Joachim Gauck: Die Wahrheit der Geschichte ist konkret

22.04.2008
Ein früherer Inoffizieller Mitarbeiter (IM) der DDR-Staatssicherheit darf bei einer Ausstellung in Sachsen mit seinem richtigem Namen genannt werden. Das entschied das Zwickauer Landgericht und hob damit eine einstweilige Verfügung der Vorinstanz auf. Der ehemalige Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Joachim Gauck, begrüßt die Entscheidung.
Gauck ist sich sicher, dass auch in Zukunft die vollen Namen (Klarnamen) einstiger Inoffizieller Mitarbeiter in der Öffentlichkeit genannt werden können, beispielsweise in Medien.

Im Zusammenhang mit dem Urteil des Landgerichts Zwickau unterstrich Gauck, dass man im rechtsfreien Raum nicht einfach testen könne, ob es zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz etwas zu klären gebe. Klarnamen würden seit Jahren aus gutem Grund genannt, weil die Wahrheiten der Geschichte konkret seien. Der Gesetzgeber habe gewollt, dass die Vorteile, die einstige Spitzel und IM in der Diktatur gehabt hätten, ausgeglichen werden sollten durch gewisse Nachteile. Diese könnten beispielsweise für die Betroffenen dadurch entstehen, dass sie überprüft würden, wenn sie im öffentlichen Dienst arbeiteten, oder sie in öffentlichen Publikationen genannt würden.

Gauck wörtlich: "Um den Leuten zu zeigen, das ist nicht irgendein Schicksal, das immer wieder über die Völker hereinbricht, sondern die großen Diktatoren haben kleine Helfer und die Menschen haben eine Wahl. Und wir können durch diese Namenpreisgabe dieses Wegdrücken von Schuld eher bannen, als wenn man ganz allgemein davon spricht, es gibt eben diese Menschen. (…) Es ist nirgendwo so, dass Irrtümer und unethisches Verhalten vom Rechtsstaat derart geschützt werden, dass man nicht darüber reden darf."

Nach den Worten Gaucks gibt es den einfachen Weg, der Menschen helfe, mit und in dieser Debatte sowie der belasteten Vergangenheit klarzukommen, das sei die Wahrheit. Wenn diejenigen Reue zeigten, sei die Öffentlichkeit generös und bereit zur Vergebung.

Im Osten Deutschlands gebe es nach wie vor einen tiefen Spalt zwischen jenen, die genau hinsehen würden, und jenen, die nostalgische Erinnerungen hätten. Dieser Kampf werde weitergehen. Die DDR habe zwei Generationen lang existiert, und deshalb werde es bis in familiäre Überlieferungen hinein eine lange Zeit eine große Spaltung geben zwischen Aufarbeitern und Verdrängern. In diesem Zusammenhang nähmen sich einige Rechte heraus, die sie sich 1990/91 nicht herausgenommen hätten.

Sie können das vollständige Gespräch mindestens bis zum 22.9.08 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.