Kabarettist zur Causa Andreas Scheuer

"Die CSU hat ein unglaubliches Talent für die Inklusion von Freaks"

07:43 Minuten
Andreas Scheuer (CSU), Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, kommt als Zeuge vor den Maut-Untersuchungsausschuss des Bundestags. In der Sitzung soll auch noch Verkehrsminister Scheuer befragt werden. Die Opposition wirft Scheuer schwere Fehler bei der gescheiterten Pkw-Maut vor.
"Natürlich müsste Scheuer längst weg sein", sagt Florian Schroeder über den Bundesverkehrsminister. © picture alliance/ dpa / Michael Kappeler
Florian Schroeder im Gespräch mit Ute Welty · 28.01.2021
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Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer sagt erneut vor dem Pkw-Mautausschuss aus, und die CSU stellt sich unverdrossen hinter ihn. Die Partei sei immer schon ein Sammelbecken für sonderbare Figuren gewesen, sagt der Kabarettist Florian Schroeder.
Ute Welty: Mit großem Tamtam wird sie eingeführt, dann sind die Verträge unterschrieben und am Ende kippt die deutsche Pkw-Maut auf Autobahnen. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) muss sich deswegen heute zum wiederholten Mal im Untersuchungsausschuss des Bundestages verantworten, denn es stehen riesige Schadensersatzforderungen im Raum. Im Interview mit Deutschlandfunk hat sich Scheuer an Fehler nicht erinnern können, und er will auch noch nie an Rücktritt gedacht haben.
Andreas Scheuer: Wissen Sie, ich mach mir so viele Gedanken über das, was gelaufen ist, was gescheitert ist, was gut gelaufen ist, was sehr gut gelaufen ist, was sich entwickelt hat, und ich komme zu dem Schluss, dass ein Minister eigentlich Sets umgesetzt hat – nicht mehr und nicht weniger.
Welty: Das sagt Verkehrsminister Andreas Scheuer, und zu Wort kommt jetzt Satiriker Florian Schroeder, der in diesem Jahr mit dem Deutschen Kleinkunstpreis ausgezeichnet wird. Herr Schroeder, was ist denn kleine Kunst gegen die große Kunst von Andreas Scheuer, sich im Amt zu halten? Das Mautdebakel ist ja nur eines von vielen.
Schroeder: Na ja, sagen wir so: Man kann sich natürlich auch als Satiriker vielleicht lange im Amt halten, obwohl man gar nicht so viel Gutes oder Hervorragendes gemacht hat. Das mag es auch geben, ich weiß es nicht genau, aber ich halte es mal prinzipiell für vorstellbar, ohne da Namen nennen zu wollen.
Nein, ernsthaft, ich glaube, der Unterschied besteht einfach darin, dass Andreas Scheuer natürlich ein Teil einer Partei ist, nämlich der CSU – eine Partei, die im Zweifel im Gegensatz beispielsweise zur SPD oder zur Linken einfach zusammensteht und Leute wie einen Scheuer deckt. Schon allein deshalb, um das Debakel, das es gibt, nicht eingestehen zu müssen, und um nicht eingestehen zu müssen, dass da einer sitzt, der im Grunde am völlig falschen Platz ist. Da ist die CSU eben den eigenen Leuten gegenüber wesentlich solidarischer als dem Steuerzahler, der den Wahnsinn bezahlen muss.

Es nützt Söder, Scheuer im Amt zu behalten

Welty: Aber wie viele Leichen muss Scheuer denn in den diversen Kellern liegen haben, wenn selbst ein CSU-Chef Söder ihm weiter die Stange hält. Denn Söder hat ja normalerweise einen sicheren Instinkt dafür, wem er trauen kann und was das für die eigene Karriere bedeutet und was es vor allen Dingen bedeutet, wenn man zum richtigen Zeitpunkt den richtigen Mann fallen lässt.
Schroeder: Na ja, ich glaube, es nützt Söder im Moment mehr, Scheuer im Amt zu halten, als ihn rauszuschmeißen. Denn im Moment versucht sich ja Markus Söder zukunftsfest zu machen fürs Kanzleramt, für eine mögliche schwarz-grüne Koalition. Das, was jetzt am meisten Unruhe reinbringen würde, wäre doch, wenn er einen Scheuer vor die Tür setzen würde. In dem Moment, in dem er sagt, na ja, der gehört sowieso der Vergangenheit an, der wird meinem Kabinett beispielsweise, sofern ich Kanzler werde, sowieso nicht mehr angehören, warum soll er sich jetzt den Ärger machen?
Er versucht konsequent, sich selbst zu inszenieren als den, der mit den Grünen kann, als den, er ein bisschen nachdenklich ist, der aber auch gleichzeitig sich als Krisenmanager inszeniert. Was jetzt in Sachen Corona auch nicht so richtig funktioniert, denn so toll steht Bayern gar nicht da. Also, die Differenz zwischen dem, wie er sich gibt, und dem, was dann die Zahlen wirklich hergeben, ist schon riesig. Aber weil er weiter als Krisenmanager wirken möchte, hilft es sogar, einen zu haben, der permanent alles falsch macht und über den Deutschland nur noch lacht, denn wirklich ernst genommen wird Scheuer ja nicht mehr.
Er ist ja nicht mehr mal so sehr das Ärgernis, bei dem man sagt: Na ja, guck mal, soundso viel Geld kostet uns das jetzt! Sondern man sagt: Guck, der Scheuer wieder, das ist der mit den E-Scootern und der Maut. Und das hilft eigentlich, wenn man so einen an der Seite stehen hat, der einfach den Irrsinn macht und über den alle lachen. Da kann man sich umso besser als Krisenmanager inszenieren, der man eigentlich selber auch nicht ist.
Der Kabarettist Florian Schroeder posiert für ein Foto.
"Das war immer ein Auffangbecken für die unterschiedlichsten Leute", sagt Florian Schroeder über die CSU.© picture alliance / dpa / Sven Simon
Welty: Können Sie denn über den Verkehrsminister noch lachen, weil das Leben mal wieder die besten Pointen schreibt?
Schroeder: Ja, es ist natürlich immer lustig. Da kann man natürlich schon immer mal wieder die eine oder andere Pointe rausholen. Ich glaube aber schon, dass auch die CSU immer eine Partei war in der Geschichte, die immer mehr Freaks beheimatet hat als beispielsweise die große Schwesterpartei.
Das war immer ein Auffangbecken für die unterschiedlichsten Leute. Man denke an Strauß, man denke an Stoiber, an Günther Beckstein. An einen Gauweiler, der damals gesagt hat, man müsse jetzt HIV-Tests für Prostituierte zwangsmäßig einführen. Es gab Otto Wiesheu, der einen tragischen Verkehrsunfall mit Toten verursacht hat und danach Staatsminister für Verkehr werden konnte.
Also die CSU hat ein unglaubliches Talent, Freaks zu inkludieren und ihnen irgendwie den Weg so zu zeigen, dass sie am Ende irgendwie aus der Nummer rauskommen. Und was dann den Wähler angeht, das ist oft zweitrangig.

Millionen versenkt - und trotzdem noch da

Welty: Die "Süddeutsche" berichtet jetzt im Zusammenhang mit der Pkw-Maut vom sogenannten Schlagergate. Denn die Maut erheben sollte ja ein Anbieter von Konzertkarten. Da geht es dann auf einmal nicht mehr nur um die Maut, sondern auch um Tickets für Roland Kaiser, und nach denen hätte ein Abteilungsleiter aus dem Verkehrsministerium gefragt. Hätten Sie sich getraut, so was für die Bühne zu schreiben?
Schroeder: Nee, das hätte ich mich nicht getraut. Das hätte ich deshalb nicht gemacht, weil ich dann Angst gehabt hätte, dass man mir vorhält, dass Satire mal wieder übertreibt und dass man ja jetzt auch nicht Dinge unterstellen kann, von denen man gar nicht weiß, ob sie stimmen. Das heißt, man muss dann als Satiriker doch immer versuchen, an der Wirklichkeit zu bleiben.
Wenn man dann so was sieht, dann ist man natürlich ein bisschen traurig, dass man nicht vorher den Mumm hatte, so was zu unterstellen. Wobei ich sagen muss, Roland Kaiser ist ja noch wirklich guter Geschmack, da hätte ich manch einem CSU-Minister einen wesentlich schlechteren Musikgeschmack zugetraut.
Welty: Scheuer versenkt Hunderte von Millionen und bleibt im Amt. Was ist da der Unterschied zu einem Rücktritt nach einer gefälschten Doktorarbeit?
Schroeder: Der Unterschied ist, dass eine Doktorarbeit etwas ist, was in der konservativen CDU/CSU natürlich immer noch einen unverhältnismäßig hohen Wert hat. Und da sagt man, na ja, das geht natürlich jetzt nicht, da ist die Wissenschaft von der Politik in Verruf gebracht worden und gleichzeitig die Politik. Hier ist es ja letztlich nur ein Minister, der einfach Geld rausschmeißt. Und das ist das wesentlich Tragischere für uns alle, weil es uns alle Geld kostet – eine Doktorarbeit kostet ja den Wähler nicht so viel wie ein Mautdesaster.
Natürlich müsste Scheuer längst weg sein, aber das Auffällige ist ja, dass die Konservativen einfach immer ein Talent hatten, sich schützend vor jeden zu stellen. Philipp Amthor ist auch einfach bisher davongekommen und bleibt da, wo er ist. Man nimmt ihn ein bisschen aus dem Schussfeld, und später wird er weitermachen.
Das ist aber auch der Grund, warum CDU und CSU so viele Jahre seit nach dem Zweiten Weltkrieg regiert haben, weil sie einfach zusammenstehen, weil sie eine Mauer bilden vor ihren Leuten. Wenn das Gleiche in der SPD oder bei den Linken passiert wäre, die hätten sich so sehr zerfleischt, dass nicht nur derjenige hätte gehen müssen, was sicher richtig gewesen wäre …

Andere Parteien hätten Umfrageeinbußen

Welty: Alle anderen gleich mit.
Schroeder: … sondern sie hätten es gleichzeitig geschafft – genau –, dass jeder so viel dazu zu plappern hat, dass die Partei in den Umfragen direkt um zehn Prozent fällt. Bei der SPD wäre man dann langsam irgendwo angekommen, wo man nicht mehr messbar ist.
Welty: Haben Sie schon mal überlegt, ob Sie den Verkehrsminister in Ihre Quarantäne-Show einladen? Das ist ja das Onlineformat, das Sie schon im ersten Lockdown erfunden haben.
Schroeder: Ja, darüber habe ich schon mal nachgedacht. Ich habe auch mal drüber nachgedacht, ihn in meine Satireshow in die ARD einzuladen, denn wir haben jetzt im Februar wieder drei Sendungen, und ich habe schon gedacht, vielleicht kommt der mal zu uns und sagt mal die Wahrheit. Aber ich sage mal, einer wie Scheuer weiß natürlich auch, beim Starkbieranstich irgendwie in der zweiten Reihe zu stehen und zu lächeln, bringt mehr, als zu einem Satiriker ernsthaft in die Sendung zu gehen. Das würde er leider nicht machen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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