"JT and the Tennesse Kids"

Justin Timberlake im eigenen Wohnzimmer

Justin Timberlake wollte unbedingt, dass seine "20/20 Experience Tour" auf Film festgehalten wird.
Justin Timberlake wollte unbedingt, dass seine "20/20 Experience Tour" auf Film festgehalten wird. © Charles Sykes/Invision/AP
Von Anna Wollner  · 12.10.2016
Der Popstar Justin Timberlake ist exklusiv auf dem Streamingportal Netflix mit seinem eigenen Film zu sehen – in der Rolle seines Lebens. "JT and the Tennesse Kids" ist ein Konzertfilm von Jonathan Demme über die letzten Abende von Justin Timberlakes letzter Tour.
Die Katakomben der MGM Grand Garden Arena in Las Vegas. Justin Timberlake steht mit seinen Musikern vor dem Bühnenausgang im Kreis versammelt, hält eine kleine Ansprache bevor es rausgeht auf die riesengroße Bühne. Es ist nur ein kurzer Augenblick, eine kleine, letzte Verschnaufpause bevor es losgeht. Denn "JT and the Tennesse Kids" ist ein reiner Konzertfilm. Justin Timberlake und seine Band – die Tennesse Kids - auf der Bühne, er in einem schwarzen Tom Ford-Smoking ganz in seinem Element, der Rolle seines Lebens: dem Performer, dem Showman und Entertainer.
Justin Timberlake ist vielleicht der größte Star des Jahrhunderts und doch drängt er sich hier nicht in den Vordergrund, teilt die Bühne mit 25 anderen Musikern, tritt immer wieder zurück und lässt den anderen Raum für ihre gemeinsame Performance. "JT and the Tennesse Kids" ist für ihn die Möglichkeit Danke sagen zu können.
"Das wohl wichtigste des Projektes war für mich, dass meine ganze Crew, mein ganzes Team so wunderbar in Szene gesetzt wurde. Sie sind am Ende genauso wichtig wie ich oder Jonathan Demme. Jeder der aus dem Film rauskommt, kennt auch sie ein bisschen besser. Das passiert doch viel zu selten. Selbst bei Konzertfilmen. Das war meine Art Danke sagen zu können."
Dabei stammt die Idee des Films von ihm, er wollte unbedingt, dass seine 20/20 Experience Tour auf Film festgehalten wird. Nicht von irgendwem, sondern von Oscarpreisträger Jonathan Demme. Justin Timberlake hat ihn förmlich gestalked.

"Du bist meine einzige Wahl"

"Als ich Jonathan angerufen habe, habe ich ihm gesagt, du bist nicht meine erste Wahl, du bist meine einzige Wahl. Es war nie jemand anderes im Gespräch. Eigentlich waren wir in Verhandlungen über einen anderen Film, einen Spielfilm, der dann doch nie zustande kam. Ich habe ihn dann irgendwann angerufen, von meiner Idee erzählt und als er mir dann erzählte, wie er 'Stop Making Sense' angegangen ist, war mir klar, dass er der richtige ist. 'Stop Making Sense' ist ein Kunstwerk für sich. David Byrne ist ein wahrer Künstler, aber der Film lebt eben auch ganz besonders von Jonathan Demmes Gespür für Bilder. Das es keine Bilder vom Publikum gibt zum Beispiel. Dadurch entsteht beim Gucken das Gefühl selbst Teil der Masse zu sein."
Mit dem gleichen Team wie schon by "Stop Making Sense" um Produzent Gary Goetzmann und Kameramann Declan Quinn wiederholt Demme hier sein Konzept.
"Jonathan wollte hier das gleiche Gefühl entstehen lassen. Er hat meine Songs regelrecht auseinandergenommen um zu überlegen, wann er wen wie und wo filmen wollte. Bei 'Stop Making Sense' hat man das Gefühl dabei gewesen zu sein aber nie im Weg gestanden zu haben und dennoch bekommt man als Zuschauer auch eine Ahnung über David Byrne. Eine Ahnung, die man ohne diesen Film nie bekommen hätte. Dieses Bewusstsein wollte ich auch bekommen. Denn dadurch hatte ich selbst weniger Angst vor dem Film. Ich wähnte mich in guten Händen. Einfach weil Jonathan Demme so ein Genie ist."

Wie ein kleiner Junge

Die Kamera filmt Timberlake dabei oft leicht angeschrägt von unten, bringt ihn in die Perspektive einer Gottheit. Zeigt aber auch kleine Momente nach den Songs, in denen die Anspannung von seinem Gesicht fällt, die Schultern zusammensacken, er verschmitzt ins Leere grinst und er wirkt, wie ein kleiner Junge, der gerade vom Spielen kommt:
"Ich wollte nicht einfach nur den Moment einfangen und auffrischen. Ich wollte mit der Kameraführung und dem Sounddesign einen Mehrwert schaffen. Nach der Premiere kam jemand zu mir und schwärmte mir von seiner Lieblingseinstellung vor. Es war einfach nur eine ganz einfache Einstellung von mir. Tanzend. Aber die Kamera war hinter mir, ich drehte mich um und guckte direkt in sie hinein. Hinter mir tobte das Publikum. Mein Gesichtsausdruck in so einem Moment ist normalerweise fürs Publikum verborgen. Oder kleine Spielereien, Blicke zwischen mir und der Band. Das sind die Momente, die wir normalerweise nicht sehen. Wäre Jonathan Demme nicht dabei gewesen, hätte niemand diese Augenblicke eingefangen."
Es sind Momente wie diese, die aus Justin Timberlake einen Menschen machen. Nach zwei Jahren auf Tour scheint das Programm perfekt, wirkt aber nie automatisiert oder mechanisch. Mit seiner Performance irgendwo zwischen Fred Astaire, Frank Sinatra und Michael Jackson begeistert Timberlake vor allem auch musikalisch.
Der Konzertfilm "JT and the Tennesse Kids" ist kein Blick hinter die Kulissen, sondern bleibt bei der Zuschauerperspektive, dem Blick auf die Bühne. Nur kommt man mit Demmes Hilfe viel näher ran. Sieht Timberlake schwitzen, lachen, leiden, tanzen. Der Film vermittelt das Gefühl in der ersten Reihe gestanden zu haben; mit ihm zusammen auf der Bühne. Am Ende hat man keinen Film über Justin Timberlake, sondern ein Konzert von und mit ihm gesehen. Dabei entsteht der Eindruck, dass Justin Timberlake im eigenen Wohnzimmer ab und an sogar mit auf der Couch saß.
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