Jugendbuch "It’s okay not to be okay"

Du bist nicht allein!

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"It's okay not to be okay" will jungen Leser*innen die Botschaft vermitteln: Ängste, Selbstzweifel, Depressionen – es gibt Hilfe, und darüber reden ist oft der erste Schritt zur Besserung. © Deutschlandradio / Carlsen Verlag
Von Kim Kindermann  · 17.08.2021
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Die Bloggerin Scarlett Curtis hat ein wichtiges Buch herausgegeben. Berühmtheiten wie Naomi Campbell sprechen darin offen über ihre psychischen Leiden. So will Curtis junge Menschen ermutigen, sich die Hilfe zu suchen, die sie brauchen.
Es ist in Ordnung, nicht in Ordnung zu sein, so die deutsche Übersetzung des Buchtitels "It’s okay not to be okay". Und der ist Programm: Scarlett Curtis hat 30 Menschen gebeten, über ihre psychische Gesundheit zu schreiben.
Darunter sind Psychiater*innen, Blogger*innen, Schauspieler*innen, Models, Schriftsteller*innen – unter anderem Lena Dunham, Naomi Campell oder Emma Thompson.

Stars erzählen von Depressionen und Zwangsstörungen

Gemeinsam mit ihnen will die junge Britin junge Menschen, denen es psychisch schlecht geht, wissen lassen: "Du bist nicht allein!" Und so erzählen die in diesem Buch Versammelten davon, wie es ihnen geht, davon, was sie tun, wenn es ihnen etwa aufgrund von Depressionen, Angst oder Zwangsstörungen so schlecht geht, dass sie kaum aus dem Bett kommen, wenn alles dunkel und schwer wird und sie in der Höhle der Selbstzweifel festsitzen. Sie erzählen auch davon, wie sie Hilfe bekommen.
Ziel der Herausgeberin und ihrer Mitstreiter*innen ist es, das Schweigen zu brechen, Scham und Hilflosigkeit zu beenden. Dazu gehört auch Aufklärung. Es ist wichtig zu wissen: "Unglücklich zu sein ist nicht dasselbe wie eine Depression. Stress und Angst sind nicht dasselbe wie eine Angststörung."

Aufklärung ist wichtig

Denn nur wer sich auskennt, kann sich Hilfe holen. Selbsthilfe ist dazu der erste Schritt. Und so erzählen die 30 Autor*innen, mal kurz, mal länger, von sich und ihrem Umgang mit den seelischen Tiefs, die auf die ein oder andere Weise fast alle Menschen kennen.
Dabei ist jeder Text anders. Nicht alle sind gleich gut, aber alle wirken auf ihre Art. Da ist zum Beispiel die junge Schauspielerin Ella Purnell und ihr tagebuchgleicher Text "EINE WOCHE IM LEBEN EINER VERRÜCKTEN", in dem sie über ihre destruktiven Gedanken, ihre Unsicherheiten und Panikattacken schreibt.
"Ich bin nicht gut genug! Ich bin nicht fleißig genug! Was hab ich mir nur dabei gedacht?", heißt es da offen und ehrlich. "Plagt mich das jetzt den Rest meines Lebens?", fragt sich die erfolgreiche junge Frau.

Lebensberichte aus unterschiedlichen Kulturen

Jo Irwin, Bloggerin, ist in den Phasen ihrer Depression nicht in der Lage, zu duschen oder zur Arbeit zu gehen. Und die Journalistin Bryony Gordon schreibt: "Meine Zwangsstörung wurde schlimmer und entwickelte sich mit der Zeit weiter. Sie machte mir weis, dass ich nicht nur Aids und Ebola hatte, sondern wahrscheinlich auch eine pädophile Serienmörderin war, die ihre schrecklichen Taten verdrängt hatte."
Das erste Mal war sie erst zwölf Jahre alt. Es sollte lange dauern, bis sie lernte, dass ihre Krankheit keine Frage des Wetterumschwungs war, wie ihre Mutter ihr erklärt hatte.
Kelechi Okafor erzählt davon, wie Vorurteile sie lange davon abhielten, sich professionelle Hilfe zu holen: "Denn ‚Nigerianer*innen haben keine Depressionen.’ Und wenn ich deprimiert sei, dann nur aus einem Grund: Ich würde ‚Gott nicht genug vertrauen’."

Migration und ihr Einfluss auf die Gesundheit

Das Spektrum der hier geschilderten Erlebnisse ist weit, so geht es auch um Migration und deren Einfluss auf die Gesundheit, etwa wenn die Podcasterin Miriam Davoudvandi uns mitnimmt zu dem Moment, als sie in den Bus stieg, um aus Rumänien nach Deutschland fahren.
Es ist der Tag, an dem sie alles hinter sich lassen muss. Mehr noch: Fortan ist sie die Anwältin ihrer Eltern, die nur schlecht Deutsch sprechen, sie füllt regelmäßig nötige Aufenthaltserlaubnis-Formulare aus. Noch immer sitzt die Angst vor der Zukunft so tief, "dass sie bis heute schlimmste Panik" in ihr auslöst.
Je länger man liest, umso tiefer taucht man in das Thema ein. Man lernt, was es heißt, psychisch zu leiden – und dass ein erster Schritt in Sachen Heilung darin liegt, offen, direkt und ehrlich über seelische Gesundheit zu sprechen. Erst dann können Menschen die Hilfe bekommen, die sie brauchen.

Es muss persönlich werden

Und dazu, auch das gehört zur Erkenntnis der über 300 Seiten, muss es persönlich werden. "Im Teilen von persönlichen Geschichten liegt eine gewaltige Kraft", schreibt Herausgeberin Scarlett Curtis in einem ihrer insgesamt sechs eigenen Texte.
Wie recht sie damit hat, beweist dieses Buch.

Scarlett Curtis (Hrsg.): "It’s okay not to be okay. Inspirierende Persönlichkeiten sprechen über psychische Gesundheit"
Aus dem Englischen von Hanna Christine Fliedner, Jennifer Michalski und Christopher Bischoff
Carlsen/Hamburg 2021
300 Seiten, 14 Euro
Ab 14 Jahren

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