Juan Villoro: "Das dritte Leben"

"Posttourismus" für die Superreichen

Der mexikanische Autor und Journalist Juan Villoro
Der mexikanische Autor und Journalist Juan Villoro © picture alliance / dpa / Sergio Goya
Von Katharina Döbler · 09.07.2016
In einem Hotel an der mexikanischen Küste hat Juan Villoro seinen Roman "Das dritte Leben" verortet. Abgeschirmt von der tristen Realität bekommen die geldschweren Gäste dort ein bizarres Unterhaltungsprogramm - bewaffnete Guerilleros inbegriffen. Und dann passiert ein Mord.
Wer im Hotel Pyramide an der mexikanischen Karibikküste absteigt, bekommt nicht nur Urlaub in tropischem Ambiente mit Yoga, Sport und Unterhaltung, sondern richtigen Nervenkitzel: Begegnungen mit bewaffneten Guerilleros bei der Dschungelexkursion, Giftschlangen, düstere Maya-Prophezeiungen, Überfälle. Solche Höhepunkte sind allerdings den Gästen der teuersten Kategorie vorbehalten, die ein purpurrotes Bändchen am Handgelenk tragen.
Juan Villoro verortet seinen satirisch-hyperrealistischen Roman an einem Ort, wo das Meer durch Ölbohrungen verseucht und der erodierte Strand von Hotelruinen gesäumt ist, wo es kaum noch Arbeit gibt, aber in den Bilanzen der gesichtslosen Besitzer das Geschäft blüht: Dieses Kukulkan ist eine Geisterstadt der internationalen Geldwäsche.

Unterhaltung hinterm Elektrozaun

Einzig das Pyramide, umgeben von einer üppigen Vegetation, die den Elektrozaun verbirgt, hat wirkliche Gäste, und das liegt am eigenwilligen Unterhaltungsprogramm des Managers Mario Müller. Der ist die Seele des Hotels und auch des Romans, Organisator nicht nur des "Posttourismus" (wie er selbst ihn nennt), sondern auch Zauberer der Ängste. Früher einmal war er, Sohn eines Schweizers und einer Mexikanerin, Heavy-Metal-Sänger. Erzähler des Romans aber ist Marios alter Freund, der vierfingrige Bassist Antonio, dessen Verhältnis zur Realität durch eine lange Drogenkarriere ziemlich beschädigt ist.
Villoro treibt hier ein raffiniertes Doppelspiel mit Erzählperspektiven: Antonios Erinnerungen sind zum Teil nur Geschichten, die ihm Mario erzählt hat, vielleicht also nur dessen Erfindungen – wie die falschen Guerilleros, wie die ganze käufliche Welt des Hotels Pyramide.

Makabres Spiel der Täuschungen

Äußerlich dreht sich die Handlung des Romans um einen Doppelmord, aber der ist für Villoro lediglich ein Vorwand, um mit seinen wunderbar bizarren Figuren – dem nordamerikanischen Hotelbesitzer, dem britischen Troubleshooter, dem mexikanischen Ex-Polizisten, der kontrollierten Yogalehrerin und vielen mehr – ein makabres Spiel der Täuschungen aufzuführen, in dem der unzuverlässige Antonio seine Rolle finden muss.
Die schwierige Balance zwischen Parodie und Epos, zwischen Analyse und Emotion: hier ist sie gelungen, in einem mitreißenden Gegenwartsroman.

Juan Villoro: Das dritte Leben
Aus dem Spanischen von Susanne Lange
Hanser Verlag, München 2016
286 Seiten, 19,90 Euro

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