Oper "Der Ferne Klang" in Graz

Schöne Echoeffekte

Daniel Kirch (Fritz) und Johanni van Oostrum (Grete) in "Der ferne Klang"
Daniel Kirch (Fritz) und Johanni van Oostrum (Grete) in der Oper "Der ferne Klang" © Oper Graz / Werner Kmetitsch
Von Jörn Florian Fuchs · 26.09.2015
"Der Ferne Klang" treibt den Komponisten Fritz in Frank Schrekers gleichnamiger Oper weg von seiner Geliebten Grete. Florentine Klepper inszeniert in klaren und düsteren Bildern das Geschehen, wobei das irrlichternd Sehnsuchtsvolle des Stücks auf der Strecke bleibt.
In einem kleinen Zelt sucht das Paar Schutz vor der Welt, die es nicht gut mit ihm meint. Das Zelt dient als kurzzeitiger Rückzugsort sowohl am hoffnungsvollen Anfang wie auch am Schluss, als Komponist Fritz schon im Sterben liegt und seine Geliebte Grete ihr Leben bereut. Sie wurde vom adretten Landmädel zur Edelprostituierten und verlor dabei vor allem ihre seelische Gesundheit. Fritz hingegen ließ Grete sitzen, weil er nach jenem fernen Klang suchte, der ihn erst zum einzigen und wahren Künstler machen sollte. Als junger Mann hatte er den Traumklang einst gehört, zumindest bruchstückhaft, wiederfinden wird er ihn erst kurz vor dem Tode.
Franz Schrekers 1912 uraufgeführte Oper besticht durch die Mischung aus Abstraktion und Konkretion, sie hält die Spannung aus raunendem Geheimnis und sehr direkt erzähltem Sozialdrama, sowohl in der Musik wie beim Text. Dirk Kaftan fächert am Pult des Grazer Philharmonischen Orchesters alle Facetten der Partitur fein auf, allerdings vernachlässigt er ein wenig jene "unscharfen" Momente, die Schrekers Markenzeichen in diesem Werk sind. Durch bewusst verfrüht oder verspätet eingesetzte Instrumente entsteht ein verschwommen schummriges Klangbild. Kaftan hingegen setzt auf größtmögliche Transparenz und damit wird die Sache doch zeitweise zu trocken. Sehr schön sind allerdings zahlreiche Echoeffekte.
Grete mit Johanni van Oostrum ideal besetzt
Johanni van Oostrum erweist sich mit ihrem ebenso lyrischen wie konturierten Sopran als Idealbesetzung für Grete, Daniel Kirch singt den Fritz anfangs mit spürbarer Nervosität, findet aber mehr und mehr zu traumschönen Tönen. Auch bei den kleineren Rollen gibt es gute Leistungen, so überzeugen etwa Markus Butter als schmieriger Graf und Dr. Vigelius sowie Dshamilja Kaiser als "altes Weib". Die alte Frau entpuppt sich in Florentine Kleppers Inszenierung als mahnende aber auch fürsorgliche Doppelgängerin von Grete, ziemlich oft taucht sie auf. Einmal versucht Grete, ihr Double in einem See zu ertränken, wobei eigentlich sie es ist, die Selbstmord begehen möchte, weil Fritz sie verlassen und der Vater seine eigene Tochter beim Kegeln verspielt hat. Die Verdopplung ist an und für sich keine schlechte Idee, wird aber ein bisschen überstrapaziert.
In ebenso klaren wie düsteren Bildern zeigt Klepper das Geschehen, da mutieren schon mal leibhaftige Menschen zu umstürzenden Kegeln, im Bordell wird detailliert schmierig geliebt und Macht ausgeübt, mehrfach sorgen Videos für unbehagliche Stimmungen. Die Bildsprache ist zwar konsequent, ermüdet jedoch etwas. Eine große Kühle durchzieht den Abend, die Farbdramaturgie orientiert sich vor allem an Schwarz und Weiß und Grautönen. Florentine Klepper möchte wohl bewusst die Künstlichkeit ausstellen, die das Stück zweifellos ausstrahlt, aber es besitzt eben auch noch andere Qualitäten. Das irrlichternd Sehnsuchtsvolle und Metaphysische bleibt in Graz eher auf der Strecke. Alles in allem war dieser "Ferne Klang" ein sehr ordentlicher, vom Publikum fast schon hysterisch beklatschter Saisonauftakt.
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