Juso-Chef favorisiert Rot-Rot in Mecklenburg-Vorpommern

Sascha Vogt im Gespräch mit Christopher Ricke · 05.09.2011
In Mecklenburg-Vorpommern habe die Linke bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass sie in der Lage sei, mitzuregieren, sagt der Bundesvorsitzende der Jusos, Sascha Vogt. Die Jusos in Mecklenburg-Vorpommern hätten bereits sehr deutlich für eine rot-rote Koalition votiert.
Christopher Ricke: Mecklenburg-Vorpommern hat gewählt, gewonnen hat der, von dem es alle erwartet haben: Erwin Sellering von der SPD mit seiner Partei. Besonders komfortabel jetzt: Die Sozialdemokraten können sich den Koalitionspartner aussuchen - man kann weitermachen mit der CDU, oder man kann es mit der Partei Die Linke versuchen, da hat man ja auch schon Erfahrungen mit der Vorgängerorganisation PDS. Sascha Vogt ist der Juso-Bundesvorsitzende, guten Morgen, Herr Vogt!

Sascha Vogt: Einen schönen guten Morgen!

Ricke: Jetzt gehört es natürlich dazu, dass man als Bundespolitiker sagt, wir mischen uns nicht ins Land ein und wir werden keine guten Ratschläge geben, aber darüber hinaus, was ist denn für den Juso-Vorsitzenden zumindest strategisch die klügere Wahl?

Vogt: Nein, das hat, wie Sie gerade sagen – das ist eine Sache, die auf der Landesebene entschieden werden muss. Wir haben immer gesagt, dass Koalitionen mit der Linkspartei nicht ausgeschlossen werden dürfen, sondern dass man das von Fall zu Fall entscheiden muss. Und ich glaube, gerade in Mecklenburg-Vorpommern hat die Partei Die Linke ja in der Vergangenheit gezeigt, dass sie in der Lage ist, mitzuregieren, man hat das ja schon gemacht. Die Jusos in Mecklenburg-Vorpommern haben sich gestern sehr deutlich für eine rot-rote Koalition ausgesprochen, und ich sehe keinen Anlass, dem zu widersprechen.

Ricke: In den letzten Wochen hat die Partei Die Linke ja einige Schlagzeilen gemacht – wem können Sie denn eher zustimmen: dem Glückwunschschreiben an Fidel Castro oder dem Gerede über die Mauer als logische Folge?

Vogt: Beidem natürlich nicht, wir distanzieren uns von beidem. Wir stehen für eine linke Politik, und linke Politik heißt auch, dass man für Freiheit, für Demokratie und gerade auch für Menschenrechte ist. Ich glaube, die Linkspartei im Bund hat einiges zu klären in der nächsten Zeit, wie sie genau zu diesen Grundwerten steht – wir stehen dafür. Ich glaube aber, dass in Mecklenburg-Vorpommern die überwiegende Mehrheit da ein geklärtes Verhältnis hat, also zumindest das, was mir berichtet wurde, aber genau deswegen sagen wir ja, das muss auf der Landesebene geklärt werden, weil die Linkspartei ist momentan ein sehr heterogener, ein sehr unterschiedlicher Haufen, und da ist jeder Landesverband anders. In einigen gibt es da sicherlich Probleme, in anderen ist das möglich, und dementsprechend sollte das vor Ort entschieden werden.

Ricke: Was berichten denn die Juso-Kollegen aus Berlin, wo in zwei Wochen gewählt wird, wo es ja Rot-Rot gibt – soll das so weitergehen?

Vogt: Bislang hat die Regierung in Berlin erfolgreich zusammengearbeitet. Nun muss man einfach schauen, was da für ein Wahlergebnis am Ende bei rauskommt, welche Koalitionsoptionen da möglich sind. Ich glaube, es ist sinnvoll, vor der Wahl sich die Option offenzuhalten und dafür zu kämpfen, dass die SPD ein starkes Ergebnis erzielt, um dann möglichst viel sozialdemokratische Politik zu machen. Bei uns geht es ja nicht darum, möglichst auf irgendeine Koalition zuzusteuern, sondern uns geht es darum, die Inhalte, für die wir im Wahlkampf stehen, dann hinterher auch umzusetzen, und dann ergeben sich daraus auch Koalitionen.

Ricke: In Mecklenburg-Vorpommern ist die NPD wieder im Parlament, sie ist nicht so stark wie das letzte Mal, und das schreiben viele durchaus den Jusos in Mecklenburg-Vorpommern zu und der Aktion Storch Heinar. Kurz erklärt: Das ist ein depperter Storch mit Stahlhelm, Scheitel und Hitlerbärtchen, und Storch Heinar spielt mit der Modemarke Thor Steinar, die bei Rechtsextremisten sehr beliebt ist. Wie sehen Sie denn aus Bundessicht diese Storch-Heinar-Aktion der Jusos in Meck-Pomm?

Vogt: Die Jusos stehen prinzipiell für ein konsequentes Vorgehen gegen Nazis, auch mit kreativen Aktionen. Ich fand das eine sehr kreative Aktion, eine sehr gelungene Aktion, und ich glaube eben auch, dass sie dazu beigetragen hat, dass die NPD viele Stimmen verloren hat. Leider hat es am Ende nicht ganz geklappt, sie aus dem Landtag rauszuhalten, das heißt auch, dass der Kampf jetzt nicht einfach aufhören darf, sondern weitergeführt werden muss. Aber genau mit solchen kreativen Aktionen auch gewinnt man auch Menschen dafür, dass sie sich auch kritisch damit auseinandersetzen, was für ein Unsinn und was für ein menschenverachtendes Bild die Nazis da verbreiten.

Ricke: Das Werkzeug der Satire ist ja ein eher intellektuelles, und es ist eines, das man entweder mit geballter Faust in der linken Hosentasche führen kann oder mit einem Schmunzeln. Wie sehen es denn die Jusos?

Vogt: Ich glaube, es gehört immer beides mit dazu. Wenn man so ein satirisches Element mit reinbringt, heißt das ja nicht, dass man die ganze Sache nicht ernst nimmt, ich glaube, davor ist man gefeit. Es heißt aber, dass man eben verschiedene Mittel mit verschiedenen Methoden anwendet, um sich mit der Problematik auseinanderzusetzen, um damit auch möglichst viele Ansprechmöglichkeiten zu haben.

Ricke: Herr Vogt, es gab ein Mobilisierungsproblem in Mecklenburg-Vorpommern, das gilt für alle Parteien. Es gibt eine Zahl, die kann keinen zufriedenstellen, das ist die Wahlbeteiligung: 52 Prozent, das ist schon ziemlich bitter. Warum gelingt es denn nicht, die Wähler zu mobilisieren? Ihre Aufgabe wäre es ja gewesen, mehr Power bei den Jungwählern zu machen.

Vogt: Das ist in der Tat desaströs, diese geringe Wahlbeteiligung. Ich kenne jetzt noch nicht die genauen Zahlen, was die jungen Wählerinnen und Wähler angeht, ich gehe aber mal davon aus, dass sie im Schnitt lagen, was die Wahlbeteiligung anging. Ich glaube, wir haben es im Moment insgesamt zu tun mit einer Frustration, was die Demokratie angeht, und das ist eines der zentralen Projekte, dem sich die SPD jetzt annehmen muss, indem sie eben deutlich macht, dass es Sinn macht, sich politisch zu engagieren. Dazu gehört zum Beispiel, dass man klare Alternativen aufzeigt und sagt, Demokratie besteht eben nicht aus dem Einheitsbrei, sondern eben auch daraus, unterschiedliche Positionen kontrovers zu diskutieren und zum Beispiel auch in der derzeitigen Eurokrise unterschiedliche Möglichkeiten, unterschiedliche Wege aufzuzeigen und nicht nur staatstragend zu sagen, das ist jetzt das einzig richtige Weg und wer den nicht macht, ist dumm.

Ricke: Unterschreiben Sie die These, wer nicht wählen geht, darf hinterher nicht meckern?

Vogt: Ich sehe es als Pflicht an, sagen wir mal, sodass man zur Wahl hingeht. Ich kann nachvollziehen oder es ist nachvollziehbar, wenn es Personen gibt, die sagen, ich kann mich für keine der antretenden Parteien entscheiden. Da kann man aber zumindest mal zur Wahl hingehen und einen Stimmzettel durchkreuzen. Bei den Leuten, die dann politisch entscheiden, bedeuten ja Leute, die nicht zur Wahl gehen, dann anscheinend mangelndes Interesse, und da kann man dann in der Tat schnell das Gefühl bekommen, na ja, wer dann irgendwie nicht hingeht, soll dann auch nicht meckern. Deswegen halte ich es immer für sinnvoller hinzugehen, und wenn man sich schon für niemanden entscheiden kann, dann den Stimmzettel ungültig zu machen, das ist dann ein deutlicheres Signal.

Ricke: Sascha Vogt, er ist der Juso-Bundesvorsitzende – vielen Dank, Herr Vogt!

Vogt: Danke auch!


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