Joan Armatrading: "Consequences"

Frauen sind stark und mutig und kämpfen für ihre Rechte

12:32 Minuten
Joan Armatrading während eines Konzerts mit Gitarre auf der Bühne.
In der Emanzipationsgeschichte der Frauen in der Pop-Musik hat Joan Armatrading eine wichtige Rolle gespielt. © picture alliance / Pop-Eye / Christian Behring
Joan Armatrading im Gespräch mit Andreas Müller · 17.06.2021
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Joan Armatrading wusste immer, was sie wollte und hat gesagt, wo es lang geht. Von Anfang an schrieb sie ihre Songs selbst. Damals wusste sie nicht, dass sie damit eine Pionierin war, erzählt sie im Gespräch. Jetzt stellt sie ihr neues Album vor.
Die tollsten Frauen werden manchmal von komischen Typen angebaggert, sagt Joan Armatrading. Sie selbst habe immer genau gewusst, was sie wollte und Männer hätten das respektiert. Über ihre Rolle als Pionierin in der Musik und über ihr neues Album sprach Joan Armatrading mit Andreas Müller.
Andreas Müller: Wenn ich dieses Album irgendwie zusammenfassen sollte, dann würde ich wohl von positiver Energie sprechen. Joan Armatrading, was gibt es denn zu feiern?
Joan Armatrading: Ich bin am Leben! Mehr brauch ich doch gar nicht! Ich bin immer sehr positiv eingestellt. Und ich denke, das hört man auch in all meinen Songs.

Aggressive Menschen sind eigentlich unzufrieden

Müller: Im Song "Better Life" fordern Sie uns auf, ein besseres Leben zu führen: Wir sollen mit einem Lächeln durch die Welt gehen, uns nicht mit anderen vergleichen, ein Liebes-Junkie sollen wir sein. Andererseits reden wir im Moment ja auch viel über Diskriminierung und Rassismus. Sie singen, Veränderung beginne aber bei jedem selbst. Reicht das, um diese Dinge zu korrigieren?
Armatrading: Ich weiß es nicht. Letztendlich kann und sollte doch erst mal jeder auf sich selber gucken: Wie Du als Person bist, wie Du andere behandelst. Jeder Einzelne muss sich für andere Menschen einsetzen. Mehr kann man nicht tun. Dieser Song, und auch ein Großteil der anderen Songs, handelt ja nicht von mir. "Meine" Songs sind positiv – da gehts um Glück, um ein erfülltes Leben. Ich will einfach nur glücklich sein! Ich bin jetzt 70 und habe jedes einzelne Jahr genossen!
Ich bin der festen Überzeugung, dass aggressive, konfrontative Menschen eigentlich ziemlich unzufrieden sind. Aber dafür ist das Leben doch viel zu kurz, selbst wenn man 120 wird! Man muss sich davon befreien, positiv denken. Warum sollte man die ganze Zeit unglücklich sein wollen? Das versteh ich nicht!
Müller: Aber können Sie trotzdem junge Musikerinnen und Musiker verstehen, die wütend sind und dementsprechend Musik machen?
Armatrading: Ja, natürlich! Gerade wenn sie jung sind, ist das ja eigentlich ihr Job. In dem Alter, mit 16, 18 oder 20 Jahren, fangen sie ja gerade erst an rauszufinden, worum es im Leben geht, wie sie selber sein wollen. Und dabei entsteht eben auch viel Frust und Wut.
Also, ich meine keine unzivilisierte Aggression oder Gewalt, sondern diese typische Unzufriedenheit der Jugend. Da ist man halt auf einer Art Entdeckungsreise, das will ich niemandem nehmen, das gehört einfach dazu! Später ist das natürlich etwas anderes, wenn man schon einiges erlebt hat und zur Ruhe kommt, aber in der Jugend gehört das dazu. Das ist doch schön!

Ich wusste immer genau, was ich wollte

Müller: Ihre Karriere begann 1972, da ist Ihr Debüt erschienen. Sie waren damals so 21, 22 Jahre alt. Als schwarze Frau im Musikbusiness der 70er, die auch noch ihre eigenen Lieder geschrieben hat – da waren sie eine der ersten. Wie sehen Sie das rückblickend: War das eine schwere Pionierleistung?
Armatrading: Ich hatte ja keine Ahnung, dass ich eine Pionierin war. Ich hab einfach meine Songs geschrieben und gesungen. Es gab keine andere, die mir sagen konnte: So hab ich das gemacht. Erst später hab ich dann realisiert, dass ich die Erste war, die diese Dinge gemacht hat. Es war ja nicht nur so, dass es keine schwarze Frau in diesem Business gab – es gab überhaupt keine Frau! Zumindest keine, von der ich gewusst hätte.
Joni Mitchell hatte zu der Zeit noch keine Aufnahmen gemacht. An der konnte ich mich also auch nicht orientieren. Aber ich hab es trotzdem nie als schwierig empfunden – meine Songs hab ich sowieso von Anfang an selbst geschrieben und arrangiert; da hat mir bei den Aufnahmen niemand reingeredet. Ich wusste immer genau, was ich wollte und was ich nicht wollte. Und deswegen haben mich die Musiker und der Produzent auch respektiert. Sie haben einfach getan, was ich ihnen gesagt habe!
Müller: "Barefoot and Pregnant" heißt einer Ihrer bekanntesten Songs, Ende der 70er erschienen. Das war damals ein Slogan der Frauenbewegung. Es ging darum, wie Männer sich die Frauen Untertan machen, eben schwanger und barfuß. Heute gibt es wieder eine Welle von jungen Frauen, die von Gleichberechtigung singen. Erreicht ist sie immer noch nicht. Wie geht es Ihnen damit, auch wenn Sie so positiv sind: Ist es nicht auch erschreckend, dass dieser Song aus den 70ern immer noch eine gewisse Relevanz hat?
Armatrading: Da sind immer noch so viele Dinge relevant. In mancherlei Hinsicht dreht sich die Erde ziemlich langsam. Aber mit "Barefoot and Pregnant" wollte ich gar keine feministischen Standpunkte vertreten – ich hab den Song einfach geschrieben, weil ich die Geschichte von jemandem gehört hatte, der jemanden kannte, der genau das seiner Frau angetan hatte. Sie hat alles bekommen, was sie wollte: Ein Auto, Schmuck und so weiter, aber sie durfte keine Freunde haben, kein Sozialleben ohne ihn. Sie hatte also eigentlich gar kein richtiges Leben – sie war einfach immer nur schwanger!
So was passiert; die Menschen ändern sich nur langsam. Und letztendlich beherrschen immer noch Männer die Welt, obwohl Frauen ja eigentlich mindestens ebenso stark und fähig sind, in jeglicher Hinsicht. Aber die Männer haben eben dieses überbordende Selbstbewusstsein.
Die tollsten Frauen werden manchmal von komischen Typen angebaggert; Männer, die nicht gerade attraktiv sind. Aber die sehen das anders und denken: 'Hey, ich bin ein Mann. Natürlich steht sie auf mich!' Aber so läuft das natürlich nicht! Wer weiß, wann sich das mal ändert; viele Männer können sich von so was einfach nicht lösen. Aber wie gesagt: Frauen sind stark und mutig und kämpfen für ihre Rechte!
Müller: Kommen wir noch mal zurück zum neuen Album "Consequences" und sprechen über die Art und Weise, wie diese Lieder gemacht sind: Das ist klassischer Pop, da ist Ihre große Stimme – es ist von der ersten Sekunde an klar: Hier ist Joan Armatrading. Gibt es so etwas wie die Joan-Armatrading-Formel, wenn Sie Songs schreiben?
Armatrading: Nein, es gibt keine Formel. Ich bin einfach gut darin!

"Meine Ziele kündige ich nicht vorher an"

Müller: Letzte Frage: Sie sind jetzt 70 Jahre alt, waren dreimal nominiert für einen Grammy, Sie sind CBE und MBE, also ausgestattet mit Ritterorden: Was soll dann da jetzt noch kommen? Was sind Ihre Ziele, was sind Ihre Pläne?
Armatrading: Also, ich mag Herausforderungen. Das Songschreiben an sich ist jetzt gar nicht so die große Herausforderung für mich – da kann ich ja eigentlich gar nichts für. Ich hab Talent und muss einfach das Beste daraus machen.
Was andere Ziele angeht – so was kündige ich nicht gern vorher an. Ich nehme mir etwas vor und mache es, und dann kann ich auch darüber reden. Ich hab zum Beispiel einen "B.A. Honours Degree" gemacht, einen Abschluss in Kunst. Das hat fünf Jahre gedauert, mit all den Prüfungen. Ich hab niemandem gesagt, dass ich das mache – bis ich fertig war. Und dann durften es auch Freunde und die Presse erfahren.
Und genauso ist das auch mit meinem nächsten Album: Wenn ich alles geschrieben hab und ich glücklich damit bin – dann kann es jeder hören.
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