Junge Musiker dringend gesucht

Von Brigitte Lehnhoff · 01.09.2012
Posaunenchöre gelten immer noch als typisch evangelisch, ihr Image ist jedoch zwiespältig: Für die einen sind sie der hörbare Glanz des Himmels, andere meinen, Posaunenchöre seien zu laut, überaltert - und einfach unprofessionell. Eine Hörprobe im Osnabrücker Land.
"Auch wenn ich mich jetzt unbeliebt mache, aber der Bass schleppt schon. – Gelächter. - Meine Hände sind zu schnell für Euer Tempo?! Können wir noch mal, ja? Ohne zu schleppen im Bass, ja?"

Die Evangelische Matthäus-Gemeinde in Hunteburg im Osnabrücker Land. Wie jeden Dienstagabend probt der Posaunenchor im Gemeindesaal. 24 Bläser sitzen im Halbkreis, Männer und Frauen, Jungen und Mädchen, der Jüngste zwölf, der Älteste siebzig. Zu den Jüngeren, die schon länger dabei sind, gehören diese drei:

"Ich bin Sebastian Kröger, 19 Jahre alt und ich spiele seit 13 Jahren Trompete in dem Posaunenchor in Hunteburg."

"Ich bin Julia Schröder, ich bin 18 Jahre alt, ja, ich spiele schon seit bestimmt zwölf, dreizehn Jahren Trompete."

"Ich bin Lukas Winter, bin 15 Jahre alt und spiele seit ungefähr acht Jahren ein Instrument, eine Posaune."

Im Posaunenchor spielen heißt für die drei Schüler: pro Jahr etwa 80 Termine für Proben, besondere Gottesdienste und Feiern in der Gemeinde. Hinzu kommen für Sebastian, Julia und Lukas drei Probenwochenenden mit dem Landesjugendposaunenchor, einem Auswahlchor der Hannoverschen Landeskirche.

Julia: "Also man hat natürlich so eine Art alltägliche Routine im Posaunenchor Hunteburg und dazu kommt eben das, was man sozusagen noch verfeinert im Landesjugendposaunenchor. Da wird dann auch mal mehrere Stunden lang an gewissen Dingen einfach nur geübt und dann wird daran gearbeitet und das, finde ich, macht das Ganze so faszinierend und interessant, dass man eben sieht, dass man über dieses Wochenende schon sich verbessert hat oder dass man etwas erreicht hat."

Ulf Pankoke: "Wir merken, wenn wir kein Angebot für die Jugendlichen schaffen, die besser, die auf einem höheren Niveau spielen, dann wandern die ab, dann suchen die sich Angebote außerhalb der Kirche und dann sind die für uns nicht mehr greifbar, verfügbar, befruchten die Arbeit nicht weiter. Und wenn wir für die ein Angebot schaffen, nehmen die das dankbar auf, bleiben dieser Arbeit auch verbunden, leiten vielleicht selbst irgendwann mal einen Chor und bilden andere Bläser aus und so weiter. Und dafür ist ein Angebot auf einem hohen Niveau auch wichtig."

Ulf Pankoke ist studierter Musikpädagoge und in der Hannoverschen Landeskirche einer von sieben hauptamtlichen Landesposaunenwarten. Deren Aufgabe ist es, die Laienchöre in ihrer Region professionell zu begleiten, mit besonderen Probentagen etwa oder mit Wochenendseminaren. Den Chor für besonders begabte Jugendliche hat Pankoke vor drei Jahren mitgegründet.

Nach jedem der drei Probenwochenenden, für das die Jugendlichen auch zu Hause üben müssen, gibt der Landesjugendposaunenchor ein öffentliches Konzert. Dieses Mal in der St.-Johannis-Kirche in Lüchow. Gerade mal eine gute Stunde bleibt vorher Zeit, die Stücke für Bläser und Orgel gemeinsam mit Kreiskantor Axel Fischer zu proben.

Nach einer Stunde Programm mit Kompositionen aus Barock, Klassik und Moderne gibt es Beifall und Begeisterung.

"Die machen das ganz großartig. Das war eine ganz große Freude, das zu hören und wie differenziert die musizieren, das ist schon große Klasse."

"Ich bin begeistert. Ich habe früher selber Posaune gespielt und ich weiß, wie anstrengend das ist und wie viel Übung dazu gehört, das hinzukriegen, so ein tolles Orchester gemeinsam zu machen aus verschiedenen Posaunenchören und dann noch gemeinsam mit der Orgel - war schon eine tolle Leistung."

Die Gefühlslage der jungen Musiker bringt der 15-jährige Lukas auf den Punkt:

"Es ist mir eine Last von den Schultern gefallen, ich zittere noch, das ist bei mir immer so, und das ist einfach ein tolles Gefühl, wenn man hier steht und sieht, dass so eine Resonanz von diesem Publikum kommt."

Viel Zeit bleibt nicht, um die Glücksgefühle auszukosten. Denn am Dienstag geht es im heimischen Posaunenchor in Hunteburg weiter mit dem Probenalltag. In den sind die 18-jährige Julia und der 19-jährige Sebastian fest eingebunden.

Sie unterstützen den Chorleiter dabei, Nachwuchs auszubilden. Heilfroh über dieses Engagement ist auch Christian Fuchs, Landesposaunenwort im Bezirk Osnabrück.

"Zu den stärker werdenden Schwierigkeiten in der heutigen Zeit gehört mit Sicherheit, dass sich viele Menschen nicht mehr so verbindlich an eine Institution binden möchten und auch weniger Verantwortung übernehmen möchten. Das heißt, dass es immer schwieriger wird für Posaunenchöre und für uns als Landesposaunenwarte, Chorleiternachwuchs zu finden, möglichst junge Menschen, die sich bereit erklären, eine Ausbildung zu machen, um dann Verantwortung für eine Gemeindegruppe zu übernehmen."

Ein Nachwuchsproblem gibt es nicht nur bei den Ausbildern. Um Kinder überhaupt noch für den kirchlichen Posaunenchor begeistern zu können, beginnen Chorleiter inzwischen früh mit der Werbung, nämlich in der Grundschule in den dritten und vierten Klassen. Schuld daran ist die Ganztagsschule.

Fuchs: "Heutzutage ist es immer schwieriger, auch in den Terminkalender der Kinder hineinzukommen und deswegen versuchen wir, die Kinder möglichst früh zu erreichen."

Und dann kommt es darauf an, sagt Sebastian, die jungen Bläser so zu motivieren, dass sie die Gratwanderung zwischen Lust und Frust durchhalten.

"Wenn man nicht übt, dann klappt's nicht. Wenn's nicht klappt, dann macht's keinen Spaß. Und wenn man übt, dann klappt's, dann macht's auch Spaß."
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