Journalist Jens Jessen über den Green Deal

"Die EU muss Klima-Außenpolitik machen"

04:29 Minuten
Ursula von der Leyen steht an einem Pult und verkündet den neuen Green Deal in Brüssel
Ursula von der Leyen verkündet den neuen Green Deal in Brüssel © picture alliance / Xinhua News Agency / Zheng Huansong
Moderation: Anke Schaefer · 15.01.2020
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Der Green Deal könnte der wichtige Startschuss für einen Paradigmenwechsel sein. Was die EU jetzt brauche, sei eine konsequente Klima-Außenpolitik, sagt "Zeit"-Redakteur Jens Jessen. Denn es nütze wenig, wenn Europa allein voranpresche.
2020 hat schon sein erstes "Wort des Jahres": Green Deal. Bis 2050 sollen die Länder der Europäischen Union nach dem Willen der EU-Kommission klimaneutral sein – und am besten ganz Europa der erste klimaneutrale Kontinent. Mit EU-Mitteln sollen Investitionen der Wirtschaft und anderer Akteure für mehr Klimaschutz in den Mitgliedsländern gefördert werden.
Optimtisten sprechen von einem Paradigmenwechsel, Kritiker halten solche Ankündigungen für reine Symbolpolitik oder zumindest nur für eine wenig konkrete Simulation.

Umwelt und Klima sind endlich zur Priorität geworden

Unser Studiogast, der "Zeit"-Redakteur Jens Jessen, sieht es nicht so pessimistisch: "Es ist ein Paradigmenwechsel – insofern, als zum ersten Mal Umwelt- und Klimaziele nicht Ziele unter 'ferner liefen' sind, sondern an die erste Prioritätsstelle geschoben worden sind."
Natürlich sei das zunächst einmal nur symbolisch – "ein performativer Akt, das ist ja auch kritisiert worden" –, aber dennoch bedeutend. Denn: Es müsse mit einer Simulation angefangen werden, bevor wirkliche Taten folgen könnten. "So etwas lässt sich ja nicht in Brüssel oder in der Hauptstadt eines Nationalstaates sofort durchsetzen. Es muss erstmal verkündet werden – und dann kommt man in eine steinige Ebene, wo sehr viele Hindernisse aus dem Weg geräumt und viele Kompromisse gefunden werden müssen." Die Ankündigung sei aus seiner Sicht ein notwendiger Startschuss. Wenn auch noch etwas zaghaft.

Klimapolitik im Konflikt mit sozialer Gerechtigkeit

Er gebe jedoch Kritikern recht, wonach sich eine ernsthafte Klimapolitik und ungebremstes Wachstum ausschlössen, sagt Jessen. Auch werde schnell klar, dass Klimapolitik im Konflikt mit dem Ziel der sozialen Gerechtigkeit liege.

Jens Jessen zu den Folgen des Green Deal für Deutschland:
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Und es sei letztlich nicht ausreichend, Klimaziele nur für die Europäische Union zu formulieren. "Das wird uns nicht retten – nicht im Entferntesten. Sondern die Europäische Union muss außerdem eine Art Klima-Außenpolitik machen."
Jens Jessen sitzt im Studio und schaut in die Kamera.
Für Jens Jessen ist der Green Deal ein wichtiger Startschuss.© Deutschlandradio / Matthias Horn
Doch das sei schwierig, räumt Jessen ein. "Die EU kann sich nicht durch ehrgeizige Klimaziele wirtschaftlich so weit schwächen, dass sie in der Welt nicht mehr mitreden kann. Dann hätten wir hier alle ein super-gutes Gewissen – aber gewonnen wäre gar nichts."
(mkn)

Jens Jessen ist Redakteur der Wochenzeitung "Die Zeit" im Feuilleton, das er von 2000 bis 2014 auch leitete. Zuvor war er Feuilletonchef bei der "Berliner Zeitung" und Redakteur im Feuilleton der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Begonnen hatte der Autor und Publizist seine Laufbahn von 1984 bis 1988 als Verlagslektor in Stuttgart und Zürich. 2012 erschien im Carl Hanser Verlag Jessens Roman "Im falschen Bett".

Hören Sie hier die komplette Sendung mit Jens Jessen:
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