John Grant: "Grey Tickles, Black Pressure"

Düstere Songs mit ein bisschen Hoffnung

Der US-amerikanische Sänger und Songwriter John Grant.
Für John Grant haben Songs auch therapeutische Wirkung. © picture alliance / dpa / Jörg Carstensen
Von Christoph Reimann · 06.10.2015
Das Leben des US-amerikanischen Sängers John Grant ist geprägt von Drogenkonsum, Alkoholsucht und Depressionen. Darum geht es auch auf dem Album "Grey Tickles, Black Pressure". Am Ende ist es aber doch noch eine hoffnungsvolle Platte geworden.
"Die Liebe ist langmütig,
die Liebe ist gütig.
Sie ereifert sich nicht,
sie prahlt nicht,
sie bläht sich nicht auf."

Ein Auszug aus dem Hohelied der Liebe. Mit dem Bibeltext beginnt und endet das dritte Solo-Album von John Grant, "Grey Tickles, Black Pressure".
"Das ist so konzeptmäßig gedacht. Ich habe viel mit der Bibel zu tun gehabt durch mein Leben hindurch, in meiner Kindheit vor allen Dingen. Und es ist mir schon so oft gesagt worden, dass die Liebe so auszusehen hat, so sein soll, und ich wollte einfach zeigen, wie ich mir die Liebe vorgestellt habe als Kind und wie das wirklich im Alltag ausgesehen hat für mich. Also habe ich dann zwölf Stücke komponiert, die dann eigentlich das Gegenteil sind von dem, was ich darunter verstand als Kind", sagt John Grant. Er ist im konservativ geprägten Bundesstaat Colorado aufgewachsen, im zentralen Westen der USA. Für einen schwulen Teenager nicht gerade leicht.
"Mein ganzes Leben hindurch habe ich Leute kennengelernt, die mich schwule Sau genannt haben, fucking faggot und 'du bist ein Dreckstück', 'Leute wie dich sollte man töten'."
Unter solchen homophoben Äußerungen leidet Grant noch heute - mit 47. In seinen Songs rechnet er mit seinen Peinigern ab. Wer gegen Schwule hetzt, verdiene es, mit Hitler verglichen zu werden, findet Grant und malt sich in dem Song Song "You And Him" eine absurd-lustige Szene aus: Der Diktator und sein homophober Kumpel stricken sich Pullover im Partnerlook.
"'You and Hitler oughta get together, you oughta learn to knit' - das Stricken lernen, und sich gegenseitig so Pullover stricken. Ich finde das lustig. Das hört sich wahrscheinlich ein bisschen fies an, aber ich habe mich öfter so gefühlt. Das ist einfach ehrlich."
Diese Ehrlichkeit macht die Songs von John Grant so eindringlich. Aber im Interview ist sie fast erdrückend: wenn er über seine langjährige Alkoholsucht spricht, seine Depressionen, seine Drogenvergangenheit und seine HIV-Infektion. All diese Themen tauchen auch immer wieder in seinen Songs auf. Die lassen sich groß in zwei Kategorien einteilen: Zum einen gibt es da die schnelleren Titel mit den bissigen, aber auch sarkastisch-lustigen Texten.
Und dann gibt es die elegischen Balladen, vorgetragen mit betrübter Stimme, opulent instrumentiert.

John Grant macht großartigen Songwriterpop. Textlich auf dieser Platte sogar noch ein bisschen schonungsloser als zuvor. Und musikalisch ist das Album komplexer, wenn elektronische auf akustische Instrumente treffen. Der hartnäckige Mythos, dass zu einem guten Kunstwerk auch immer ein leidender Künstler gehört, ist abgeschmackt. Ganz zurückweisen will Grant ihn aber nicht:
Lange hat Grant mit dem Leben und mit der Liebe gehadert
"Das scheint bisher für mich der Fall gewesen zu sein. Aber ich glaube nicht, dass es unbedingt so sein muss. Ich weiß es aber nicht. Mir ging es noch nicht so gut, dass ich dir sagen könnte, dass man das irgendwie anders machen kann."
Sagt Johnt Grant und fügt hinzu, dass seine Musik ohne die Depressionen wohl nicht zustande gekommen wäre.
Man muss nicht denselben Weg wie John Grant hinter sich haben, um Gefallen an seiner Musik zu finden. Eine Art therapeutische Wirkung steckt dennoch in ihnen.
"Ich habe schon viele Briefe von Leuten bekommen, die sich bei mir bedankt haben, dass ich so offen darüber rede. Also glaube ich auf jeden Fall, dass es anderen Leuten hilft. Aber ich glaube, dass es mir auch hilft, nüchtern und clean zu bleiben und auf diesem Weg zu bleiben, auf dem ich mich befinde."
Seit einigen Jahren lebt Grant jetzt ohne Drogen, in seiner aktuellen Wahlheimat Island hat er einen neuen Partner gefunden. Und so blitzt zwischen den vielen wolkentrüben Stücken der Platte auch mal ein verqueres Liebeslied auf.
Der Genitiv, den Grant an der deutschen Sprache so sehr liebt, und auch die großen russischen Pianisten, sind nichts als eine gewaltige Enttäuschung, verglichen mit der großen Liebe. Das singt der polyglotte Amerikaner im Duett mit Tracey Thorn, die mit der Band Everything But The Girl bekannt geworden ist.
Lange hat Grant gehadert: mit dem Leben, mit der Liebe. Und die sieht eben nicht nur bei ihm aus, anders als es konservative Bibelprediger gerne hätten. Grants Songs sind trotz der schwerwiegenden Probleme, die darin behandelt werden, immer auch der Beweis, dass man sich nicht verstecken muss. Dass man sein Leben ändern und in den Griff bekommen kann. Am Ende ist "Grey Tickles, Black Pressure" auch eine hoffnungsvolle Platte.
"Ich glaube, dass man ständig besser werden kann darin und Fortschritte machen. Dass man das Lieben lernen kann. Das hat sehr lange gedauert bei mir. Aber ich glaube zumindest, dass ich dazu fähig bin."
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