Jugendsynode im Vatikan

Ruf nach einer transparenten Kirche

Thomas Andonie trifft den Papst
Thomas Andonie trifft den Papst © Foto: Vatican Media
Thomas Andonie im Gespräch mit Christopher Ricke · 07.10.2018
Jung, gläubig, verunsichert: Die Bischofssynode in Rom diskutiert über die Rolle junger Christen in der katholischen Kirche. Thomas Andonie, der Vorsitzende des Bundes der deutschen katholischen Jugend (BDKJ), hofft auf einen Aufbruch.
Christopher Ricke: Wenn in diesen Tagen über die katholische Kirche gesprochen wird, dann ist man schnell beim Thema sexuelle Gewalt, Machtmissbrauch, Vertuschung. Das gilt auch bei der Jugendsynode in Rom, die in dieser Woche begonnen hat. Das eigentliche Thema ist aber "Die Jugendlichen, der Glaube und die Berufungsentscheidung". Also: Wie gibt man Jugendlichen wieder eine Heimat in der Kirche, wie führt man sie an die Kirche heran, wie überzeugt man junge Männer, Priester zu werden? Ich habe mit dem Vorsitzenden des Bundes der Katholischen Jugend, Thomas Andonie, gesprochen. Er gehört zu den theologischen Laien, die an der Synode teilnehmen dürfen und ist mit 27 einer der Jüngsten. Herr Andonie, wie sehr überlagert das Thema sexuelle Gewalt in der Kirche die ersten Tage der Synode?
Thomas Andonie: Also, wir sehen ja, dass das Thema schon auch in den Worten der Bischöfe vorkommt. Wir sehen und wir hören ja auch, dass das viele umtreibt, die jetzt gesprochen haben in den letzten Tagen, und dass man sich da auch noch mal eine klare Richtung wünscht, in die sich die Gesamtkirche entwickelt. Und das ist natürlich auch das, was wir für notwendig erachten als katholische Jugendverbände, dass wir dieses Thema ernst nehmen, weil das sehr stark ist und das Vertrauen in diese Kirche einfach zutiefst erschüttert, wenn man nicht weiß, ob die Kinder und Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die man da der Kirche anvertraut, dort auch sicher sind.

So kann es nicht weitergehen

Ricke: Was haben Sie denn für einen Eindruck, wird da offen und beherzt beraten, wie man sich bessern kann, oder wird da beraten, weil der Druck inzwischen so groß ist?
Andonie: Ich habe in den vielen Statements zumindest wahrgenommen, dass das wirklich ein ehrliches Auseinandersetzen damit ist, dass man sieht, dass das so nicht weitergehen kann, dass das so nicht passt, wie man da Kirche ist. Und dass da wirklich der Blick aus der Perspektive junger Menschen eingenommen wird, was ja auch absolut richtig und wichtig ist, dass man hier die Perspektive nicht einer Kirche hat, die auf die jungen Menschen schaut, sondern überlegt, wie können wir als Kirche denn diese jungen Menschen begleiten auf dem Weg zu ihrem Glauben, wie können wir ihnen da wirklich Begleiterinnen oder Begleiter sein, dass die da auch den Weg finden, und zwar nicht manipulativ, sondern tatsächlich als wirkliche Hilfe, als Stütze, als Beratung, und nicht im Sinne dessen, dass man sie da in eine Richtung drängt. Und da überschattet natürlich auch die Frage der sexualisierten Gewalt immer wieder die Grundsätze, weil man natürlich ein Vertrauensverhältnis aufbauen muss, was nicht möglich ist, wenn man sagt, da liegen einfach so viele Leichen noch im Keller, die müssen erst ausgeräumt werden.
Ricke: Wenn man diese Leichen im Keller, wie Sie es sagen, anschaut, dann sieht man ja ein recht verheerendes Bild. Und viele positiven Seiten, also die Themen Spiritualität, Nächstenliebe, Nachfolge Jesu, die drohen da ja unter die Räder zu kommen. Dann macht noch der Vatikan dazu einen zerstrittenen Eindruck, Kardinäle kämpfen über die Medien gegen den Papst. Wie erleben Sie das denn, wie erlebt denn ein unter 30-jähriger engagierter Laie das, was da momentan im Vatikan passiert?
Andonie: Wir sehen einen großen Veränderungsprozess, und der geht natürlich auch immer mit Reibung einher, und das ist ja auch gut, dass die Hierarchie sich da auseinandersetzt. Die Art und Weise der Kommunikation, da würde ich mir natürlich auch einen glaubwürdigeren Umgang miteinander wünschen. Wenn man von Barmherzigkeit, Liebe, Respekt, dem Zuhören, der Freiheit spricht, dass man da auch gegenseitig auf Augenhöhe einander begegnet und da nicht diskreditierend oder irgendwie persönlich angreifend die Diskussionen führt, sondern ehrlich und beherzt um die Lösungen ringt und nicht um Macht oder um Einfluss. Wir sehen auch, und das ist auch das, was uns bewegt, dass Papst Franziskus die Kirche auf einen synodalen Weg führt, und der ist natürlich mit Reibung verbunden.

Papst Franziskus hat die Bischofskonferenz aufgewertet

Wir spüren, dass die Bischofskonferenz noch mal deutlich aufgewertet wurde, unter Franzsiskus, wir sehen auch die Bischofssynode, dass die noch mal ein starkes beratendes Element hat, dass jetzt auch noch mal ganz neu durch die gerade erst veröffentlichte Synodensatzung auch entsprechend das gesamte Volk Gottes einbezieht und da auch im Prozess davor, im Prozess danach, aber auch während der Synode jetzt entsprechend versucht, die Laien mitzunehmen. Und ich würde mir wünschen, dass dieser Weg weitergeht, das ist ein gutes Zeichen, das Zuhören ist ein erster Schritt auf dem Weg durch die Zeit, aber wenn man auf dem Weg ist, muss man auch einen zweiten Schritt gehen, und das bedeutet, auch die gemeinsame Verantwortung für Kirche zu teilen, also synodal, gemeinsam Kirche sein. Also eben nicht nur Geistliche, sondern alle, die in der Kirche unterwegs sind, Laien, also als Volk Gottes da auch gemeinsam.
Und wir sehen ja auch, dass das viele junge Menschen an dem Verband interessant finden, dass sie hier sagen, ich bin einer und der Priester ist auch einer und gemeinsam entscheiden wir hier. Wir sehen ja, dass das Miteinander sehr gut funktioniert. Wir haben klare Charismen, klare Talente, die verteilt sind. Natürlich hat ein geistlicher Begleiter, sei es eine Pastoralreferentin, ein Priester oder auch ein Gemeindereferent, natürlich haben die entsprechende theologische Qualifikationen und Kompetenzen, die auch total gut sind für die Begleitung, aber wenn es um Entscheidungen geht, werden die gemeinschaftlich getroffen. Und das ist ein Weg, wo ich mir wünsche, dass die Kirche sich hin entwickelt.
Ricke: Jetzt müssen ja auch Generationen überbrückt werden, gerade bei so einer Jugendsynode. Das Durchschnittsalter im Vatikan ist eher höher, deswegen gab es ja eine Vorsynode, eine Umfrage unter jungen Katholiken, der Papst wollte wissen, was junge Menschen bewegt. Wenn Sie jetzt auf die Tagesordnung der kommenden Tage schauen, ist da genügend angekommen?

Am Ende entscheiden die Bischöfe

Andonie: Also, was uns natürlich aufgefallen ist, dass im Instrumentum Laboris, also in diesem Vorbereitungsdokument für die Synode selber, sehr, sehr viele Teile aus dem Vorsynodendokument übernommen wurden, also das, was die jungen Menschen selbst zusammengeschrieben haben. Das, was sie auch gemeinschaftlich, also die jungen Menschen aus der ganzen Welt, die da zusammengekommen sind, plus die sozialen Medien-Gruppen, die da teilgenommen haben, dass das auch einen großen Platz in dem Synodendokument eingenommen hat, das bearbeitet wird. Da würde ich mir wünschen, dass das so weitergeht, also dass dieser Weg weiter beschritten wird.
Wenn man natürlich schaut, entscheiden werden am Ende die Bischöfe, also es ist immer noch eine Bischofssynode mit dem Thema der Jugend. Ich würde mir aber wünschen, dass da die Bischöfe in ihrer Entscheidung auch beherzt berücksichtigen, dass es darum geht, für die jungen Menschen auch eine glaubwürdige Kirche zu signalisieren und auch zu leben, also eine Haltung zu entwickeln, und da gehört auch dazu, dass die Anmerkungen da nicht optional sind, die die jungen Menschen gemacht haben, sondern dass die natürlich auch Maßgabe dafür sind, wie junge Menschen, die ja selber eine tiefe Glaubens- und Lebensexpertise haben, weil sie selber Experten in ihrer Lebens- und Glaubenswelt sind, dass das auch berücksichtigt wird, das würde ich mir sehr wünschen. Und ich hoffe auch, dass das in den Verhandlungen passiert, die AuditorInnen, leider nur 34, die dabei sind, werden dann natürlich auch in den Kleingruppenberatungen aktiv mitarbeiten können und ich hoffe auch dann immer, die anderen auch, genauso wie ich, die Meinung der jungen Menschen, die sie vertreten, da mit einbringen.

Glaubhaft, transparent, offen, ehrlich

Ricke: Sie werden beraten, aber sie werden nicht entscheiden. Und es gibt ja schon das Risiko, dass es nachher heißt, schön, dass wir darüber gesprochen haben, aber wir machen weiter wie bisher. Die Kirche kann ja nicht jedem Zeitgeist hinterherlaufen.
Andonie: Ich glaube, das ist keine Frage von Zeitgeist, ich glaube, das ist eine Frage von den Zeichen der Zeit und auch eine Frage, wie wir glaubwürdig Kirche sind. Wir schauen in das Vorsynodendokument und sehen, junge Menschen wünschen sich eine Kirche, die glaubhaft, glaubwürdig, transparent, offen, ehrlich, kommunikativ und einbeziehend ist. Das ist nichts, was einem Zeitgeist oder einer Mode hinterherrennt, das sieht man ja auch, dass Franziskus das ja auch in seinem Anfangsstatement mal gesagt hat, die Freiheit und das gemeinschaftliche dialogische Miteinander ohne Sprechverbote ist das, was uns als Kirche stark macht und was uns im Glauben zu einer Meinung bringt. Also auch geistliche Haltungen sind natürlich auch aus dem Diskurs oder einer Diskussion entstanden. Und das muss natürlich auch in Kirche gepflegt werden, und ich wünsche mir, dass die Bischöfe auch den Weg finden und zum Beispiel ganz konkreten Forderungen wie einer Jugendkommission im Vatikan, die von jungen Menschen selbst besetzt wird, da auch dementsprechend die Möglichkeit geben zu wirken und das noch nachzuholen, nachdem die Jugendbeteiligung jetzt bei der Synode selber nicht so stark war.

Der Zölibat ist nicht in Stein gemeißelt

Ricke: Wie ist es denn mit den Klassikern der Debatte, also Zölibat, Stellung der Frau in der katholischen Kirche. Es gab ja schon Proteste von Fraueninitiativen, glauben Sie ernsthaft, dass da in irgendeinem Bereich es zu irgendeiner Bewegung kommt, vielleicht beim Zölibat, vielleicht auch mit Blick auf den ausbleibenden Priesternachwuchs?
Andonie: Das würde ich mir auf jeden Fall wünschen. Wir haben ja letzte Woche Papst Franziskus die Anliegen junger Menschen, die sie uns auf Postkarten zugeschickt haben, übergeben, und da ist uns auch sehr, sehr oft genannt worden, dass bei jungen Menschen gerade die Fragen von der Frau in der Kirche, die Frage des Zugangs zu Weihämtern, die Frage des Frauenpriesterinnentums da noch mal ganz stark im Fokus liegen. Aber eben auch, dass man darüber auch sprechen muss, ist der Pflichtzölibat wirklich richtig und notwendig oder hindert das nicht viele an der Berufung. Die Frage ist ja auch immer, wo steht man auch mit seinen Strukturen dem lieben Gott im Weg, dass er wirken kann?
Wenn man da sieht, dass viele junge Menschen sagen, sie fühlen eine Berufung, sie würden gerne das Amt eines Priesters oder einer Priesterin dann auch annehmen, aber wenn das halt nicht geht, entweder weil man vom falschen Geschlecht ist oder weil man da sagt, ich kann nicht auf Liebe und Partnerschaft verzichten, stellt sich auch die Frage, ist das denn dann richtig oder ist das nicht vielleicht auch etwas, wo man tatsächlich was ändern kann, denn das ist nicht in Stein gemeißelt und nicht von Gott gemacht, der Zölibat. Das ist ja auch was, wo die Kirche sich wirklich durchringen kann, eine Entscheidung zu treffen. Man kann ja immer noch über Wege wie den Freiwilligenzölibat sprechen oder da auch Entscheidungsmöglichkeiten einräumen. Das ist ja überhaupt nicht beschnitten dadurch, aber glaubwürdig ist natürlich auch zu sagen, dass man Menschen und ihrer Berufung damit nicht im Wege steht. Und ich würde mir wünschen, dass dieses Signal auch noch mal von der Jugendsynode ausgeht, dass die Bischöfe da auch noch mal ganz klar Stellung beziehen und sagen natürlich muss das möglich sein und das muss auch weiter diskutiert werden und es muss auch konkret was passieren.

Keine eigene Berufung zum Priesteramt

Ricke: Na ja, machen wir es doch mal am persönlichen Beispiel, wenn Sie es erlauben. Wenn ich richtig gerechnet habe, sind Sie mindestens seit Ihrem zehnten Lebensjahr in der Kirche aktiv, Kolpingjugend, Bund deutscher katholischer Jugend, und trotzdem haben Sie nach dem Zivildienst Staatsfinanzen studiert und nicht Theologie. Was hat Sie denn abgehalten?
Andonie: Ja, da sind wir bei der Berufungsfrage. Natürlich, ich habe auch gesehen, wie fehlerhaft diese Kirche ist, wie schwer sie sich auch tut, damit, die eigenen Fehler selbst auch einzuräumen oder damit umzugehen, gerade in der Debatte um die sexualisierte Gewalt, die ja 2010 auf 2011 noch mal ganz stark in die Öffentlichkeit gekommen ist. Und wenn man da selber aktiv ist, habe ich gesagt, ja natürlich, ich bin ein junger gläubiger Mensch, ich engagiere mich sehr gerne aus dem Glauben heraus und werde das auch weiterhin tun, aber ich kann mir nicht vorstellen unter diesen Bedingungen irgendwie in den pastoralen Dienst zu gehen, weil mir das einfach nicht glaubwürdig ist und weil ich da einfach nicht diese Erfüllung finde. Und für mich war dann die Wahl der Staatsfinanzen auch eine Frage von Berufung, ich habe auch gemerkt, okay, das ist was Spannendes, was mich persönlich interessiert, wo ich mir auch vorstellen kann, drin tätig zu sein – und so ist das dann auch gekommen.
Ricke: Der Vorsitzende des Bundes der deutschen katholischen Jugend, Thomas Andonie. Er gehört zu den theologischen Laien, die an der Jugendsynode teilnehmen. Vielen Dank!
Andonie: Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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