Jüdischer Publizist wirft Pius-Bruderschaft "Theologie der Feindschaft und des Hasses" vor

05.02.2009
Der jüdische Publizist und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christen und Juden beim Evangelischen Kirchentag, Günther Bernd Ginzel, hat der Pius-Bruderschaft eine "Theologie der Feindschaft und des Hasses" vorgeworfen.
Die Bruderschaft sei rückwärts gewandt und eigensüchtig, sagte Ginzel am Donnerstag im Deutschlandradio Kultur. Diese Haltung habe in der Vergangenheit "zu all den fürchterlichen (…) Verfolgungen, all den vielen Scheiterhaufen, auf denen Männer und Frauen zu Hunderttausenden ermordet worden sind", geführt.

Ginzel sagte, es gebe in der katholischen Kirche kleine Gruppierungen, "die in der Tat das Rad zurückdrehen wollen". Diese seien tief verunsichert durch den Islamismus und glaubten, sie seien besser aufgestellt, wenn es eine Art "Prügelgarde des Papstes" gebe.

"Es hat immer Gruppierungen in der katholischen Kirche mit einem eindeutigen Hang zum Faschismus gegeben", sagte Ginzel. Der Publizist verwies in diesem Zusammenhang auf die Zeit der lateinamerikanischen Militärdiktaturen. Diese Diktaturen seien "samt und sonders von den regionalen Bischöfen – von einigen ruhmreichen Ausnahmen abgesehen – unterstützt worden", betonte er.

Ginzel sagte, er habe keine Zweifel an der Integrität von Papst Benedikt XVI. Dass der Vatikan in die Situation komme, die Shoah verurteilen zu müssen, sei jedoch "aberwitzig".

Der Publizist forderte, den aufgebrochenen Konflikt zwischen Katholiken und Juden nicht sofort wieder ad acta zu legen. "Da gibt es einen großen Hang: Die einen protestieren bei jeder Gelegenheit, die anderen versöhnen sich bei jeder Gelegenheit, auf beiden Seiten wird nichts ausdiskutiert."

Man dürfe das eigentliche Problem jetzt nicht überdecken, sagte er. Juden und Protestanten bedürften nicht des katholischen Segens, um bei Gott zu sein. Ginzel kritisierte in diesem Zusammenhang den Vatikan, der die lateinische Messe wieder eingeführt und eine modifizierte Karfreitags-Fürbitte zugelassen habe, bei der für die Erleuchtung der Juden gebetet werde.


Das vollständige Gespräch mit Günther Bernd Ginzel können Sie bis zum 5.7.2009 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören.