"Joker" mit Joaquin Phoenix

Ein durch und durch düsterer Film

08:04 Minuten
Joaquin Phoenix schaut über die linke Schulter, mit Clownsschminke im Gesicht und grünen Haaren.
Trauriger Clown: Die ungerechten Verhältnisse in Gotham City veranlassen den Joker, zur Anarchie aufzurufen. © Nico Tavernise
Patrick Wellinski im Gespräch mit Max Oppel · 02.09.2019
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Die Neuverfilmung des "Joker" hat bei den Filmfestspielen in Venedig gute Chancen, einen Goldenen Löwen zu gewinnen. Joaquin Phoenix spielt die Titelrolle darin als Opfer äußerer Umstände – und entzieht sich einer klaren Einordnung in Gut und Böse.
Mit fast zehn Minuten Standing Ovations reagierte das Publikum bei den Filmfestspielen in Venedig auf die Neuverfilmung des Jokers, Batmans dunklen Gegenspieler, von Regisseur Todd Phillips. Und das, obwohl es sich um einen durch und durch düsteren Film handelt, wie unser Kritiker Patrick Wellinski berichtet.
Erzählt wird die Geschichte von Arthur Fleck, der an einer neurologischen Krankheit leidet, die ihn zu unkontrollierten Lachausbrüchen zwingt – das Markenzeichen des Jokers. Fleck, der in ärmsten Verhältnissen lebt, träumt davon, einmal als Clown in einer Late-Night-Show aufzutreten. Doch die Realität sieht anders aus: bei Flecks Auftritten lacht niemand, und ein Alltag voller Niederlagen lässt den gebrochenen Mann langsam zum berühmten Joker werden.

Fortsetzung von "Taxi Driver"

Regisseur Phillips hat sich dabei nicht nur von einer Comic-Vorlage inspirieren lassen, sondern auch vom amerikanischen Kino der 70er-Jahre. "Dieser Joker ist quasi eine Fortsetzung des Films 'Taxi Driver': Die Stadt wird immer ärmer, schmutziger, und der Joker wird immer wütender an diesen Verhältnissen", sagt Wellinski. Schließlich begibt sich der Joker auf die Seite der Armen und Vergessenen und ruft als deren Führer zur Anarchie auf.
Die dankbare Rolle des Joker wurde in früheren Verfilmung von Stars wie Jack Nicholson und Heath Leadger verkörpert. In der Neuverfilmung spiele ihn Joaquin Phoenix als Figur voller Ambiguitäten, die Opfer und Täter zugleich sei. Für Wellinski liefert Phoenix dabei "eine körperliche Performance, wie man sie nur aus dem Theater kennt." Abgemagert, mit aus der Haut hervorragenden Schulterblättern und tiefen Augenringen, schlurfe dieser Joker nur so durch Gotham City.

Eine Fahrt in die Hölle

Die Düsterheit der Szenerie und der Figur werde während des gesamten Films nie aufgebrochen, so Wellinski. "Der Film ist eine Fahrt in die Hölle, ein Psychogramm eines geistig gestörten Menschen, der aufsteigt zur Gallionsfigur aller, die sich durch die Reichen benachteiligt fühlen."
Dahinter verstecke sich allerdings keine eindeutige politische Botschaft. Der Joker befeuere den Aufstand der Armen. Mord und Zerstörung zeige der Film zwar als Reaktion eines unterdrückten Volkes, beziehe dabei aber keine Position, so Wellinski, weil der Zuschauer durch die Augen des Jokers schaue – einem Mann, der das Chaos vielleicht inszeniert, vielleicht aber auch vom Mob zum Anführer hochstilisiert wird.
Für Wellinski ist der Joker deshalb weder Bösewicht noch Antiheld, sondern eine ambivalente Figur, die an den Verhältnissen zerbricht.
(rod)
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