Jung, kein Geld, aber eine Idee

15.05.2009
Wer sich erfolgreich als Unternehmer behaupten will, braucht mehr als eine gute Geschäftsidee. Denn zum unternehmerischen Alltag gehört mehr als das Entdecken einer Marktlücke. Die Potsdamer Agentur Enterprise greift jungen Unternehmern seit mehreren Jahren unter die Arme.
Kunde: "Was ist denn das hier?"
Tanja: "Das hier ist salzige Muskatnuss. Können Sie gerne mal probieren ..."

Tanja Hofmann lächelt dem Kunden aufmunternd zu. Der junge Mann senkt den Kopf. Betrachtet das Angebot in der Glasvitrine: Gut ein Dutzend Pralinensorten.

"Zweimal Balsamico … okay, habe ich, dann zwei Ingwerwürfel bitte, zweimal Viamonchello."

Tanja Hofmann greift mit der Zange Praline für Praline. Bugsiert sie vorsichtig in eine Pappschachtel.

"Wir haben insgesamt schon über 80 Sorten. Und dadurch hat sich so ein Rotationsprinzip eingestellt, dass es jede Woche wieder was anderes gibt. Und auf Wunsch wird natürlich die Lieblingspraline auch gefertigt für die nächste Woche."

Pralinen handgemacht. Jeden Morgen neu. Jede Woche ein anderes Angebot. In einem kleinen Cafe. Am Rande der Potsdamer Innenstadt. Das ist die Geschäftsidee, die vor etwas mehr als einem Jahr entstand. Da griff Tanja Hoffmann zum Telefon. Und rief ihre Freundin Franziska Tölcke an.

"Franziska, ich weiß, wie wir unsere Pralinen vermarkten, wir machen einfach einen Laden auf. Das war zu dem Zeitpunkt, wo Tanja gerade mit ihrem Studium abgeschlossen hatte und ich in der Arbeitslosigkeit hing für eine Weile."

Franziska Tölcke hat Malerei studiert, Tanja Hoffman Erwachsenenbildung, Ethnologie und Niederlandistik. Pralinen hatten die beiden schon öfter hergestellt. Immer zu Weihnachten. Als Geschenk für Freunde und Verwandte. Vom Weihnachtspräsent zur Geschäftsgrundlage. Tanjas Eltern waren von der Pralinen- Idee überhaupt nicht begeistert.

"Die sind selbst selbständig. Sie haben das natürlich gleich alles kritischer gesehen, was dazu gehört. Und die Aufopferung, und ob das am Ende lohnt. Und waren glaube ich auch ein bisschen enttäuscht, dass ich vom Studium in einen Laden wandere und nicht an der Uni bleibe, das hat sie auch irritiert. Jetzt willst Du hinter dem Tresen stehen, dein ganzes restliches Leben lang."

Doch die beiden Mittzwanzigerin ließen sich nicht beirren. Glaubten weiter an ihre Idee vom süßen Geschäft. Sie recherchierten im Internet. Und landeten auf der Homepage des Vereins "Enterprise". Da lasen sie: "Chefsessel sucht Powerfrau". Und: "Enterprise sucht junge Menschen auf dem Weg in die Selbständigkeit".

"Und dann ging es eigentlich auch schon gleich los. Ein paar Wochen später hat das Telefon schon bei Enterprise geklingelt. Da waren, glaube ich, trotzdem keine zwei Wochen dazwischen."

Im Potsdamer Enterprise-Büro klingelt das Mobiltelefon von Angelika Wickboldt. Die Mittfünfzigerin eilt den kurzen Flur entlang. Steuert auf die hinterste Tür zu. Darauf steht "Inkubator".

"Ein Brutkasten für Existenzgründer nicht für Babys, sondern für Existenzgründer. Und da gehen wir jetzt mal rein, lassen wir uns mal ein bisschen brüten."

Moderne Schreibtische. Computer, Flachbildschirme, Drucker. Hier recherchieren die Gründer in spe. Versuchen ihre Geschäftsideen zu vertiefen. Die Nachfrage auszuloten, Werbekonzepte zu erarbeiten, Kosten zu kalkulieren. All das nachdem sie sich ausführlich mit Angelika Wickboldt unterhalten haben.

"Sie kommen rein und sagen: Ich habe eine Idee. Und ich sage dann: Was ist das für eine Idee? Und dann sagen die jungen Leute: Eigentlich eine langweilige. Das ist eigentlich die erste Reaktion. Und dann sage ich: Ich finde die eigentlich gar nicht langweilig. Auch eine Idee als mobile Friseurin kann genauso spannend sein, wie jemand der im Land Brandenburg eine Delphinzuchtanlage aufbauen wollen würde, ja. Aber so eine Idee hatte ich aber noch nicht."

Vor knapp zehn Jahren starteten Angelika Wickboldt und ihre Kollegen das Enterprise-Projekt. Entwickelt von dem Berliner Beratungsbüro, IQ-Consult, das sich auf soziale Wirtschafts- und Unternehmensberatung spezialisiert hat.

"Als das Projekt entstanden ist, haben wir uns gesagt: Oooh, die anderen großen Startups, die großen Gründer, also auch die die viel Geld mitbringen oder Geld von der Bank bekommen, die haben Anlaufstellen, wie gesagt, IHK, Handwerkskammer, Lotsendienst, aber es geht um die die nichts haben, weder eigenes Kapital, nicht eigene Sicherheiten, die gerade mal aus der Schule raus sind, ihr Studium beendet haben."

Jung, kein Geld, doch ne Idee. Das ist die Zielgruppe. Ob Uni-Absolventen ohne Job oder Auszubildende ohne Anschlussverträge. Wer Brandenburger und unter 27 Jahre alt ist, dem kann Enterprise beim Geschäftsstart helfen. Finanziell unterstützt wird das Projekt vom Europäischen Sozialfond und dem brandenburgischen Wirtschaftsministerium.

"Sie kommen hierher und sagen: Ich war bei der Bank oder bei der Hausbank meiner Mutter und ich habe keine Chance finanzielle Mittel kreditiert zu bekommen, weil ich eben keine Sicherheiten und kein Eigenkapital haben. Und die Banken, da brauche ich bloß zu sagen, ich brauche 5000 Euro, die sagen dann zu mir: Das sind Peanuts für uns, also wir haben keine Chance ihnen einen Kredit auszureichen. Und wir haben natürlich diese Mikrofinanzierungsstrecken."

Ein eigenes Klein-Kreditsystem entwickelt für kapitalschwache Junggründer.. Die Grundidee kommt ursprünglich aus der Entwicklungshilfe: Dass Kleinkredite, gebunden an geprüfte Geschäftsideen, auch ohne Sicherheiten ausgegeben werden können. Und am Ende Unternehmen und Gesellschaft profitieren

"Bei uns kann dann auch schon mal jemand einen kleinen Eintrag haben in der Schufa. Weil er mit 17 eine Telefonrechnung nicht pünktlich bezahlt hat, das wäre nicht ganz so tragisch, da würde dann auch unsere Bank, die uns den Kredit zur Verfügung stellt, dann mal ein Auge zudrücken. Oder wir sagen: Du brauchst keine Sicherheiten, Du brauchst das Haus von Oma nicht verkaufen, uns reicht deine Unterschrift. Wir kontrollieren dann jeden Monat die wirtschaftliche Situation."

Fünf Prozent Zinsen zahlt jeder Gründer pro Jahr. Innerhalb von vier Jahren soll der Kredit zurückgezahlt werden. Um das Ausfallrisiko für die Bank gering zu halten, ist jeder Kredit über eine Stiftung abgesichert. Ein Mini-Sicherungsfond, von dem die Gründer in spe allerdings nur im Ernstfall etwas mitbekommen:

"Wenn wirklich, auch gesundheitliche Gründe vorliegen, wir hatten eine Gründerin, die an Krebs erkrankt ist, dann sagen wir, wir lassen sie nicht in die Überschuldung, da gibt es ja den Sicherheitsfond, dann ziehen wir die Gründerin da raus und sagen okay, die Restschuld wird erlassen. Aber das sind sehr, sehr seltenen Fälle, aber wir hatten die auch schon."

Doch die günstigen Kredit-Konditionen sind nur ein Baustein des Enterprise-Konzeptes. Mindestens ebenso wichtig ist die intensive Beratung, die spätere Begleitung. Und vor allem: Die altersgerechte Ansprache:

"Ich merke das, wenn die Gründer zu uns kommen, die sagen: Oha, kein Amt, keine Behörde, das ist ja eine Gründerwerkstatt, also das sehen sie sofort, die kommen hier rein, die Atmosphäre gefällt ihnen, die können ganz entspannt mit uns sprechen, die sind überhaupt nicht verkrampft."

Denn die jungen Gründer brauchen vor allem eins: soziale und mentale Unterstützung. Das Zuhören steht an erster Stelle.

"Wir sprechen gleich an: Wie geht es zu Hause, was macht die Familie, haben Sie Kinder? Also wir sprechen auch die persönlichen Seiten an, was vielleicht bei der IHK nicht so ganz im Vordergrund steht. Da steht mehr die Idee, die bei uns natürlich auch wichtig, aber wir haben den sozialen Aspekt, der ist uns in Fleisch und Blut übergegangen, weil wir das schon zehn Jahre machen."

Egal ob Fußpflegerin oder Fahrradkurier, Punk-Baby-Bekleidungs-Designerin oder Pralinen-Produzenten – wer sich mit einer Geschäftsidee bei Angelika Wickboldt und ihren Kollegen meldet, durchläuft das Enterprise-Programm. Marktanalyse, Kostenrechnung, Marketing – Schritt für Schritt wird die Idee zusammen mit den Beratern bis zur Umsetzung weiterentwickelt. Das kann mal zwei Monate dauern, mal ein halbes Jahr.

"Also die Vorbereitungsphase ist ja eigentlich sehr durchgestylt, sehr durchgeplant, es gibt einen Gründungsfahrplan von den ersten Gesprächen her, über die ersten Etappen, Module, die wir abarbeiten müssen. So. Und dann ist der Tag x da. Und dann kommt man mit der Steuernummer und Gewerbegenehmigung. Und sag: So, jetzt starte ich. Gibt es eine schicke Eröffnungsveranstaltung. Und dann beginnt der eigentliche Stress des Lebens, der richtige Unternehmerstress."

"Ich habe eigentlich alles in Anspruch genommen, was man da in Anspruch nehmen konnte. Also Angelika Wickboldt war da schon so eine seelische Stütze kann man sagen, das war auch schon ganz wichtig, weil ich auch in der Gründungsphase, die ja auch ein halbes oder Dreivierteljahr gedauert hat, bei jedem Hoch und Tief dabei gewesen war. Und immer das tröstende Wort gefunden hat."

Sagt Patrick Baron. Und grinst. Der Endzwanziger sitzt in Kleinmachnow, in einem Mehrfamilienhaus im Arbeitszimmer. Katze Neo streicht um den Schreibtisch. Patrick Baron ist einer der ältesten Jungunternehmer aus dem Enterprise-Programm.

"Die Grundidee war schon IT-Service, aber das war damals zu der Zeit 2003 das Wort IT mehr oder weniger noch ein Fremdwort, das haben viele Leute nicht verstanden, gerade an unserem Ladengeschäft wo ganz fett IT-Service und Webdesign draufstand konnte, sich keiner ein wirkliches Bild darunter vorstellen. Zeitgemäßer wäre damals wahrscheinlich EDV gewesen. Aber wir wollten uns schon für die Zukunft benennen."

Vor etwas mehr als fünf Jahren war das. Der gelernte Systemelektroniker und Fachinformatiker gründet – unterstützt von den Enterprise-Beratern - zusammen mit einem Freund die Netrix GmbH. Eröffnet ein Ladengeschäft in Kleinmachnow

"Am Anfang war man hat so ein bisschen größenwahnsinnig, dann holt man dies und jenes und denkt man kriegt gleich vom ersten Tag an zehn Kunden, wie auch immer, dementsprechend ist auch alles ausgelegt auf diesen Ansturm, der natürlich nicht sofort stattfindet und später auch nicht immer da ist."

Lehrgeld. Aus den Anfangsjahren. Zu schnell, zu groß. Hinzu kommt die schlechte Zahlungsmoral der Kundschaft:

"So kam es dann halt, das wir schon nach einem ersten halben Jahr grenzwertig gelebt haben, das hat sich dann nach einem weiteren halben Jahr glücklicherweise wieder halbwegs harmonisiert, ist dann aber über die Jahre, es kam eigentlich immer zum Jahresende war es immer eine schwierige Phase halt, da haben die Kunden natürlich lieber das Geld für ihre Weihnachtsgeschenke ausgegeben als ihre Rechnung zu bezahlen."

Die Netrix-Gründer müssen reagieren. Reduzieren ihre festen Kosten. Kündigen ihr Ladengeschäft.

"Von daher war schon sparen eine große Strategie von uns. Also unnötige Kosten sind wirklich weggefallen im Laufe der Zeit. Von den Angestellten, ursprünglich waren wir nicht ganz zwei, ursprünglich waren wir sogar mal fünf gewesen, bevor es offiziell wurde … mittlerweile sind wir zu dritt, wir haben noch eine kaufmännische Kraft, die für uns tätig ist, sonst arbeiten wir mit Freiberuflern zusammen, nach Bedarf halt."

Und der ändert sich ständig. Die Dienstleistungen rund um den Computer reichen heute von der Programm-Installation über die Netzwerkpflege bis zum Webdesign.

"Das ist jetzt hier eine Flash-Seite von der Star-Community, die veranstalten so Partys, kann man sich genauer gucken, so unter Star-Community. Da stellen sich die DJs vor und machen dort Partys, die Seite selber ist halt mehr auf Action getrimmt, also mit Animationen."

"Auch eine sehr schöne Site, die wir gestaltet haben, ist für den Sportangelverein Teltow Rübchen eV,. Das ist ein lokaler Fischerverein aus der Region, relativ schlicht wieder gestaltet aber trotzdem anspruchsvoll, dort können sie ihre eigene Termine veröffentlichen und eigenen News, haben dort auch einen Bereich, wo sie ihren Fisch des Monats vorstellen können."

Mal DJ-Flash, mal Fisch des Monats. Ob hipper Hauptstadtclub oder Teltower Angelverein – Patrick Baron und sein Kompagnon programmieren und designen. Gut 700 Kunden haben sie heute in der Datei, von der Hausfrau bis zum mittelständischen Betrieb, sagt der Jungunternehmer. Das Geschäft läuft. Der Sparkurs hat sich ausgezahlt. Und auch die oft versteckten Kosten lassen sich mittlerweile beziffern.

"IHK zum Beispiel, das ist einer meiner größte Freunde, die einen gleich zwangsmäßig einen einmitgliedschaften, dann Bundesanzeiger, mittlerweile neu ins Rennen gekommen, der Geld abkassiert. Wenn man jetzt einen Online-Shop hat, dann muss man für die Verpackungsverordnung eine Gebühr bezahlen. Es sind einfach Gebühren und Gebühren, die sich im Jahr ganz schön summieren, an die man auch nicht so gleich denkt, wo man sich auch nicht so rauswinden kann ohne Probleme."

Erfahrungswerte. Für die ersten Enterprise-Gründer. Patrick Baron macht daraus kein Geschäftsgeheimnis. Im Gegenteil. Er tauscht sich mit anderen Junggründern aus, manchmal schafft er es sogar zu einem ihrer Stammtische.

"Wenn es gut läuft, fühlt man sich gut, wenn es schlecht läuft, fühlt man sich schlecht, man ist schon ein bisschen gefangen da drinnen und im Großen und Ganzen macht es natürlich Spaß. Das ist quasi wie so eine Hassliebe kann man sagen, man kann nicht mit und ohne, so wie sich manchmal ein normaler Mann über eine Frau ärgert, dass er nicht mit ihr kann und auch nicht ohne, ist es mit der Selbständigkeit ähnlich."

Und da ist es gut, eine Bezugsperson zu haben. Die zuhören kann. Die das Unternehmen Selbständigkeit kennt. Zum Beispiel die altgediente Beraterin des jungen Unternehmers: Angelika Wickboldt.

"Ich habe heute auch noch einen guten Kontakt zu Frau Wickboldt und es macht immer wieder Spaß, sich auch mit ihr zu unterhalten und wenn ich Fragen habe, kann ich immer wieder zu ihr kommen, das ist ganz gut."

Angelika Wickboldt zieht einen großen leuchtend orangenen Rollkoffer mit der Aufschrift "nomadic instant" hinter sich her. Stellt ihn in eine Ecke ihres Büros.

"Das ist eine Werbewand, eine Messewand, das ist ein amerikanisches System aus Metall, das spannt man einfach auf und klebt eine Filzwand davor und hätte sofort eine Werbewand für eine Gründermesse … die kann man im Flieger mitnehmen oder im Auto."

Seit zehn Jahre ist sie so auf Tour. Im Flächenland Brandenburg. 300 Kleinunternehmen wurden bis heute gegründet, 70 Prozent sind noch am Markt, das Enterprise-Beratungsmodell wird mittlerweile auch in andere ostdeutsche Bundesländer exportiert. Dort entstanden noch einmal 900 Klein-Unternehmen. In den letzten Jahren hat sich ihre Beratungstätigkeit aber gewandelt, sagt Angelika Wickboldt. Enterprise arbeitet verstärkt im ländlichen Bereich, vor allem im strukturschwachen Norden Brandenburgs.

"Im Norden, also Pritzwalk, Prignitz, OHV, OPR haben wir gemerkt, dass da in der Tat Jugendliche geblieben sind, die schlechte Bildungsabschlüsse haben, die natürlich nicht die Gründerpersönlichkeit darstellen, wie wir sie früher beraten haben. Also die Beratung ist viel kleinteiliger geworden, sie ist viel länger vom Zeitraum her. Wenn ich mir überlege, dass ich früher Gründungen in zwei Monaten geschafft habe, maximal drei, habe ich jetzt Gründungen, wo ich manchmal ein halbes Jahr bis ein Jahr brauche."

Um die Grundlagen zu vermitteln, die "basics" wie Angelika Wickboldt sie nennt. Geschäftsplanung, Marketing, Buchführung zum Beispiel.
In etlichen Fällen musste sie aber auch von einer Selbständigkeit abraten, weil die Vorraussetzungen nicht gegeben waren. Sie zuckt mit den Schultern. Unternehmensgründungen um jeden Preis wird es mit ihr nicht geben. Kontinuierlich verliert das ländliche Brandenburg Einwohner, vor allem die jungen, gut Ausgebildeten gehen. Bis zum Jahr 2030, so die Prognosen der Demographieforscher, wird das Bundesland mehr als 13 Prozent seiner Einwohner verlieren. Ein Trend, gegen den die Enterprise-Berater wenig ausrichten können. Für sie gilt: Jedes neue Unternehmen bindet Menschen in der Region, verhindert eine weitere Entvölkerung.

"Also ich habe einen Bäcker in Marzahn bei Brandenburg, da ist eine Landbäckerei, da hat ein 80-jähriger Bäcker eine Bäckerei aufgegeben, er hörte davon, war in Hannover, machte dort eine Bäckerausbildung und auch nen Job angenommen. Und hörte, dass in seinem Heimatort so eine Bäckerei weitergegeben wird. Ist zurückgekommen, hat sich von uns coachen lassen, beraten lassen, diese Bäckerei läuft sehr, sehr erfolgreich."

Angelika Wickboldt lächelt. Freut sich über den Hoffnungsschimmer. Erzählt dann noch von dem jungen Mann, der gerade in der Nähe von Teltow seine Geschäftsidee umsetzt: Er weckt Bio-Gemüse ein, verkauft die Einmachgläser auf Wochenmärkten. Ein Bäcker, ein Gemüse-Verkäufer. Geschäftsmänner. Wie so oft in Brandenburg Angelika Wickboldt würde sich ein bisschen mehr Frauenpower wünschen.

"Die Frauenquote könnte ein bisschen besser sein, da liegen wir so um die 25 Prozent, da wünschen wir uns ein paar mehr. Klar, die Frauen sind auch sehr angenehme Gründerinnen, weil sie sehr fleißig sind, sehr gewissenhaft, also das Motto Frauen gründen anders, stimmt wirklich, kann ich als Beraterin auch nur bestätigen, bei Männern muss immer alles ruckizucki schnell und möglichst von heute auf morgen gehen."

In der kleinen Potsdamer Pralinenmanufaktur bedient Franziska Tölcke die Kaffeemaschine, Tanja Hofmann wiegt Pralinen aus. Sechs Kunden sitzen an den kleinen weißen Tischen bei Kaffee und Kuchen:

"Wir haben eigentlich versucht, auf kleinster Fläche eine nette Atmosphäre zu schaffen, wir haben eine kleine Küche, in der wir unseren Pralinen herstellen. Jeder kann uns über die Schulter gucken, sich an den Tresen setzen und dabei schauen, wie wir alles kochen und verzieren."

Alles Maßarbeit, alles bis ins Detail geplant. Allerdings: Bis die Innenreinrichtung fertig war, flossen unzähligen Tränen.

"Und zwar hatten wir einen Ladenbauer beauftragt. Leider hat er uns nicht das geliefert, was wir erwartet haben, es war also alles sehr mangelhaft. Und das heißt, wir haben hier plötzlich im Laden gestanden mit einer total mangelhaften Küche, die dann hinterher wieder rausgerissen werden musste."

Ein Tischler aus der Region hat uns gerettet, sagt sie. Pünktlich zur Eröffnung wurde doch noch alles fertig.

Die Tür öffnet sich, Angelika Wickboldt kommt herein, Tanja Hoffmann freut sich, fällt ihr um den Hals.

Wickboldt: "Tanja und Franziska haben ihr erstes Geschäftsjahr nicht überstanden, sondern bestanden, würde ich sagen. Und dazu gibt’s von mir einfach mal ein kleines Geschenk."
Tanja: "Klein ist ja fast schon wieder untertrieben, Angelika."
Wickboldt: "Hast Du Fingernägel?"
Tanja: "Nee, hier kann man auch keine gebrauchen. Hier muss alles kurz und ohne Nagellack und überhaupt."

Tanja nestelt an den Verpackungsschnüren. Angelika Wickboldt nippt an einem Latte Machiatto.

Wickboldt: "Ist kein Businessplan. Vom Format könnte das hinkommen."
Tanja: "Ooo, das sieht ja schön aus. Dankeschön."
Wickboldt: "Und weil ihr selber soviel Schokolade macht, habe ich jetzt mal für euch gekauft eine Anti-Stress-Praline."
Tanja: "Danke schön!"

Ein großes Buch über Schokolade. Und eine Anti-Stress-Praline. Von der Beraterin für die Jungunternehmerinnen.

"Eigentlich ist das so gelaufen, wie wir uns das vorstellen, wir haben uns eine gute Kundschaft erarbeitet, wir sind hier in einer Lage, wo man da auch wirklich als erarbeiten bezeichnen muss, wir sind hier in der Lage, wir sind hier nicht in einer Haupteinkaufsstraße, wo alle zwei Minuten eh jemand reinkommen würde, das klappt alles, aber es geht natürlich immer noch alles größer, besser und weiter."