Junge Nachrichtenportale: "Buzzfeed", "Vice" und Co.

Knallig, emotional – und gut recherchiert

08:33 Minuten
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Die Gründungs-Chefredakteurin von BuzzFeed Deutschland Juliane Leopold © picture alliance / dpa / Malte Christians
Von Daniel Bouhs · 04.08.2018
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Clickbait, zu deutsch "Klickköder", steht für reißerische Überschriften und hohe Zugriffszahlen um jeden Preis - Qualitätsjournalismus dagegen für sorgfältige Recherchen. Auf Portalen wie "Buzzfeed" wird beides kombiniert. Ein Widerspruch?
"25 Dinge, die Dir nur in Berlin in der Bahn passieren können": Als das US-Portal "Buzzfeed" in Deutschland online ging, ist es mit reißerischen Überschriften wie dieser bekannt geworden. Neuerdings fällt "Buzzfeed" aber auch mit Recherchen auf – die genauso verpackt sind: "18 Horror-Storys von Leuten, die sexuelle Belästigung in der Pflege erlebt haben" oder "34 Menschen, die bewegende Geschichten über Alltagsrassismus in Deutschland erzählen".

Diese Geschichten sind einer neuen Sparte zu verdanken: Neben der Redaktion für "Buntes" hat "Buzzfeed" in Deutschland nach dem Vorbild in den USA und Großbritannien in Berlin ein zweites Team aufgebaut. Diese "News"-Redaktion soll mit exklusiven Recherchen punkten.
Beide Teams gehen enorm strategisch vor und setzen vor allem auf die Mittel des Boulevards: Jede Überschrift soll den Leser "anfixen". Oft sind die Einträge keine ausführlichen Texte, wie man es von etablierten Nachrichtenportalen wie "Spiegel Online" kennt. Manche Beiträge sind nur Auszüge aus sozialen Netzwerken, garniert mit kleinen Textfetzen der Redaktion.

Klicks generieren

Zudem spielt "Buzzfeed" mit Klischees, zum Beispiel in der Geschichte "23 Gründe, niemals nach Chemnitz zu fahren – die ödeste Stadt Sachsens". Darin zeigen sie das Gegenteil von dem, was die Überschrift ankündigt: schöne und interessante Sehenswürdigkeiten der Stadt. Die Auswertung der Statistiken zeigte hohe Zugriffszahlen in Chemnitz. Daraufhin hat die Redaktion ähnliche Beiträge über andere Regionen veröffentlicht.

Das Ziel des Portals ist, möglichst viele Klicks zu generieren. Insofern ist der Vorwurf des "Clickbaitings", also die Leser mit reißerischen Überschriften zu "ködern", gerechtfertigt. Das gilt vor allem für die bunten Einträge, den "Buzz". Bei "News" zählt – zumindest offiziell – die Währung "Impact", also Zitate in anderen Medien und politische Reaktionen.

Diese "Wirkung" hatte eine Recherche über die unwürdigen Lebensbedingungen und Vergewaltigungen von Erntehelferinnen auf spanischen Feldern. Der Discounter Aldi hat daraufhin Obst von den betroffenen Plantagen aus dem Sortiment genommen, in Spanien gab es Demonstrationen und das spanische Parlament hat sich mit dem Thema beschäftigt.

Leicht konsumierbare Videos

An diesem Thema erkennt man gut, wie strategisch das Portal an die Recherchen herangeht: Die Redaktion besetzt gezielt Nischen und Themen, die andere Redaktionen nur sporadisch abdecken. Den Beitrag über die Erntehelferinnen hat eine deutsche Journalistin recherchiert, die für "Buzzfeed" als Reporterin für "Politik und sexualisierte Gewalt" arbeitet. Daneben gibt es eine Kollegin für LGBT. Ein anderer Kollege recherchiert zu Grund- und Freiheitsrechten, etwa geplanten strengeren Polizeigesetzen.

Damit sie möglichst viele Nutzer erreichen, verpacken sie ihre Geschichten boulevardesk mit Überschriften wie "Diese Frau hilft seit 2016 zwei Flüchtlingen und ihr Rückblick ist herzzerreißend und bitter zugleich". Dazu gehören auch Spiele wie das Quiz "Gehst du den Falschnachrichten und Fakes des Juli 2018 auf den Leim?".

"Buzzfeed" setzt zudem auf leicht konsumierbare Videos, die thematisch aber oft anspruchsvoll sind. Gerade hat die Redaktion einen Clip in den sozialen Netzwerken verteilt mit dem Spruch: "Wir alle sollten hören, was dieser Seenotretter zu sagen hat!". Darin kam die Frage vor, wie er damit umgeht, dass er auf dem Mittelmeer nicht jeden Flüchtling retten kann.
Mechanismen des Boulevards als Vehikel
Lässt sich das "Boulevardeske" mit seinen eigenen Mitteln schlagen? Indem mit Boulevard-Mitteln harter Journalismus gemacht wird? Wenn man so will, dann sind die Mechanismen des Boulevards in diesem Fall das Vehikel für den Journalismus. Das ist gerade für die Verbreitung in den sozialen Netzwerken geeignet, wo es meist witzig oder emotional zu geht.
Diese Strategie fahren längst auch andere Portale. "Vice" etwa, das ebenfalls Recherchen in Emotionen wickelt. Oder die jungen Ableger von "Spiegel" und "Zeit", also "Bento" und "Ze.tt", und "Watson", das T-Online neulich für junge Leser gestartet hat.

"Buzzfeed" behauptet: 80 Prozent seiner Leser sind unter 35 Jahren. Die Seite erreicht angeblich "jeden Monat 64 Prozent aller Millennials in Deutschland" – mit Klamauk aus dem Netz, aber inzwischen eben auch mit harten Recherchen, wie sie auch – etwas nüchterner präsentiert – beispielsweise im "Spiegel" stehen könnten.

Doch finden sich auch "härtere" Geschichten mit nüchternen Überschriften auf "Buzzfeed". Es sieht so aus, als würden sich beide Seiten aufeinander zubewegen.
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