Julian Voloj/Søren Mosdal: "Basquiat"

Beeindruckende Hommage an einen Ausnahmekünstler

06:18 Minuten
Cover zu "Basquiat"
Der Comic "Basquiat" zeigt die Dynamik, die das Leben des Künstlers ausmachte. © Julian Voloj / Søren Mosdal: "Basquiat"
Von Eva Hepper · 04.08.2020
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Noch immer inspiriert der 1988 mit nur 27 Jahren verstorbene Maler, Musiker, Zeichner und DJ Jean-Michel Basquiat Kunst, Mode und Musik. Eine außergewöhnliche Graphic Novel erzählt sein rasantes Leben im Spiegel seiner Kunst.
Was für eine außergewöhnliche Illustration! Sie zeigt einen eleganten, rauchenden Mann, der einen Bürgersteig entlangschlendert, den Blick nachdenklich nach innen gekehrt. Man sieht ihn im Profil. Eigentlich eine herkömmliche Straßenszene, gäbe es da nicht diesen Schatten, den der Flaneur auf die Hauswand wirft. Er formt eine ganz andere, eigenständige Figur mit seltsamer Grimasse und überlangen Armen.

Die Kunst folgt ihm auf Schritt und Tritt

Tatsächlich handelt es sich bei dem Schatten-Geschöpf um ein berühmt gewordenes Motiv des Künstlers Jean-Michel Basquiat, und der schlendernde Mann ist niemand anderes als der Urheber selbst! Die Botschaft dieser originellen Szene ist eindeutig: Basquiat und seine Kunst sind nicht zu trennen, sie folgt ihm auf Schritt und Tritt.
Julian Voloj und Søren Mosdal haben das starke visuelle Statement als Titelblatt für ihre Graphic Novel gewählt. Autor und Illustrator erzählen darin das kurze Leben und Schaffen (1960-1988) des aus der New Yorker Underground-Szene kommenden und noch heute ungeheuer einflussreichen Künstlers. Als Maler, Musiker und auch als DJ prägte Basquiat die kreative Szene seit Mitte der 1970er-Jahre und sein Markenzeichen – das Sampeln von Worten, Symbolen und Figuren – war visionär.

Rasendes Leben, vibrierende Kunstszene

Julian Voloj nähert sich dem Künstler über wichtige Lebensstationen und erzählt in Vor- und Rückblicken. Bereits auf der ersten Seite sieht man den an einer Überdosis sterbenden Basquiat – neben sich das Drogenbesteck auf dem Bett – im Dialog mit einer seiner Kunstfiguren. Gemeinsam erinnern sich die beiden an Kindheit und Jugend, die frühen Erfolge als Graffitikünstler mit SAMO (gemeinsam mit dem Schulfreund Al Diaz), das erste Eintauchen in die Kunstszene, wichtige Begegnungen mit wegbereitenden Persönlichkeiten und schließlich den kometenhaften Aufstieg zum angesagten Star.
Großartig gelingt es dem Autor, dieses im Vorspultempo rasende Leben und das Vibrierende der Kunstszene der 1980er-Jahre einzufangen. Die Nächte spielen im Kelleratelier der Galeristin Annina Nosei und legendär gewordenen Locations wie dem Mudd Club oder dem CBGB, wo Basquiat Keith Haring, Andy Warhol, Madonna, den Talking Heads und vielen anderen Stars begegnet, während er selbst zu einem wird.

Die Einsamkeit des Künstlers

Stark ist, wie Voloj von der parallel zum Ruhm immer größer werdenden inneren Einsamkeit des afroamerikanischen Künstlers erzählt, von seinen Selbstzweifeln und Identitätsfragen, die von einer zutiefst rassistisch geprägten Gesellschaft befeuert werden, und an denen Basquiat schließlich zugrunde geht.
So klug der Autor die Szenen setzt und mit knappen Dialogen vorantreibt, so kongenial sind die Bilder von Søren Mosdal. Der Illustrator wählt durchweg grelle Farben, krasse Ausschnitte und ungewöhnliche Perspektiven und arrangiert seine Panels oftmals schräg. Dadurch entsteht eben jene Dynamik, die Basquiats Leben ausmachte. Dass zudem auch seine Figuren neben denen von Künstlerkollegen wie Keith Haring oder Kenny Scharf große Auftritte bekommen, zeigt die große Virtuosität des Zeichners.
Eine tolle Hommage!

Julian Voloj/Søren Mosdal: "Basquiat"
Aus dem Englischen von Julian Voloj
Carlsen Verlag, Hamburg 2020
136 Seiten, 20 Euro

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