Sicherheitsoffizier im Lewa Wildlife Conservancy, seine Geschichte im September erzählt, kann er noch nicht wissen, dass zwei Monate später, Anfang Dezember erneut Wilderer in das private Reservat von der Größe des Nationalparks Bayrischer Wald eindringen und vier schwarze Nashörner abschlachten werden.

Überall in Afrika tobt im Augenblick ein erbitterter Kampf zwischen bestens organisierten Wildererbanden und Parkrangern. Weit über 500 Nashörner und einige tausend Elefanten sind allein dieses Jahr abgeschlachtet worden. Sie sind Opfer des asiatischen Aberglaubens, Nashornhorn könne Krebs heilen und sei ein Aphrodisiakum sowie der Prunksucht jemenitischer Dolchträger, die Dolchgriffe aus Nashorn lieben. Nippes aus Elfenbein ist für reiche Chinesen ein Statussymbol. Die Gewinnspannen sind riesig, nur vergleichbar mit Drogen oder Waffenhandel. Illegales Elfenbein bringt rund 2000 Dollar pro Kilo. Ein Kilogramm Nashorn kostet in China derzeit sogar rund 60.000 Dollar. Gold ist billiger. Auch wenn die Wilderer in Nord-Kenia, vorwiegend somalischer Herkunft, erheblich weniger verdienen, lohnt es sich doch auch für sie, so Sicherheitsoffizier Komu:

"Der Preis eines Nashorns ist in letzter Zeit gestiegen. Wenn ein Wilderer es in Isiolo verkauft, dann kann er dort dafür eine Million kenianische Schilling, rund 11.500 Dollar, pro Kilogramm bekommen. Von dort wird es über einen Zwischenhändler zum Käufer gebracht und der bringt es dann außer Landes. Heute wildern organisierte Gruppen. Die sind nicht nur an Nashornhörnern oder Elefantenstoßzähnen interessiert, sondern handeln auch mit Drogen und Ähnlichem und sie haben gute Beziehungen, haben Leute in der Regierung sitzen, denn in diesem Geschäft geht es um eine Menge Bargeld."

Dass Lewa trotz des dramatischen Vorfalls jetzt im Dezember bislang in 17 Jahren nur zehn Nashörner durch Wilderei verloren hat, in derselben Zeit aber so viel Nachwuchs bekam, dass man Tiere an andere Parks abgeben konnte, liegt auch an der gut organisierten Überwachung der derzeit 71 schwarzen und 55 weißen Nashörner. Sie haben alle einen Namen und sind mit einem Sender ausgestattet, der es erlaubt, ihre Bewegungen in Echtzeit zu verfolgen. 126 teilweise bewaffnete Ranger beobachten die Tiere Tag und Nacht. Ihre Funkgeräte nutzen digitale Technik. Das verhindert, dass Wilderer wie früher den Funkverkehr abhören können.

Man will aber nicht nur die Nashörner schützen, sondern das gesamte Wildleben, das sich im Reservat tummelt. Es liegt im Norden Kenias auf den Laikipia Plateau und begeistert mit einer typisch afrikanischen Savannenlandschaft, in der sich die big five tummeln, also Wasserbüffel, Elefanten, Löwen, Leoparden und Nashörner. Aber auch verschiedene Antilopenarten, Giraffen, Schakale und die Grevy Zebras, eine vom Aussterben gedrohte Zebrarasse, sowie eine exotisch bunte Vogelwelt. Um sie zu sehen, buchen jedes Jahr tausende gute betuchte Touristen die teuren Lodges und Unterkünfte im Reservat.

Ihr Geld sowie reichlich Spenden aus England und den USA erhalten dieses Tierparadies, denn einen Großteil dieser Einnahmen nutzt Lewa, um den Gemeinden, die rund um das Reservat siedeln, das Leben zu erleichtern. So unterstützt man zum Beispiel die 17 öffentlichen Schulen am Rande des Reservats, so Faith Riunga, Leiterin des Lewa-Bildungspro-gramms.
"Die Schule in Ntumburi ist zum Beispiel sehr, sehr alt. Die Klassenzimmer mussten renoviert und neue Räume eingerichtet werden. Wir haben außerdem Speiseprogramme für die Schulen. Wenn es für das Essen der Kinder nicht genügend finanzielle Mittel gibt, kommen nämlich weniger Kinder zur Schule. Sie kommen jetzt, weil sie wissen, es gibt um 10 Uhr Porridge und nachher noch ein Mittagessen."

Oftmals sind das die einzigen Mahlzeiten, die die Kinder am Tag bekommen. Lewa fördert zudem besonders begabte Kinder, gibt Stipendien für den Besuch der Oberschule. Aids-Waisenkindern bezahlt die gemeinnützige Organisation sogar die Gebühren für den Besuch eines Internats.

Das Wildreservat hat zudem ein Naturschutzprogramm aufgelegt. Es lädt regelmäßig Schulklassen zum Besuch des Reservats ein. Ihnen werden nicht nur die Tiere gezeigt, sie bekommen außerdem einen Schnellkursus in Natur- und Umweltschutz, lernen, dass Insekten nicht weniger bedeutsam sind als Elefanten, jedes Tier, jede Pflanze im Ökosystem eine wichtige Rolle spielt. Das Ergebnis, so Ephantus Mugo, Leiter des Umweltprogramms:

"Was sie sehen und lernen, macht sie zu guten Botschaftern, weil sie diese Informationen an ihre Eltern weitergeben. Sie wachsen daran, weil sie das Gelernte jetzt zu schätzen wissen. Die Schüler begreifen, welchen Nutzen der Schutz der Natur, der Umwelt und des Wildlebens hat."

Doch nicht nur die Kinder profitieren von Lewa, auch die Erwachsenen, seit die Craigs, eine weiße Farmerfamilie, 1983 auf ihrem Weideland ein Schutzreservat für Nashörner einrichtete. 1995 wurde dann die gemeinnützige Organisation Lewa Wildlife Conservancy gegründet, die das Land pachtete und zu dem heutigen Wildreservat ausbaute. Derzeit sammelt man Kapital für eine gemeinnützige Stiftung, hat bereits die Hälfte des Landes gekauft und möchte den Rest erwerben. Von anfallenden Zinsen möchte man zumindest den laufenden Betrieb finanzieren. Zukunftssicherung, um nicht allein auf Tourismuseinahmen und Spenden angewiesen zu sein.

Die Ausgaben sind hoch, denn Lewa beschäftigt heute 350 Leute vorwiegend aus den umliegenden Gemeinden und ist damit ein wichtiger Arbeitgeber in einer Region, in der es kaum Arbeitsplätze gibt. Deren Bewohner, oft stolze Massai, betreiben vor allem Viehzucht und ein wenig Landwirtschaft. Das Durchschnittseinkommen liegt im Monat unter 100 Dollar. Wer bei Lewa sein Geld verdient, kann damit oft eine ganze Großfamilie unterstützen.

Das Wildreservat kümmert sich auch um die Gesundheit seiner Angestellten und der Bewohner der umliegenden Gemeinden, so Ruwaydah Abdul-Rahman, technische Assistentin des Geschäftsführers:

"Man errichtete eine Klinik, um den Angestellten und ihren Familien eine Basisgesundheitsversorgung zu geben. Als man dann feststellte, dass auch Leute aus den Gemeinden zu der Klinik kamen, wuchs das Gesundheitssystem. Es gibt jetzt drei Hospitäler und ein viertes wird demnächst errichtet. Wir kümmern uns um Gesundheitsvorsorge, Erkältungskrankheiten, Diabetes, sexuelle Aufklärung in den Schulen, Verhütungsmittel für Frauen, Aids, TBC. Das alles führt dazu, dass die Gemeinden Lewa als nützlich ansehen. Lewa bietet ihnen etwas an, was ihnen vorher nicht zur Verfügung stand."

Das Vorbild Lewas vor Augen, haben eine ganze Reihe von Gemeinden im Norden des Reservats angefangen, ihre eigenen Weidegebiete in Wildreservate umzuwandeln. Sie haben sich mit tatkräftiger Unterstützung des Wildreservats zum Northern Rangeland Trust zusammengeschlossen, so Lewa Geschäftsführer Mike Watson:
"In den letzten zehn Jahren sind wir auf mehr als 20 gemeindeeigene Naturschutzgebiete angewachsen mit mehr als 12.000 Quadratkilometern Land und einem Naturschutzmanagement. Durch Partnerschaften beim Tourismus, die wir mit Tourveranstaltern und Investoren ausgehandelt haben, um Lodges und touristische Einrichtungen zu bauen, sehen die Gemeinden jetzt, dass das Wildleben einen greifbaren Wert besitzt. Deswegen wird es in diesen Gebieten geschützt."

So gefährdet Nashörner auch weiterhin sind, Lewa hat gezeigt, dass der Schutz der Natur und der Umwelt allen dient, nicht nur die Wildtiere, sondern auch die Menschen von ihm profitieren. Lewa-Geschäftsführer Mike Watson verkündet denn auch nicht ohne eine gewisse Genugtuung:
"Die kenianische Regierung und ihre halbstaatliche Wildschutzorganisation, der Kenyian Wildlife Service, haben sich das Modell, das wir hier in Nord-Kenia entwickelt und eingeführt haben, zu eigen gemacht, so dass es als nationales Modell genutzt und anderswo in Kenia wiederholt werden kann."