Kabarettisten gehen online

Heiteres Geplauder als Notversorgung

07:52 Minuten
Drei Männer an Stehtischen. Sie halten Desinfektionsmittel und Klopapier in den Händen.
Die erste Show von "RuhrKultur live – Die kulturelle Notversorgung" mit (von links) Guntmar Feuerstein, Helmut Sanftenschneider und Christian Hirdes. © H. Sanftenschneider
Von Stefan Keim · 17.03.2020
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In Zeiten geschlossener Bühnen verlagert sich die Kultur ins Netz. Nach gestreamten Opern- und Theateraufführungen nun also Musikkabarett: Helmut Sanftenschneider sendete eine Late-Night-Show live aus Bochum. Vier Auftritte pro Woche soll es geben.
Die Kultur geht ins Netz. Der Pianist Igor Levit gibt Twitter-Konzerte, Gianna Nannini hat aus ihrem Wohnzimmer ein Konzert gestreamt. Orchester und Opernhäuser bieten ebenfalls Aufführungen ohne Publikum online an. Nun machen auch Kabarettisten mit.
Gestern Abend gab es die erste Late-Night-Show. Also nicht ganz so late, sie begann um 20.30 Uhr und wurde aus dem Büro des Bochumer Musikkabarettisten Helmut Sanftenschneider gesendet. "RuhrKultur live - Die kulturelle Corona-Notversorgung" heißt das Projekt. Jeden Abend von Dienstag bis Freitag soll es eine neue Show geben.

Klavier und Klopapier

Spielort ist ein Büro, in dem ein Klavier steht. Das Personal ist coronatechnisch klein gehalten. Eine Frau steht hinter der Kamera, es gibt nur zwei Gäste, die brav Abstand halten. Zumindest meistens. Jeder hat seinen eigenen Becher mit Salzstangen, auf dem Stehtisch sind ein Fläschchen mit Desinfektionsmittel und eine Rolle Klopapier drapiert.
Früher zeigte man Schmuck und teure Vasen, heute sind das die Insignien eines begüterten Haushalts. Witze über Hamsterkäufe und Klopapier sind allerdings selten an diesem Abend, die sind schon alle gemacht.

Fröhlich improvisierte Show

Oft ist ein Summen zu hören, der Kabarettist Guntmar Feuerstein hält sich das Mikro nicht nah genug an den Mund. Klar, das ist eine Zeit des Abstandhaltens, doch der Ton ist nicht immer der beste. Es wird noch fröhlich improvisiert in der ersten Show, doch das passt ja zum YouTube-Genre, wo das Publikum gerade keine Perfektion möchte, sondern Spontaneität und Authentizität.
Zwischen den Nummern wird geplaudert, und einmal telefoniert Helmut Sanftenschneider mit einer Angsttherapeutin. Sie gibt am Rande der Verständlichkeit ein paar eher unverbindliche Ratschläge wie "Ressourcen aufbauen heißt: Auch erst mal die schönen Dinge im Leben zu sehen, die wir haben, ne?"

Unterhaltung statt Tiefgang

Am sichersten fühlen sich die drei, wenn sie zu den Instrumenten greifen und einige ihrer Songs präsentieren. Christian Hirdes hat ein Lied über eine Mutter im Supermarkt dabei, deren Tochter nach den Kaugummis grabscht. Mit Corona hat das allerdings nichts zu tun.
Am Ende singen alle zusammen das schöne Lied "No Woman in Kray" über einen Jüngling, der in jedem Essener Stadtteil eine Liebste hat, nur eben nicht in Kray. Eine gute halbe Stunde dauert die Show. Gedanklichen Tiefgang hat sie nicht vermittelt, sondern fröhlich unterhalten.

Andere Kabarettisten ziehen nach

Wahrscheinlich braucht es ein bisschen Zeit, um zu verstehen, was der Virus aus einer ohnehin schon verunsicherten und gespaltenen Gesellschaft macht. Da ist es entspannend, sich mal mit den Leiden eines Musikers auf Kindergeburtstagen zu beschäftigen oder einfach eine hübsche, schräge Pop-Parodie zu hören.
Die Kabarettisten wollen weiter senden, bis sie wieder öffentlich auftreten dürfen, und freuen sich über Spenden für ihre Onlineshow. Das Berliner BKA-Theater zieht nach und präsentiert ab 18. März ebenfalls Kleinkunst online.
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